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Skandinavisches Design und die USA 1890 – 1980

Skandinavisches Design und die USA 1890 - 1980

(Sammler Journal 03/2022)

Die Ausstellung Scandinavian Design & USA im schwedischen Nationalmuseum untersucht, wie Konzepte und Design aus den nordischen Ländern Europas das moderne amerikanische Design beeinflusst und geformt haben und wie umgekehrt Einflüsse aus den Vereinigten Staaten das nordische Design verändert haben. Die vom Los Angeles County Museum of Art und dem Milwaukee Art Museum in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Nationalmuseum und dem Nasjonalmuseet in Oslo organisierte Ausstellung wird bis 2023 zwischen den Museen wandern und zunächst im schwedischen Nationalmuseum zu sehen sein. Gezeigt werden mehr als 300 Artefakte aus Sammlungen in den Vereinigten Staaten und Skandinavien, die über Architektur, Glasobjekte, Möbel, Textilien und Industriedesign berichten.

Mid-century Modern

„Skandinavisches Design und die USA 1890 – 1980“ ist die erste Ausstellung, die die Beziehung zwischen skandinavischem und amerikanischem Design im 20. Jahrhundert thematisiert. Besonderes Augenmerk liegt auf der Bedeutung der skandinavischen Auswanderung und den groß angelegten Marketingkampagnen für skandinavisches Design in den Vereinigten Staaten in den 1950er Jahren. Besonderer Aktualität erfreut sich dieser Aspekt, da der Mid-century Modern Stil gerade als sehr angesagt gilt. Nach Jahrzehnten im „stand-by“ Modus u.a. verdrängt von den Farbexplosionen des Pop-Art Stils, werden die einfachen Formen, ergonomischen Konzepte und angenehmen Oberflächen der Möbel von Stuhl bis Sideboard wieder stark nachgefragt. Ihre Käufer beweisen Geschmack, einen Sinn fürs Zweckmäßige und verfügen über ausreichende finanzielle Mittel für die teilweise abgehobenen Preise mancher Prestige trächtiger Originale von Designern wie Finn Juhl oder Hans Wegner.

Design verbindet Kontinente

Design verbindet unterschiedliche Gesellschaften und ermöglicht eine non-verbale Kommunikation. Ganz in diesem umfassenden Sinn beleuchtet die Ausstellung „Skandinavisches Design und die USA von 1890 bis 1980“ in Stockholm das Design und die Funktion von Objekten im Kontext von Handel, Wirtschaft, Politik und Diplomatie. In der Einwanderungswelle zwischen 1936 und 1940 zog es Millionen von Einwanderern aus den nordischen Ländern in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Neben der Hoffnung auf Wohlstand und Sicherheit brachten sie auch ihre Ideen, Kultur, Motivation und Fähigkeiten zum Vorteil ihrer neuen Heimat mit. Viele sind geblieben, einige kehrten später in die nordische Region zurück und setzten dort mit den neu gewonnenen Erfahrungen ihre Karrieren fort. Obwohl die Ausstellung einen Zeitraum von fast 100 Jahren umfasst, fokussiert sie auf die Mitte des 20. Jahrhunderts und den heute Midcentury-Modern genannten Stil.

Skandinavisches Design – der kühle Look

Die New Yorker Weltausstellung im Jahr 1939 stellte bereits die nordischen Länder in den Mittelpunkt. Der Begriff skandinavisches Design wurde aber erst in den 1950er Jahren für das zeitgenössische Design der nordischen Länder international eingeführt und begleitete die vielzähligen Marketingkampagnen für diese Stilrichtung in den USA. Obwohl Finnland nicht Teil der skandinavischen Halbinsel ist, wurde es inkludiert. Das Konzept bot der Wirtschaft der beteiligten Länder viele Wettbewerbsvorteile, die von kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kooperationen flankiert wurden. Die Identitätsstiftende Marke Skandinavisches Design stand für modernes Design in der nordischen Tradition der Verbindung von Kultur und Natur und ebenso bedeutend für die demokratischen und liberalen Werte Skandinaviens. Zu den vielfältigen Beispielen des skandinavischen Designs zählen das Industriedesign neuer Haushaltswaren und fein gearbeitete Silberwaren für die neue Cocktailkultur. Weitere sind die Werbung für Fluggesellschaften mit einem Wikinger oder die Inneneinrichtung des Hauptsitzes der Vereinten Nationen und gehobener Privatwohnungen sowie die Innenausstattung von Autos mit gewebten Textilien.

Aus diesem multinationalen Ansatz heraus definiert die aktuelle Ausstellung nicht an nationalen Merkmalen was typisch skandinavisch ist, sondern erzählt die Geschichte von Begegnungen zwischen Menschen, die zu gegenseitiger Entwicklung und vorteilhaftem Austausch unterschiedlicher Werte führten. Qualitativ hochwertiges Design bereichert und erleichtert den Alltag. Das erkannte schon die schwedische Schriftstellerin Ellen Key in ihrem Buch Skönhet för alla [Schönheit für alle], in dem sie 1899 schrieb, dass Schönheit kein Luxus im Leben ist, sondern dass man sich besser, freundlicher und glücklicher fühlt, wenn man Zuhause von Dingen mit schönen Formen und Farben umgeben ist. Diesen Ansatz verfolgten Anfang des 20. Jahrhunderts auch die Sozialreformer unter den Designern und Architekten, die der breiten unterprivilegierten Bevölkerungsschicht des Industriezeitalters zu einem menschenwürdigeren Habitat verhelfen wollten. 

Die „Wikinger“ setzen über

Die Wikinger, die kriegerischen, seefahrenden Vorfahren der nordischen Völker des Nord- und Ostseeraumes im mitteleuropäischen Frühmittelalter, wurden in den USA ein beliebtes „Icon“ für Skandinavien. Veranstaltungen wie die Weltausstellung 1893 in Chicago förderten bewusst dieses Narrativ mit einem norwegischen Pavillon in Form einer Stabkirche sowie der Nachbildung des Gokstad-Schiff genannten Wikingerschiffs aus dem neunten Jahrhundert, das in einem künstlichen See lag, umgeben von weißen Gebäuden im klassizistischen Stil.

Design und Migration

Das Thema Migration beschäftigt Deutschland und Europa seit Jahren, ist aber kein Phänomen unserer Zeit. Die Erzählung der Wanderausstellung beginnt mit der großen Auswanderung aus den nordischen Ländern in die USA Ende des 19. Jahrhunderts. 1924 musste die übermäßige Einwanderung durch die USA begrenzt werden. Von den bis dahin etwa 50 Millionen Europäern kamen etwa drei Millionen aus Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen. Die Entwerfer und Architekten unter ihnen bewarben sich bei amerikanischen Unternehmen oder gründeten gleich ihre eigenen Designbüros. Manche passten sie sich an die Wünsche ihrer amerikanischen Kundschaft an. Daneben gab es auch die Bewahrer der handwerklichen Traditionen, die ihr skandinavisches Kulturerbe an die nächste Generation weitergeben wollten. Auf der Schau zur Hundertjahrfeier 1876 in Philadelphia feierten noch die schwedischen Aussteller von traditioneller Volkskunst und handgewebten Textilien größere Erfolge als ihre Landsleute, die moderne Industrieprodukte ausstellten. Dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt blieb erhalten und wurde von den Skandinaviern genutzt. Obwohl sich im zwanzigsten Jahrhundert der Fokus auf modernes Design hin verlagert hat, betonten Produzenten im internationalen Kontext weiterhin, dass die Besonderheit des skandinavischen Designs in seinem authentischen Sinn für Materialien und Handwerkskunst liegt.

Die politisch gewollte Beschränkung der Migration in den 1920er Jahren reduzierte den Austausch von Ideen im Bereich des Designs, was durch den zunehmenden Handel zwischen den Regionen und Ausstellungen auf Messen und in Museen sowie wechselseitige Stipendien teilweise aufgefangen werden konnte. Viele skandinavische Kunst- und Designdozenten lehrten an der 1927 gegründeten Cranbrook Academy of Art, die einen starken Einfluss auf das amerikanische Design mit Studenten wie Charles Eames oder Eero Saarinen nehmen sollte. Mediale Unterstützung erhielten die Gestalter aus den nordischen Ländern durch die Autorin Elizabeth Gordon vom House Beautiful Magazin. Ihr Hauptanliegen war die Etablierung eines modernen amerikanischen Stils, in dem Architektur und Design Ausdruck der nationalen Identität, des Individualismus und der Demokratie waren. Sie interessierte sich sehr für nordisches Design, das sie auch strategisch förderte. Sie sah es als eine attraktive Alternative gegen die Tendenzen der europäischen Moderne, etwa dem Bauhaus, zu totalitärem Denken, die ihrer Meinung nach in den USA Fuß zu fassen drohten. Bis in die 1950er Jahre dienten Begriffe wie Schwedische Moderne oder Dänisches Design als allgemeine Bezeichnungen für eine Designtradition, die zeitgemäß und modern, aber nicht im Bauhaus-Stil war.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Zuzug zahlreicher Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in die USA fort. Die umfangreiche Migration hatte nicht nur in den USA große Auswirkungen, sondern auch in einigen Gebieten der Herkunftsländer auf die lokalen Gemeinschaften und die Kultur. Mehrere Gemeinden in den Bezirken von Agder an der südlichen Küste Norwegens hatten zum Beispiel unter der massiven Abwanderung zu leiden. Oft sind es die hochmotivierten und gut ausgebildeten Menschen, die zum Schaden ihres Landes ihr Glück im Ausland suchen.

Art Déco – Paris 1925 ohne die USA

Die Pariser Weltausstellung L’Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes, nachträglich Namensgebend für den Art Déco Stil, konzentrierte sich auf die angewandten Künste. Fortschrittliche Arbeiten, deren Künstler und Designer explizit genannt werden sollten, wurden historisierenden Werken vorgezogen. Die USA verzichteten auf eine Teilnahme, da eine selbstkritische interne Bewertung ergab, dass das amerikanische Kunstgewerbe nicht über genügend attraktives modernes Design verfügte. Statt Produkten schickte der US Handelsminister eine Kommission auf die Messe, die zu dem Schluss kam, dass die USA Produkte des modernen Lebens, angepasst an den breiten Markt, entwickeln müssten. Die amerikanische Kunstgewerbeindustrie beherrschte zwar die Massenproduktion, aber es fehlte an künstlerisch ausgebildeten Designern, die die konservative Ausrichtung der Entwürfe zeitgemäß modernisiert hätten. Es existierte auch keine Designausbildung mit praktizierenden Dozenten. Um diese Defizite publik zu machen und Vorbilddesign zu präsentieren, schickte die American Association of Museums 398 handverlesene Objekte, erworben auf der Pariser Weltausstellung, als Wanderausstellung durch die USA.  Schweden war vertreten durch graviertes Orrefors-Glas, sowie Webstücke und Teppiche von Märta Måås-Fjetterström. Die dänischen Beiträge waren Silber von Georg Jensen und Keramik von Bing & Gröndahl, Den Kongelige Porcelainsfabrik (Royal Copenhagen) und Kähler. Positive Kritiken betonten vor allem die innovativen Techniken und Dekore sowie die einfachen, eleganten Linien ohne Bezug auf historische Formen.

Design Schule – Cranbrook Academy of Art

Die 398 Vorbildobjekte der Wanderausstellung des US Handelsministers standen alle zum Verkauf und einer der Käufer war der Zeitungsverleger und Kunstmäzen George Booth, der 1927 die Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan, gründete. Booth kaufte u.a. Deckenleuchten von Orrefors, die später im großen Speisesaal der Cranbrook Academy of Art erstrahlten. In der Cranbrook Akademie, die großen Einfluss auf das US Design bekommen sollte, unterrichtete eine große Gruppe skandinavischer Designer, Künstler, Architekten und Kunsthandwerker. Über Cranbrook und seine Studenten prägte Skandinavien das amerikanische Design von der Wurzel, der Ausbildung, her. Die Architektur des Campus stammte vom finnischen Architekten Eliel Saarinen, der auch bei der Pädagogik beratend unterstützte. Darüber hinaus sorgte Saarinens Netzwerk aus nordischen Designern und Handwerkern zusammen mit seiner Fähigkeit sie für die Institution zu gewinnen dafür die Designausbildung skandinavisch zu prägen. Berühmte Cranbrook-Absolventen waren Benjamin Baldwin, Harry Bertoia, Charles Eames, Ray Eames, Florence Knoll, Ralph Rapson und Harry Weese. Noch als Student entwarf Charles Eames zusammen mit Eero Saarinen, dem Sohn von Eliel Saarinen, Möbel für den Wettbewerb Organic Design in Home Furnishings des Museum of Modern Art im Jahr 1940. Sein späterer Kunststoffstuhl war ein Ausblick in die Zukunft der massenproduzierten Sitzmöbel.

Die Ausstellung „American Home“ in Helsinki 1953

Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte der American Way of Life und verbreitete sich über den Globus. Impulsgeber waren kommerzielle Interessen sowie politische und private Initiativen. Die „American Home“ Messe in der Kunsthalle (Taidehalli) von Helsinki wurde von der Finnisch-Amerikanischen Gesellschaft anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens organisiert. Zum greifbaren Nutzen der Eintritt zahlenden Besucher wurde in einem Teil der Ausstellung mit dem Titel Home Economics Display ein amerikanischer Musterhaushalt vorgestellt. Der Höhepunkt war seine maximal automatisierte Küche. Dargeboten wurden Hunderte der neuesten Entwicklungen im amerikanischen Hausstand. Plastikstühle, Silberschmuck und Teppiche, aber auch Bohnerwachs, Staubsauger und selbst Babyflaschenwärmer füllten den Ausstellungsort. Die Objekte der Home Economics Display waren von der Finnisch-Amerikanischen Gesellschaft für die Ausstellung ausgewählt, gekauft und aus den USA mitgebracht worden. Sie waren eine hemmungslose Demonstration der hohen Standards der amerikanischen Lebensweise.

Der zweite Bereich präsentierte Beispiele für amerikanisches High Design, zusammengestellt vom legendären Edgar Kaufman Jr., dem Direktor der Industrial Design Abteilung im MoMA, Museum of Modern Art in New York. Beauftragt wurde er von offizieller Stelle, von der neu formierten United States Information Agency (USIA). Während die nützlichen Gegenstände der Home Economics Display in situ, also in ihrem normalen Umfeld, vorgeführt wurden, wurde für die American Design for Home and Decorative Use ein gänzlich unterschiedliches Ausstellungsdesign gewählt. In der Art eines modernen Kunstmuseums zelebrierte Kaufmann Jr. die Möbel, Leuchten, Textilien und anderen Einrichtungsgegenstände namhafter US-Designer als ästhetische Objekte.

Zusammen boten die beiden Teile eine umfassende Bestandsaufnahme des zeitgenössischen amerikanischen Heims, eine Mischung aus Alltagsgegenständen und High Design Ikonen. Gleichzeitig verwob die Ausstellung Design und Konsumgüter mit der Politik. Das bis dahin in Finnland weitgehend unbekannte US-Design wurde mit seinen vielen Neuerungen wie etwa den Plastikstühlen von Eames und dem damit verbundenen technischen Umgang mit innovativen Materialien gelobt. Die Ausstellung The American Home stieß eine landesweite Diskussion über die Modernisierung von Haushalt und Haushaltsführung an und wurde in nur neun Tagen von 21.000 Besuchern gesehen, eine erfolgreiche Bilanz. Nebenbei wurde das 1952 vom US-Außenministerium formulierte politische Ziel erreicht: die Unterstützung der Finnen, direkte Nachbarn des Gegenspielers UdSSR, bei der Anhebung ihres Lebensstandards bei gleichzeitiger Förderung des Verständnisses für die amerikanische Lebensweise und die US-Politik. Dies unterstrich der US-Beauftragte Jack McFall bei der Eröffnung der Ausstellung: „Ein glückliches und harmonisches Zuhause ist die Grundlage für eine demokratische Gesellschaft“.

MoMA Booster für Europa – American Design for Home and Decorative Use

Im Gegensatz zur Home Economics Display, die nur in Helsinki zu sehen war, ging die American Design for Home and Decorative Use auf eine Tournee durch Europa. Von Helsinki bereiste die Ausstellung mit dem besten amerikanischen Design Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien und schließlich Italien, wo sie 1955 endete. Gezeigt wurden über 300 amerikanische Einrichtungsgegenstände und Designobjekte – Stühle, Geschirr, Lampen, Textilien, Glas, Keramik und Schmuck.

Die vom MoMA federführend konzipierte Schau war ein effektives Beispiel der Kulturdiplomatie, die amerikanische Werte während des Kalten Kriegs in der Welt verbreitete. Dabei präsentierten sich die USA als die Verfechter der freien Welt und der Demokratie. Mit dem internationalen Kulturexport wollten die USA der Welt beweisen, dass sie eine schöpferische und kreative Nation sind, deren Kultur nicht nur populär, konsumorientiert oder oberflächlich war, sondern auch neuartig und raffiniert. In den 1950er Jahren begann die US Politik, die amerikanische Konsumgesellschaft international als Beweis für die kulturelle, politische und ökologische Überlegenheit des Landes darzustellen. Die Welt sollte von den Vorteilen des modernen amerikanischen Lebensstils mit seinem hohen Lebensstandard überzeugt werden. In diesem Zusammenhang wurden modernes Design und Demokratie als komplementäre Ideologien propagiert. Amerikanisches Design eroberte im Auftrag verschiedener US-Regierungsbehörden die Messen, Mailänder Triennalen und Museen in ganz Europa. Die Objekte in The American Design for Home and Decorative Use entsprachen den vom MoMA geforderten Standards der hohen Modernität, womit sie dem vorherrschenden Ruf der USA als Hersteller von billigen, minderwertigen Konsumgütern entgegenwirken sollten. Adressiert wurde sie an direkt konkurrierende Länder, deren Design in amerikanischen Designkreisen als vorbildlich galt.

Design und Diplomatie

In den 1950ern und Anfang der 1960er Jahre erlebte der Skandinavisch US-amerikanische Design Gleichklang seinen Höhepunkt. Die amerikanischen Vorstellungen von Modernität, wohl auch beeinflusst durch die Cranbrook Akademie, entsprachen so sehr den nordischen Formidealen, dass der skandinavische Look sich auch im neuen Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River in New York etablierte. Der Sitzungssaal des Sicherheitsrats wurde 1952 von einem norwegischen Architekten entworfen und vermittelt eine Vision der norwegischen Designtradition. Vom gleichen Geiste wurden die neuen Botschaften in Stockholm und Oslo geprägt. Bei den drei Beispielen geht es um die Bühnen der internationalen Diplomatie, auf denen das Design strategisch eingesetzt wird: es wirkt modern bei gleichzeitiger Beibehaltung der historischen Kontinuität. Später gestalteten der Däne Finn Juhl und der Schwede Sven Markelius die Innenräume des Treuhandrats, einem Amphitheater ähnlichen Raum in einer modernistischen Hülle, sowie die Interieurs des Wirtschafts- und Sozialrats. Mit der wachsenden politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, wuchs deren Bedarf an quasi-öffentlichen Räumen wie Bibliotheken, Auditorien und Galerien. Moderne Architektur und Design wurden auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zu Metaphern für Demokratie. Die beiden entscheidenden Gründe für den besonderen Status der skandinavischen Designkultur sind der enge Austausch zwischen Designer, Produzent und Konsumenten sowie die Tatsache, dass die Designer in allen vier nordischen Ländern in effizienten, einflussreichen Berufsverbänden organisiert sind, und zwar weit länger als anderswo.

Modedesign und „Schwedentum“

Ein Nebenschauplatz ist die Mode. Nicht erst in den letzten Jahrzehnten haben Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland begonnen sich mit ihrem Bekleidungsdesign zu profilieren. Bereits in der Nachkriegszeit nahm das Interesse an neuen Stilen zu. Zu der Zeit entstand auch unter dem Einfluss der Mode das Bild des „Schwedentums“, in und durch die amerikanischen Medien. Unter dem Titel „Schwedens wilder Stil: Der neue Modefund – Das Land der Blondinen“ widmete sich die Septemberausgabe 1968 des Magazins Life der schwedischen Mode. Sie enthielt eine Auswahl von schwedischer Mode, die in insgesamt 15 spektakulären Modefotos des britischen Fotografen Norman Parkinson vorgestellt wurde. Große Frauen mit blondem, hüftlangem Haar posierten in verschiedenen Umgebungen, wie einem mystischen Wald, einem fruchtbaren Feld oder im Fenster einer Avantgarde-Galerie mit Kunstwerken von Carl Fredrik Reuterswärd. Die Models trugen alle einfach geschnittene Konfektionskleidung aus weichen, farbenfrohen Stoffen. Parkinson scheint dabei die Kleider absichtlich in einer Umgebung mit ähnlicher Farbpalette zu platzieren. Das schwedische Design wurde oft mit dem Beinamen „Blondheit“ charakterisiert, was sich ursprünglich auf helle Farben, natürliche Materialien und einfache Formen bezog. In Bezug auf die schwedische Mode hat das Wort „blond“ jedoch eine andere Bedeutung erhalten, die eine Verbindung zwischen Blondinen und „der schwedischen Sünde“ herstellt. „Sünde und Schweden“ lautete die Überschrift eines Beitrags, den der amerikanische Journalist Joe David Brown im April 1955 in der Zeitschrift Time veröffentlichte. Offizielle Stellen wie die schwedische Botschaft legten Beschwerden gegen den einseitigen Artikel ein, die allerdings durch freizügige schwedische Filme mit Nacktbaden konterkariert wurden. Beim Aufstieg New Yorks zu Modemetropole und der Herausbildung einer neuen Kultur spielte die schwedische Mode eine zwiespältige Rolle. Einerseits erschien sie modern und sprach den amerikanischen Verbraucher an, anderseits wurden die Kleidungsstücke als typisch „schwedisch“ bzw. „exotisch“ empfunden, womit ihnen sinnliche und sogar sündige Eigenschaften zugeschrieben wurden. So wurde die schwedische Mode auch benutzt um den etablierten, konservativen Geschmack in den USA zu provozieren.

Design und Gewissen

Nachdem die (Luxus-) Bedürfnisse der Wirtschaftswunderzeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit chromblinkenden Jukeboxen, Villen und Volvos gestillt waren, begannen Designer zunehmend über den Zweck und die Ethik ihrer Arbeit laut nachzudenken. Das Design entwickelte ein „Gewissen“ und suchte eine Antwort auf die Frage: „Wie kann es bei „gutem Design“ mehr darum gehen, Gutes zu tun als nur darum, gut auszusehen?“ Diese soziale Wende im skandinavischen Design war besonders zwischen der Krise der Moderne Mitte der 1960er Jahre und dem Aufkommen des Neoliberalismus unter Reagan und Thatcher in den 1980er Jahren ausgeprägt. Drei wesentliche Bereiche traten dabei hervor: 1. Design als Fürsorge für die gesamte Gesellschaft, nicht nur den „normalen“ Erwachsenen. 2. Design als Teil der Entwicklungshilfe als Fürsorge für die gesamte Weltgemeinschaft. 3. Design für ökologische Nachhaltigkeit und somit als Fürsorge für das Ökosystem, was heute aktueller denn je ist. Praktisches Beispiel für den ersten Bereich der Nutzergruppen war die Neukonzeptionierung des skandinavischen Designs für Kinder. Eigens für Kinder entworfene Produkte ersetzten die Miniaturen der Erwachsenenversionen, Kinder wurden von Miniatur-Erwachsenen zu eigenständigen Nutzern mit anderen Bedürfnissen aufgewertet. Neben den Kindern waren es auch Menschen mit Behinderungen, auf deren spezielle Erfordernisse das Design nun Antworten suchte. In den 1960er Jahren rückte die Welt durch schnelle Mobilität und Kontinente verbindende Kommunikationsmittel näher zusammen, was wiederum im Bereich 2 von gesellschaftlicher Solidarität zu globaler Solidarität führte. In der Folge gab es einen massiven Anstieg der internationalen Entwicklungshilfe. So leitete der Däne Kristian Vedel als Professor das erste Industriedesign-Programm in Afrika an der Universität von Nairobi (1968-1971), wo er mit dem amerikanischen Designer und Pädagogen Nathan Shapira zusammenarbeitete. Im Gegensatz zu Shapira favorisierte Vedel alternative Technologien und Erfahrungen der landestypischen materiellen Kultur. Er zielte auf die Förderung einer Designausbildung in, durch und für eine postkoloniale Gesellschaft, die sich die Wissensbasis der westlichen Industriegesellschaften zu Nutzen machte ohne deren zunehmend offensichtliche sozioökonomische Fehler und Umweltauswirkungen zu wiederholen. Hier überschneiden sich bereits der zweite und der dritte Bereich, wobei die ethische Verantwortung des Designs neben der Menschheit als Ganzes, auch die Natur und Nachhaltigkeit mit einbezieht. Die drastischen Veränderungen der skandinavischen Designkultur in den 1960er und 1970er Jahren führten zu neuen Praxisfeldern wie Social Design und Ecological Design.

Das Ende der Geschichte der Ausstellung „Skandinavisches Design und die USA 1890 – 1980“ fällt mit dem Aufstieg anderer Nationen wie Italien und Japan sowie den damit verbundenen Veränderungen in der Designszene zusammen, auch hier hat die Globalisierung ihre Spuren hinterlassen. Die Ausstellung beschreibt umfassend wie das Design und Designtrends fast ein Jahrhundert lang über den Atlantik hin und her oszilliert sind und dabei diesseits wie jenseits die Entwicklung beeinflusst haben. Das skandinavische Design zeigt auch wie wichtig solides Handwerkerkönnen ist um gutes Design hervorzubringen und wie wichtig Design und demokratische Werte füreinander sind.