Vor 50 Jahren fanden die XX. Olympischen Sommerspiele in München statt. Im Jubiläumsjahr widmet sich das Designmuseum Die Neue Sammlung dem weltgrößten Sportevent. Deutlich werden die vielfältigen Verflechtungen von Design und Olympia aufgezeigt. Neben dem Fokus auf die Münchner „Heim“-Spiele im Jahr 1972, werden auch bemerkenswerte Gestaltung und innovative Designentwicklungen davor und danach sowohl für die Olympischen Spiele als auch für die Paralympics vorgestellt. Vom 8.7.2022 bis 03.10.2022 präsentiert Die Neue Sammlung olympische Bestleistungen im Design im Rahmen der Ausstellung „Design für Olympia“. Ausgewählte Objekte und Grafiken veranschaulichen, wie sich Ideenreichtum, Innovationsgeist und technischer Fortschritt im Design für die Olympischen und Paralympischen Spielen wiederfinden und welche Werte und Ziele in der Gestaltung für Olympia zum Ausdruck kommen.
Olympische Spiele der Neuzeit
Der Geschichtsschreibung zufolge fanden die ersten Olympischen Spiele im griechischen Olympia in der Antike wohl im Jahr 776 v. Chr. statt. Gesichert ist auf jeden Fall, dass im Jahr 1896 die erste Olympiade der Neuzeit in Athen durchgeführt wurde, initiiert vom französischen Baron Pierre de Coubertin. Vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wird die Olympiade als der Zeitraum von vier Jahren, der jeweils am 1. Januar des Jahres der Sommerspiele beginnt, definiert. Die Nummerierung der Olympiaden erfolgt mit römischen Ziffern, Sommerspiele finden in durch vier teilbaren Jahren, wie eben 1972, statt. Auch wenn etwa Kriegsbedingt keine Spiele stattfinden können, wird weitergezählt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden zwei Spiele nicht abgehalten, der Zähler sprang deshalb von der XI. Olympiade 1936 in Berlin direkt auf die XIV. Olympiade 1948 in London. Etwas verwirrend und inkonsequent erscheint, dass die Winterspiele dagegen fortlaufend nummeriert werden. So folgte auf die IV. Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen die V. Olympischen Winterspiele 1948 im Schweizer Nobelskiort St. Moritz. Seit 1994 finden zudem die Winterspiele immer zwei Jahre nach den Sommerspielen statt, also in der Mitte der jeweiligen Olympiade. Durch die zeitliche Entflechtung kann das IOC das Event noch besser vermarkten, sprich seinen Gewinn maximieren.
Sport und Politik
Für das Internationale Olympische Komitee ist es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, Austragungsorte in Demokratien zu finden. Oft werden diese von der Bevölkerung durch Bürgerentscheide verhindert, aus Sorge vor Umweltsünden und Steuergeldverschwendung für Sportstätten, die nach kurzer Zeit im globalen Rampenlicht ungenutzt dem Verfall Preis gegeben werden. Willkommen geheißen werden sie dagegen in autokratisch regierten Ländern, deren Herrscher gerne Milliardenbeträge zur eigenen Imageverbesserung zur Verfügung stellen. Sie missbrauchen die Idee vom „Treffen der Jugend der Welt“ zum sportlichen Vergleich, der der Völkerverständigung dienen sollte. Mit diesen Problemen ist auch die FIFA konfrontiert, wenn sie Veranstalter für das zweite Sportereignis von Weltrang, die Fußball Weltmeisterschaft, sucht. Der medialen und politischen Bedeutung entsprechend wird für die Nominierung als Austragungsort bzw. -land auch nicht vor illegalen Methoden, wie Bestechung und Korruption, zurückgeschreckt, wie in der Vergangenheit aufgedeckte Skandale zeigen. Unsummen werden in neue Stadien und Wettkampfarenen investiert, die nach dem Event teilweise nicht mehr genutzt werden. Jedes austragende Land versucht seine Vorgänger über die visuelle und architektonische Gestaltung der Spiele zu übertrumpfen, mit immer imposanter choreografierten Eröffnungs- und Schlussfeiern und immer spektakulärerer Architektur der Wettkampfstätten. Auf diese Weise werden die Spiele entgegen ihrer Ursprungsidee Botschafter der friedlichen, unpolitischen Völkerverständigung zu sein, häufig zum Sprachrohr politischer Agitation und sollen die Überlegenheit des eigenen politischen Systems beweisen. Die politische Bedeutung der Spiele lässt sich auch daran ermessen, dass in der jüngsten Vergangenheit militärische Aggression unter Rücksichtnahme auf das veranstaltende Land nach dem Zeitplan bzw. dem Ende der Spiele terminiert wurde.
Design für Olympia
Design ist zwar (noch) keine olympische Disziplin, aber dennoch von großer Bedeutung und Einfluss sowohl für das Gelingen des Gesamtevents wie den persönlichen Erfolg des einzelnen Sportlers, ermöglicht durch seine optimale Ausrüstung. Statt auf höher, schneller, weiter wie bei den Wettkämpfen, konzentriert sich das Design auf ästhetischer, funktionaler, innovativer. Olympische Spiele als größtes Sportevent der Welt und dadurch Traum aller Marketingexperten treibt seit jeher Innovationen an. Im olympischen Wettkampf eifern nicht nur die besten Athleten um Edelmetall, sondern auch die im andauernden Konkurrenzkampf befindlichen Sportgeräte- und Sportartikelhersteller um Aufmerksamkeit für ihre allerneuesten Neuerungen.
Den Ausstellungsmachern geht es aber nicht allein darum den technischen und gestalterischen Fortschritt in über 100 Jahren Olympia abzubilden. Die Neue Sammlung hat der Ausstellung mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Inklusion auch eine politische Agenda mitgegeben. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Olympia im Münchner Jubiläumsjahr 2022. Deshalb umfasst die Ausstellung Olympische und Paralympische Spiele, um an den Beispielen von Maskottchen, Medaillen, Plakaten und Sportgeräten darzustellen, wie sich diese beiden Wettbewerbe langsam angleichen, obwohl sie unter ganz unterschiedlichen Bedingungen beginnen mussten.
Die Professionalisierung des Wettbewerbs, der ja eigentlich nach dem olympischen Idealbild seines Initiators Pierre de Coubertin dem Amateursport vorbehalten sein sollte, zeigt sich nicht nur an der Aufweichung der Amateurregeln seit den 1970er Jahren, sondern auch an den aufwändigen Innovationen der Sportgeräte und Sportbekleidung. Ohne Rücksicht auf Kosten wird dem hundertstel Sekunden oder Millimeter Vorsprung zuliebe eine Materialschlacht zwischen den Ausrüstern geführt. Die mit Sponsoring Verträgen gebundenen Sportler bedanken sich, wenn es gut geht, mit olympischem Edelmetall. Die Ausstellung geht darum auf die Innovationen der Ausrüster ein und zeigt Sportgeräte aus hundert Jahren. So sieht man neben Boxhandschuhen der Olympischen Spiele in Paris 1924 auch ein Hightech Mountainbike der jüngsten Spiele in Tokio 2021.
So volatil wie die Abgrenzung bzw. die Aufnahme von Amateur- und Profisportlern ist, ist auch die Auswahl der Sportarten, die wiederum die Wechselbeziehungen zwischen Amateuren und Profisportlern widerspiegelt, und oft auch nach dem Zuschauerinteresse, also zu erwartenden TV- und anderen Medieneinnahmen, entschieden wird. So waren 2021 in Tokio fünf neue trendige Disziplinen am Start: Surfen, Skateboarden, Sportklettern, Soft- und Baseball sowie Karate.
Die Paralympischen Spiele sind unter anderem durch einzigartige Sportgeräte wie einen Rennrollstuhl der Spiele in Rio 2016 oder den Monobobski der mehrfachen Paralympics-Siegerin Anna Schaffelhuber vertreten. Diese Hightech Entwicklungen und Innovationen zeigen die Möglichkeiten, die sich im Amateurbereich noch einbringen lassen.
Fairness ist eines der wichtigsten olympischen Gebote. Mit Argusaugen wachen deshalb die Offiziellen, ob sich Teilnehmer durch verbotene oder nicht zugelassene Sportgeräte- oder bekleidungen im Wettkampf auf unzulässige Weise Vorteile verschaffen wollen. Geächtet wurden Kopfbekleidungen wie die Badekappe Soul Cap, die speziell für voluminöses Haar entwickelt wurde, oder der eierförmige Helm der deutschen Bobmannschaft von 1976. Sie sind ein Beispiel für die Bemühungen um Gleichberechtigung und faire Normen im sportlichen Kräftemessen. Zugleich weisen sie auf die politische Dimension des Sportgerätedesigns hin.
Olympia in Bildern
Die Ausstellung erzählt bildlich durch eine Fülle an Plakaten die Geschichte der Olympischen Spiele. Als Nebenprodukt lässt sich an der großen historischen und thematischen Vielfalt der Plakate exemplarisch die Geschichte grafischer Gestaltung nacherleben. Ein Glanzstück ist das erste offizielle Plakat Olympischer Spiele, das als seltenes Original der Olympiade in Schweden im Jahr 1912 in der Ausstellung zu sehen sein wird. Es wurde von Olle Hjortsberg, einem akademischen Maler und Mitglied der Schwedischen Akademie der Künste gestaltet.
Die Gestaltung des Plakats der Olympischen Spiele in Tokio 1964 läutete einen grundlegenden Wandel zu einer minimalistischen, internationalen Formensprache des Grafikdesigns ein. Mit dem Plakat von Yusaku Kamekura begann eine Entwicklung, die noch bis in die Gegenwart anhält. Besonders stolz sind die Kuratoren auf die vollständige Serie an historischen Piktogrammen der Olympischen Spiele in Tokio. Sie sind eine im Original erhaltene Serie und somit ein in Europa einzigartiger Sammlungsbestand. Ihre Restaurierung konnte durch die Corona-Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung realisiert werden.
1977 schraubten die beiden jungen Hardware-Bastler Steve Wozniak und Steve Jobs den weltweit ersten „Personal Computer“ zusammen. Er wurde als Apple II erstmals nicht als Bausatz, sondern in einem chicen Gehäuse verkauft. Es dauerte dann weitere 11 Jahre bis Cho Young-Jaes Plakat für Seoul 1988 zum ersten Mal am Computer erzeugte grafische Elemente beinhaltete.
Die offiziellen Plakate wurden im Auftrag der Veranstalter für die jeweiligen Spiele gestaltet. Neben diesen sorgen kritische Werke von außerhalb der olympischen „Familie“ für Diskussionsstoff. Die zunehmende Kritik gegen das sportlich-kommerzielle Großereignis drückt sich in den grafischen Arbeiten der Protestbewegungen aus. Durch ihre Präsenz fördert das Museum die Auseinandersetzung mit den Kritikern und ihren Beweggründen.
Es sind Plakate wie zum Beispiel die fünfteilige Serie des chinesisch-stämmigen Gestalters Badiucao, Spitzname „chinesischer Banksy“, zu den Winterspielen in Peking 2022. Er thematisiert aktuelle Themen wie den Umgang mit Hongkong, Tibet, dem Corona Virus und den allgegenwärtigen Überwachungssystemen. Sein drastischtes Plakat zeigt einen chinesischen Biathleten bei einer Exekutionsszene und einen gefesselten, am Boden knieenden Mann mit verbundenen Augen, der die Symbole der Uiguren trägt. Wie die anderen Protestplakate greift es sehr deutlich auf die Formensprache olympischer Plakate zurück. Damit sind sie ein Gegenpol zur offiziellen Kommunikation der Spiele und regen so zur gesellschaftskritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Themen wie Menschenrechte an.
Schöner Wohnen bei Olympia
Die Ausstellung bietet aber nicht nur eine Retrospektive auf die visuelle Präsentation der Spiele und deren Grafikdesign bzw. auf die Entwicklung der Werkzeuge, der Sportgeräte der Athleten, sondern auch auf die Gestaltung der Unterbringung der Sportler und die Möblierung der Arenen. So werden „olympische“ Raumausstattungen und deren Entwürfe vorgestellt, die eigens für das olympische Kräftemessen erdacht wurden.
Dazu zählt etwa die Duscheinheit Nizza, die von Günther Eckert und Werner Wirsing für die Athletenunterkünfte der Spiele in München 1972 entworfen wurde. Ebenfalls am Start ist die Sitzschale für das Münchener Olympiastadion, die in Kooperation mit Behnisch Architekten von der Arbeitsgruppe Ausstattung unter Nick Roericht entwickelt wurde.
Olympische Exponate
Vielleicht veranlasste die räumliche Nähe seines Stammsitzes zu den historischen olympischen Stätten in München den Autobauer BMW zur Unterstützung des United States Olympic Committee (USOC) als Mobility Partner. Dabei sorgte das Unternehmen nicht nur für den Transport durch Bereitstellung von Fahrzeugen, sondern entwickelte darüber hinaus einen speziellen Rollstuhl für die Para-Athleten des US-amerikanischen Teams. Um die Sportgeräte der Para-Athleten für diese passgenau zu produzieren, wird verstärkt der 3-D Druck eingesetzt. Für den personalisierten BMW Rollstuhl werden die Athleten zusätzlich mit 3D Scannern vermessen. Danach entsteht basierend auf diesem Datensatz der individuell zugeschnittene Rollstuhl. Durch modernste Technik in Kombination mit leichten Materialien wie Carbon, bei dem der Premium-Autobauer auf seine Expertise beim Karosseriebau zugreifen konnte, schuf das Entwicklerteam von BMW einen superleichten und aerodynamischen Rennrollstuhl, der dem Athleten wie angegossen passte.
Nachdem Markus Rehm als 14-jähriger beim Wakeboarden seinen rechten Unterschenkel verloren hatte, kehrte er bald wieder zum Sport zurück und wurde 2005 deutscher Vize-Jugendmeister im Wakeboarden. Dank der Möglichkeiten einer Beinprothese konzentrierte er sich dann auf die Leichtathletik, speziell den Weitsprung und die Sprintstrecken. Seither holte er eine Vielzahl an Medaillen bei Olympia und Weltmeisterschaften, meistens Gold wie zuletzt bei den Olympischen Spielen in Tokio. Als Leihgabe für die Ausstellung steuerte Markus Rehm eine seiner Beinprothesen bei, die ihn so schnell macht, dass die Sportverbände noch immer heftig diskutieren, ob sie nicht-amputierte Läufer gegen Prothesenträger antreten lassen wollen. Sie argumentieren, dass Rennprothesen ihrem Träger einen unfairen Vorteil gegenüber nichtamputierten Läufern bringen könnten. Man unterstellt der elastischen Carbonfaser-Prothese die Schnellkraft der Läufer und damit ihr Lauftempo zu erhöhen. Mit diesem effizienteren Laufen könnte sich auch ihre Ausdauer steigern. Klarheit sollen hier wissenschaftliche Untersuchungen bringen, eine Zulassung zu den Olympischen Spielen wäre ein großer Wunsch vieler Sportler.
Der Schweizer Grafikdesigner Markus Osterwalder ist leidenschaftlicher Sammler von olympischen Zeugnissen und inzwischen offiziell oberster Historiker des IOC. Dabei geht es ihm weniger um die sportlichen Leistungen als um die grafische Identität der Spiele und deren Wandel im Laufe der Zeit. Unter seinen über 60000 Artefakten finden sich Logos, Embleme, Piktogramme, Medaillen, Diplome, Maskottchen, Plastiktüten und Feuerzeuge, die den Spielen ihre Corporate Identity verleihen. Aus seiner Sammlung stammen die Boxhandschuhe von den Olympischen Spielen 1924 in Paris und der Hockeyschläger von International Nineteen, der in Tokio 1964 um olympischen Ruhm kämpfte.
Ausstellungskonzept
Die nachhaltige Ausstellung basiert auf dem Konzept der Kreislaufwirtschaft. Die Transportwege wurden minimiert. Für die Ausstellungsarchitektur wurde beschlossen ein Maximum an bereits vorhandenem Material einzusetzen und eine thermische Verwertung, sprich Müllverbrennung, nach dem Abbau der Ausstellung gänzlich zu vermeiden. Die Ausstellungsarchitektur wurde so konzipiert, dass sie die Farben und Anordnung der fünf olympischen Ringe in Ausstellungsmodule übersetzt, was in einer engen Verzahnung und Zusammenschau von Grafikdesign und Objektdesign resultiert.
Olympische Spiele in München 1972
Am 26. April 1966 wurde die Austragung der XX. Olympischen Sommerspiele 1972 der Stadt München zugesprochen, die sich gegen die prominenten Mitbewerber Montreal, Madrid und Detroit behaupten konnte. Eine breite Mehrheit der Stadtbevölkerung befürwortete die Entscheidung, bedeutete sie doch einen Schub für den dringend benötigten Ausbau der Infrastruktur, wie zum Beispiel der U-Bahn, und zusätzlich neue Sportstätten wie das Olympiastadion oder die Olympia-Schwimmhalle im Olympiapark. Die Sportstätten und das olympische Dorf entstanden auf dem 280 Hektar großen Oberwiesenfeld. Die Stadt, ehemals Hauptstadt der Bewegung, und Deutschland konnten sich der Weltöffentlichkeit in einem sympathischen und weltoffenen Bild vorstellen, das die Schrecken der braunen Vergangenheit vergessen machte, bis die Spiele von den Schrecken des politischen Terrors der Gegenwart eingeholt wurden.
Die Verantwortung für die Gestaltung und das visuelle Gesamtkonzept wurde 1967 dem Multi-Talent Otl Aicher übertragen, der die legendäre Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm 1953 mitgegründet hatte. Als Fotograf, Gestalter, Typograf, Designer, Bildhauer, Architekt und Autor war er geradezu prädestiniert für diese gewaltige Aufgabe. Mit seinen Arbeiten für die aufstrebende deutsche Nachkriegsindustrie, er gestaltete zum Beispiel die Leitbilder von Lufthansa, Bulthaup und Braun, erfand er das Grafikdesign neu und war maßgeblich für die Nachkriegsmoderne. Für das Erscheinungsbild von Olympia in München entwickelte er ein vorbildliches Gesamtkonzept aus Sportpiktogrammen, Plakaten und dem Logo. Als Schriftart wählte er Univers 55, das Farbschema verzichtete auf die Farben Schwarz und Rot, da dies die Farben der totalitären Spiele 1936 waren.
Laut Duden ist ein Piktogramm eine „stilisierte Darstellung von etwas, die eine bestimmte Information, Orientierungshilfe vermittelt“. Piktogramme sind schon vor der Schrift entstanden, wie die Bildsymbole an den Höhlenwänden der Steinzeitmenschen beweisen. Für Olympia schuf Otl Aicher schlichte, aber in ihrer Eindeutigkeit funktionale Piktogramme, die den Sportlern, den Offiziellen und dem Publikum die Orientierung erleichterten. Inzwischen gelten die ikonischen Darstellungen als Meilensteine der Designgeschichte. Unabhängig von Nationalität, Kulturkreis, Sprache oder Lesekenntnissen überhaupt werden sie intuitiv verstanden. Die Symbole sind wesentlicher Bestandteil der visuellen Kommunikation in München, die Aicher und sein Team entwickelt haben. Sie stehen auch für die Kraft bzw. Moral der Gestaltung, gerade in einem Land mit einer auch von Aicher, der zum Umfeld der Widerstandsgruppe Weiße Rose zählte, durchlittenen grausamen jüngsten Vergangenheit.
Herausragend war und ist auch die Architektur der Münchner Olympiabauten. Das Prachtstück der olympischen Bauwerke ist zweifelsfrei das Olympiastadion. Das Multifunktionsstadion im Olympiapark wurde von dem Architektenbüro Behnisch & Partner geplant. Hier fanden neben den sportlichen Veranstaltungen auch die Eröffnungs- und Schlusszeremonie statt. Deutschlandweit war es das erste Stadion mit einer Rasenheizung und einem VIP-Bereich. Eine technische Besonderheit war das weltweit modernste Stadionflutlicht, das die Arena Tageslicht gleich erhellte. Über dem Stadion, der Olympiahalle, der Olympia-Schwimmhalle sowie den verbindenden Wegen ist die geniale Zeltdachkonstruktion aufgespannt, die dem Stadion Leichtigkeit, Transparenz und Offenheit verleiht. Seit 1997 steht das Ensemble unter Denkmalschutz. Tiefere Einblicke in die Olympische Architektur bietet vom 7.Juli bis 8. Januar 2023 die Ausstellung „Die Olympiastadt München“ des Architekturmuseums der Technischen Universität München, ebenfalls in der Pinakothek der Moderne. Mit vielen unbekannten Dokumenten und Modellen wird ein thematischer Bogen vom ohnehin notwendigen Umbau der Stadt bis hin zu den olympischen Themen aufgespannt.
Vier Jahre vor München wurde 1968 zum ersten Mal ein offizielles olympisches Maskottchen als Werbeträger zu Promotionszwecken eingesetzt. Es steht in Bezug zum Land oder der Austragungsregion und ist üblicherweise eine dort angesiedelte Tierart. Damals galt der Dackel als typisches Münchner Haustier. Die Idee zum Olympia-Waldi kam direkt vom Dackelhalter Willi Daume, dem Vorsitzenden des Organisationskomitees der Olympischen Spiele, der wohl auch die positiven Eigenschaften seines Waldis gerne im Sport sah: Zähigkeit, Beweglichkeit und Widerstandsfähigkeit. Nach dem Olympia-Waldi Konzept von Otl Aicher entwickelte die Graphikerin Elena Winschermann das Maskottchen bis zur Plüschtierversion mit langem Radstand und geringer Bodenfreiheit wie bei seinem tierischen Vorbild. Frische und heitere Farben aus Aichers Palette machten den Hund bald zum Kultobjekt.
Die Erinnerung an die Münchner Spiele 1972 wird durch den sachlichen Blick auf die Architektur durch die Fotografien von Siegried Neubert und Karsten de Riese lebendig gehalten. Sie ermöglichen auch einen Eindruck von der besonderen Gestaltung und Atmosphäre dieser Spiele.
Olympia in München 2022
Wer nach dem Museumsbesuch noch Lust auf mehr Olympia hat, kann im nahe gelegenen Münchner Olymiapark, der das 50-Jährige Olympiapark-Jubiläum mit einem Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft feiert, noch mehr olympische Atmosphäre genießen. Das Programm zum 50. Jubiläum bietet diverse Veranstaltungen, Ausstellungen und Angebote zu den Themen Sport, Kultur, Design, Architektur und Erinnerungskultur.
Interessant sind auch die interaktiven Webseiten und Kurzfilme, die in Kooperation mit Studierenden der Fakultät Design der Hochschule München im aktuellen Sommersemester entstehen und in der Ausstellung angesehen werden können.
Zusätzliche Informationen und besondere Blickwinkel bieten daneben die Begleitprogramme vom dok.fest München, der Münchner Volkshochschule und dem Museum Mineralogia.
Die Ausstellung in der Neuen Sammlung wurde durch die großzügige Unterstützung von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne ermöglicht.
Ausstellungen:
Design für Olympia
Ort: Die Neue Sammlung – The Design Museum, Pinakothek der Moderne, München
Laufzeit: 08.07.2022 bis 03.10.2022
Die Olympiastadt München
Ort:Architekturmuseum der Technischen Universität München, Pinakothek der Moderne, München
Laufzeit: 07. 07.2022 bis 08.01.2023
Abbildungen:
- BMW Designworks, Prototyp, Rennrollstuhl für Team USA, 2015-2016, bei den Paralympic Games, Rio 2016.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - BMW Designworks, Prototyp, Rennrollstuhl für Team USA, 2015-2016, bei den Paralympic Games, Rio 2016.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Boxhandschuhe, 1924, Olympische Spiele, Paris 1924, Leihgabe Markus Osterwalder.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Markus Rehm, Unterschenkel-Sportprothese für den Weitsprung, 2019, Össur, Reykiavik, ISL, eingesetzt in Tokio 2020/21, Leihgabe Markus Rehm.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Hockeyschläger, ca. 1964, International Nineteen, Hawthorn, NJ, USA, eingesetzt in Tokio 1964, Leihgabe Markus Osterwalder.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Ikko Tanaka, Plakat zu den Olympischen Winterspielen 1972 in Sapporo, 1968, © Comité International Olympique (CIO) / DONATSCH, Jürg.
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Elise Thomason, Para Eishockey. Sportartenplakat für die Paralympischen Spiele 2006 in Turin, ca. 2005.
International Paralympic Commitee, Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Alan Hayward und Sepp Klement, Doping. Brochüre der Medizinischen Komission der Olympischen Sommerspiele 1972 in München. Florian Aicher
Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Offizielles Telefonbuch der Olympischen Spiele 1964 in Tokio, 1964.
© Comité International Olympique (CIO). Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Raymond Bellemare, Offizielles Poster zur Bewerbung der Olympischen Spiele 1976 in Montreal, 1972,
© Comité International Olympique (CIO). Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes) - Ausstellungsplakat. Gestaltung: Bureau Borsche, 2022
- Olle Hjortzberg, Offizielles Plakat der Olympischen Spiele in Stockholm 1912, 1911. © VG Bildkunst, Bonn 2022. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Olympia-Waldi – Holzversion zum Stecken. Leihgabe-Schwaiger. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Badiucao, Protest Plakat zu den Olympischen Spielen in Peking 2022, 2021. © Badiucao. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Eisschnelllaufschuh,2020, Viking Schaatsenfabriek, Almere, angefertigt für Ireen Wust, Gold, Peking 2022, Leihgabe Viking skating company – The Netherlands. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Martin Braxenthaler, Monoski mit Ski S 9 und Krückski, 2010/2015, Praschberger, Niederndorf; Enabling technologies, Denver; Atomic, Altenmarkt im Pongau, gefahren von Anna Schaffelhuber, Bronze, Vancouver 2010, Gold, Sotschi 2014, Gold, Pyeongchang 2018, Leihgabe Anna Schaffelhuber. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Bahnrad B20-6, 2019, Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES), Berlin, DEU, Gefahren vom deutschen Bahnvierer der Frauen, Gold, Tokio 2020/21, Leihgabe FES. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)
- Rodelhelm, 1975, Messerschmitt-Bölkow-Blohm, München, eingesetzt von Elisabeth Demleitner, Bronze, Innsbruck 1976, Leihgabe / Loan Elisabeth Demleitner-Seitz. Foto: Die Neue Sammlung (Kai Mewes)