Veröffentlichungen

Das Fahrrad – Kultobjekt – Designobjekt Teil I

Die Neue Sammlung, das Designmuseum von Weltrang in der Münchner Pinakothek der Moderne, stellt in einer Ausstellung vom 11.11.2022 – 22.09.2024 das spannende und aktuelle Thema Fahrraddesign mit seinen technischen Innovationen und den sich daraus ergebenden gestalterischen Möglichkeiten in den Mittelpunkt. 70 außergewöhnliche Entwürfe aus den eigenen Museumsbeständen ergänzt durch Leihgaben besonders vom Deutschen Fahrradmuseum Bad Brückenau, die zu den ungewöhnlichsten und spannendsten Fahrrädern der Designgeschichte zählen, demonstrieren neben ästhetischer Vielfalt auch Ergometrie, Leichtbau oder Aerodynamik. Die Ausstellung versucht auch das Fahrrad als designgeschichtlich relevantes Objekt aufzuwerten, was sich durch den Fokus auf das Design und nicht die Funktion der ausgewählten Objekte ausdrückt. Helm auf und aufsitzen, bitte!

Fahrrad? Boomt!

Der Klimawandel, die Energiekrise und die Umweltverschmutzung durch Autoabgase und -abriebe haben das Fahrrad als gesunde und zeitgemäße Alternative wieder populär und zu einem der Hoffnungsträger der Mobilitätswende gemacht. Diente es in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich als Sportgerät, so wird es heute verstärkt als Autoersatz zum Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz oder als Lasten- und Kindertransportfahrrad genutzt. Dabei blickt das Fahrrad auf eine lange, über 200 Jahre währende Geschichte zurück, zeitweise als praktisches Vehikel begehrt, aber auch immer wieder als uncooler Drahtesel vor sich hin rostend verschmäht.

Viele Aspekte führen aktuell zu einem enormen Fahrradboom mit teilweise mehrmonatigen Wartezeiten beim Kauf: knappe und teure Energie, die sich verschärfende Klimakrise, Bemühen um Nachhaltigkeit, gesundheitliche Vorteile der Mobilität auf zwei Rädern, Flexibilität gerade in der Stadt bei Kurzstrecken ohne lästige Parkplatzsuche und nicht zuletzt ein besonderes Gefühl der Freiheit, wenn man am gestauten Autoverkehr vorbeizieht. Mal sportlich schnell, mal gechillt langsam, wahlweise mit reiner Muskelkraft oder elektrischer Unterstützung, die Vielfalt an unterschiedlichen Fahrradmodellen erfüllt nahezu jeden Wunsch. Das weltweit am meisten verbreitete Verkehrsmittel ist aber mehr als nur eines unserer vielen Gebrauchsobjekte. Kein cooles Start-up Unternehmen, in dem nicht mindestens ein Rennrad als Design- und Kultobjekt, bei dem Technik, Funktion und Ästhetik genial zusammenspielen, als Statement am Flur steht oder an der Wand hängt.

Vom Rad zum FahrRad

Historiker datieren an Hand von Funden und Abbildungen in Ost- und Mitteleuropa sowie in Mesopotamien die Erfindung des Rads auf die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr.. Zeitgleich oder sogar etwas früher wurde die auf dem gleichen Prinzip beruhende und mit Gleitlagern ausgestattete Töpferscheibe erfunden. Das Rad ist eine der wichtigsten zivilisatorischen Errungenschaften, war es doch Voraussetzung für viele weitere technische Innovationen. Sein Rollwiderstand ist wesentlich geringer als der Gleitwiderstand der Schlitten, die vorher zum Transport benutzt wurden. Die Weiterentwicklung vom Scheibenrad zum leichteren Speichenrad erfolgte noch in der Bronzezeit. Das Rad war auch die Voraussetzung für die nächste Entwicklungsstufe: das Fahrrad. Es dauerte dann nur noch einige weitere Jahrtausende bis 1817 in Deutschland ein Herr Baron Karl von Drais seine Draisine genannte „Laufmaschine“ zum Rollen brachte. Im Jahr 1818 wurde es als erstes vom Menschen angetriebenes und lenkbares Transportmittel auf zwei Rädern patentiert. Es entsprach in seinem Aufbau den heute beliebten Laufrädern, auf denen Kleinkinder als Vorstufe zum Radfahren durch die Straßen rollen. Auch aus Gewichtsgründen nahezu komplett aus dem leicht verfügbaren Material Holz gefertigt und ohne Pedale, musste es durch geschickte Fuß Arbeit angetrieben werden. Der Mannheimer Stellmacher Johann Frey materialisierte die Entwürfe des Barons von Drais mit all ihren wohl überlegten Details wie zum Beispiel den schmierbaren Messingbüchsen der Naben zur Reibungsreduzierung. Mit dieser klaren personellen Trennung zwischen Entwurf und Herstellung ging Baron von Drais als einer der ersten Designer in die Geschichte ein.

Die Entwicklung des Fahrrads

Um den Antrieb zu vereinfachen, erhielt das Fahrrad zwischen 1840 und 1870 Pedale und Drehkurbel am Vorderrad, womit auch Steigungen durch Treten leichter bewältigt wurden. Zunächst hatte dieses Modell großen Erfolg. Sein Gewicht von bis zu 50kg, bedingt durch den festen Metallrahmen und die Eisenreifen, denen später im Laufe der Entwicklung Vollgummi- und später Luftreifen folgten, stellte sich aber bald als großes Manko heraus.

Die Entwicklung zum heute üblichen Fahrrad war keineswegs geradlinig. Um noch höhere Geschwindigkeiten erreichen zu können, wurde zwischen 1880 und 1910 der Durchmesser des Vorderrades immer größer als der des Hinterrades. Das extrem unproportionierte Hochrad war erfunden, bei dem ein winziges Hinterrad nur mehr als Stützrad für etwas Stabilität sorgen sollte. Das Aufsteigen war allerdings eine Herausforderung, selbst für sportliche Radfahrer.  Sie mussten neben dem Rad laufend eine gewisse Geschwindigkeit erreichen um dann in voller Fahrt aufzuspringen und den Sattel zu erreichen. Durch das große Vorderrad und die Fallhöhe kam es zu einer Vielzahl tödlicher Unfälle. Darüber hinaus war das Lenken schwierig und schon kleine Hindernisse konnten zu schweren Stürzen führen.

Mit der Zeit erhöhte sich durch geniale Erfindungen der Fahrkomfort, besonders das Gewicht konnte immer weiter reduziert werden. Das Sicherheitsfahrrad mit gleich großen Rädern verdrängte Ende des 19. Jahrhunderts als lebensverlängernde Alternative das Hochrad.  Es ähnelte schon sehr unseren heutigen Fahrrädern, ausgestattet mit Pedalen, Kette zur Kraftübertragung auf das Hinterrad, Speichenrädern, Federung, Gangschaltung und am Vorderrad Gabel und Lenker.

Um die Jahrhundertwende begann die Erfolgsgeschichte des Automobils langsam Fahrt aufzunehmen und stellte das Fahrrad, das oft als Vater des Automobils angesehen wird, allmählich in den Schatten. Das Auto wurde zum Versprechen für eine komfortable, individuelle Fortbewegung ohne eigene Anstrengung, Luftverschmutzung und Kohlendioxid Ausstoß waren noch kein Thema. Nach der lähmenden Kapitulation 1918 nahm das Leben in Deutschland stetig wieder Fahrt auf. Bald hieß es Tempo, Tempo: in den Goldenen Zwanzigern drehte sich alles um Geschwindigkeit, Arbeitsprozesse wurden rationalisiert und das Leben wurde beschleunigt. Das erforderte neue Dimensionen der Mobilität. Das Statussymbol Auto konnten sich nur wenige Betuchte leisten bzw. fehlte auch noch die Infrastruktur – die erste Ampel Deutschlands wurde 1924 am Potsdamer Platz in Berlin installiert – für einen massenhaften motorisierten Individualverkehr. Das Rad war als kostengünstige Alternative – noch – akzeptiert.

Nach der Weltwirtschaftskrise in den 1920ern, dem 2. Weltkrieg und dem Wiedererstarken der Wirtschaft geriet das Fahrrad immer weiter ins Hintertreffen und wurde von Erwachsenen nur noch zu Sportzwecken und Radrennen benutzt, die meisten Fahrräder wurden an Kinder verkauft. Wer als Erwachsener mit dem Fahrrad unterwegs war, wurde nahezu bemitleidet, konnte er sich wohl kein Auto leisten.

Einen Imagewandel erlebte das Fahrrad durch Filme wie Jacques Tatis „Schützenfest“ von 1947. Es spielt neben dem Protagonisten François, einem Postboten, die Hauptrolle. Motiviert durch einen Kinofilm über die modernen Methoden der straff organisierten und damit schnellen US-amerikanischen Post, eifert er dieser mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, im Wesentlichen seinem Fahrrad, nach. Fortan lautet sein Motto: Rapidité – Geschwindigkeit! Letztendlich ist es sein Postfahrrad, das ihm zur Erfüllung seiner Mission Flügel verleiht.

Ab Mitte der 1960er boomte in den USA das Fahrrad dank des aufkommenden Fitnessbewusstseins und erlangte mit diesem Rückenwind auch in Europa wieder mehr Bedeutung. Die Erfindung des Mountainbikes im Jahr 1981 war die nächste wichtige Entwicklung. Mit ihm konnte man nun abseits befestigter Wege unwegsames Gelände erkunden und Anstiege meistern, die man sonst nur schiebend geschafft hätte. Dafür sorgen eine breitere Bereifung und Stoßdämpfer, die beim „Fully“ am Vorder- und Hinterrad montiert üble Stöße absorbieren.

Aktuell erzielen die E-Bikes, die bereits 1995 entwickelt wurden, Jahr für Jahr neue Verkaufsrekorde. Die Möglichkeit die eigene Muskelkraft von elektrischer Power unterstützen zu lassen, erschloss dem nachhaltigen Fortbewegungsmittel neue Käuferschichten. Mit E-Bikes können auch längere Strecken von nicht so gut trainierten oder älteren Fahrern bequem zurückgelegt werden, was sie besonders bei Pendlern beliebt macht.

Fahrradtypen

Die Exponate der Ausstellung sind hauptsächlich den Kategorien Straßen- und Rennräder zuzuordnen, wobei auch interessante Entwürfe zu Klapp- oder Falträdern gezeigt werden.

In den letzten Jahren kamen verstärkt voluminöse Modelle als Lastenräder, oft für den Kindertransport mit vorne montierter breiter Schale auf den Markt, die auf Grund von Größe und Gewicht gerne nicht nur mit Muskelkraft, sondern auch mit elektrischer Unterstützung gefahren werden. Im immer härter werdenden Verteilungskampf um den limitierten öffentlichen Raum, der hauptsächlich mit den Automobilen ausgefochten wird, werden diese – gerne als Fahrrad-SUVs verpönten Lifestyle Gefährte – oftmals auch von anderen Fahrradfahrern als raumgreifend störend, besonders auf den leider noch meist schmalen Radwegen, empfunden. Das handliche Fahrrad mit Kindersitz scheint nicht mehr zeitgemäß, Statussymbolträchtige Lasten-Vehikel mit Namen wie Urban Arrow übertrumpfen Funktionalitätserwägungen. Als charmante Alternative bieten sich neuerdings Longtailräder als „Elterntaxis“ an, bei denen sich auf dem verlängerten Gepäckträger zwei Kindersitze befestigen lassen und die wesentlich praktischer beim Parken und Fahren sind. In der Ausstellung sind sie nicht vertreten.

Stattdessen werden kleine Fahrräder zum Zerteilen, Klappen, Falten oder Stecken, wie das Duemila und das Zoombike von Richard Sapper, gezeigt, die bei den Klapp- oder Falträdern herausragen. Ein früher Vorläufer dieses Fahrradtypus entstand bereits 1878 in London. William Henry Grout erdachte ein zerlegbares Hochrad, das das schon früh aufkommende Bedürfnis der Mitnahme des Geräts auf Reisen befriedigen sollte und gleichzeitig platzsparend gelagert werden konnte. Die leichte Mitnahme und Transportfähigkeit war auch in militärischen Kreisen gern gesehen.

Mit Highspeed zur VeloCity?

Über Jahrzehnte konnte sich die angeblich zukunftsorientierte, fortschrittliche Gesellschaft die autogerechte Stadt nach Gutdünken mit breiten Trassen asphaltieren und betonieren. Andere Verkehrsteilnehmer waren in diesem Konzept, wenn überhaupt, nur geduldete Randfiguren. Doch inzwischen gilt das Modell der Autostadt als überholt, die Stadtbewohner verlangen mehr Lebensqualität in Form von Grünflächen, besserer Luft und weniger Lärm. Ein Beispiel mit Vorbildcharakter für diesen Wandel ist die Stadt Kopenhagen, die weltweit zu den fahrradfreundlichsten Städten zählt. Aus eigener Erfahrung kann dies bestätigt werden, die gut ausgebauten und extrem breiten Fahrradstreifen laden zum Erkunden der Stadt auf zwei Rädern ein. Für den Touristen sind die strengen, stets angemahnten Regeln mit Handzeichen beim Anhalten oder Richtungswechsel anfangs allerdings gewöhnungsbedürftig. Auch die durch die gut ausgebauten und markierten Fahrradstreifen ermöglichten hohen Geschwindigkeiten der Kopenhagener Radfahrer erfordern stete Aufmerksamkeit. Kopenhagen mit seinem 2018 rund 400 km umfassenden Radwegenetz zeigt aber auch, das eine fahrradgerechte Stadt ein wesentlicher Bestandteil eines Gesamtkonzepts für eine nachhaltige Stadt mit hoher Lebensqualität ist. So ist es der Stadt inzwischen gelungen das Auto durch das Fahrrad als wichtigsten Verkehrsträger zu ersetzen. Mit dem Rad zu fahren spart Zeit und Geld genauso wie es der Umwelt und der eigenen Gesundheit hilft. Zahlreiche Bike Sharing Firmen ermöglichen es Touristen oder Fahrradlosen mal schnell und unkompliziert die Mobilität auf zwei Rädern zu genießen.

Viele Städte bezeichnen sich zwar selbst als Fahrradfreundlich, etwa, weil sie einzelne Fahrradstraßen ausweisen. Meist fehlt aber leider ein Gesamtkonzept bzw. Radwegenetz für das gesamte Stadtgebiet, das es Radlern ermöglicht sicher und schnell ihre Routen zu absolvieren. Neben einer fahrradfreundlichen Infrastruktur sind es aber auch die „Drahtesel“ selbst, die mehr Menschen in den Sattel bringen können. Neue Materialien, die neue Formen ermöglichen, stellen die Designer immer wieder vor die anspruchsvolle Aufgabe funktionale und ästhetische Modelle zu entwerfen, die die Pedaleure begeistern können.

Fahrraddesign

Beim Fahrraddesign bestimmt der Blick auf die Gestaltung des Rahmens und der Räder den ersten Eindruck. Wesentlich ist aber auch die Formgebung der zahlreichen Komponenten und ihr funktionierendes Zusammenspiel für einen optimalen Betrieb. Im Fahrraddesign bildet sich auch die Geschichte vieler technischer Innovationen aus anderen Bereichen ab, die die Antriebe, Federungen, Bremsen, Schaltwerke und andere Bauteile stetig verbessert haben.

Beim Rahmen sind Überlegungen zu Stabilität, Aerodynamik und dem Gewicht in Abhängigkeit des Materials relevant. Inzwischen stehen hier traditionelle Materialien wie Holz, Bambus, Eisen und Stahl, aber auch Aluminium, Magnesium, Titan, Kunststoff und Karbon zur Auswahl. In erster Linie ist es die Wahl des Werkstoffs, der durch seine Materialeigenschaften und möglichen Verbindungstechniken die gestalterischen Spielräume definiert. Der klassische Rahmenbau mit Rohren (geschweißt, gelötet, geschraubt, gesteckt, verklebt) wird ergänzt durch über in Form gegossene oder gepresste Rahmen aus Metall oder Kunststoff bis hin zu 3D-gedruckten Rahmen.

Ab den 1880er Jahren dominierten die Sicherheitsniederfahrräder, „Safeties“, bei denen sich aus einer Vielzahl von Rahmenformen zwei heraus kristallisierten: der Kreuzrahmen und der letztlich dominierende Diamantrahmen. Die Gestaltung des Rahmens ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal und das größte kreative Spielfeld der Designer, nur eingeschränkt von den Notwendigkeiten Funktionalität, Umsetzbarkeit und Kosten.

Am bis heute dominierenden Stahl zeigt sich, wie parallele Entwicklungen auf anderen Gebieten auf das Fahrraddesign rückwirkten und umgekehrt. Die in der Frühzeit neben Holz verwendeten massiven Rundprofile aus Eisen waren zu schwer und wurden bald durch leichtere Wasser- und Gasleitungsrohre bzw. später durch Stahlrohre ersetzt. Hier profitierte das Rad von den Kostensenkungen und Fortschritten bei der Stahlherstellung, etwa der Entwicklung von kalt gezogenen, nahtlosen Rohren (u. a. von Mannesmann, Reynolds oder Columbus), was wiederum zu gestalterischen Freiräumen führte. Die bereits guten aerodynamischen Eigenschaften der Rundprofile versuchte man durch ovale oder tropfenförmige Querschnitte weiter zu optimieren. Bei hohen Geschwindigkeiten ist die Aerodynamik wichtiger als das Gewicht. Highlight unter den aerodynamischen Stahlrohrrädern ist zweifellos das Bottecchia Aero.

Und dann beeinflusste das Stahlfahrrad seinerseits auch noch den Möbelbau der Moderne. Ein gebogener Stahlrohrlenker soll Marcel Breuer am Dessauer Bauhaus zu seinen ikonischen Stahlrohrstühlen inspiriert haben.

Als „Metall der Moderne“ eroberte sich Aluminium in den 1930er Jahren einen Platz im Möbelbau, maßgeblich durch Marcel Breuer, und im Industriedesign. Es wurde wichtigstes Material der abhebenden Flugzeugindustrie, sowohl für die Maschinen selbst als auch für deren Inneneinrichtungen. Sein geringes Gewicht war hier, wie auch beim Interieur der Zeppeline, unschlagbar. Nach dem 2. Weltkrieg recycelte der Franzose Reyé Bardet das übrig
gebliebene wertvolle Material aus dem Flugzeugbau zu einen bemerkenswerten Fahrradrahmen aus gelochten und genieteten Profilen. Mit seiner auffälligen Gestaltung ist er ein frühes Beispiel für das Recycling von wertvollen Rohstoffen.

Statt mühsam viele Nieten zu setzen, umging 1949 der promovierte Ingenieur Hermann Klaue das Verbindungsproblem durch einen leichten aus Silumin (Aluminium-Silizium-Magnesium-Legierung) gegossenen Kreuzrahmen. Die Erfordernisse an Stabilität und Verwindungssteifheit berücksichtigt er durch die flachen, mitgegossenen Verstärkungen in den Ecken der Übergänge von Sattel- und Steuerrohr zum diagonalen Zentralrohr.

In Deutschland waren es ab dem Ende der 1970er Jahre die Kettler Aluräder, deren geschweißte Aluminiumrahmen preislich mit den asiatischen Anbietern konkurrieren konnten. Das Unternehmen brachte sein Know-how zum Aluminium schweißen aus dem Campingmöbelbau mit.

Überschneidungen zum Möbelbau findet man auch beim Glasfaserverstärkten Kunststoff (GFK), mit dem Designer wie Ray und Charles Eames mit wohlgeformten Sitzschalen das Möbeldesign des Midcentury revolutionierten. Der britische Autoingenieur Benjamin Bowden entwarf bereits 1946 eines der frühesten Fahrräder aus Kunststoff. Aber erst nach Bowdens Übersiedelung in die USA wurde dort ab 1960 unter dem Namen Spacelander die bescheidene Zahl von 522 Exemplaren produziert. Dabei war die gestalterische Qualität des hohlen Monocoque-Rahmens aus komplementären Metallpressteilen oder Kunststoffformteilen durch einen Prototypen aus Aluminium mit elektrischem Wellenantrieb in einer Ausstellung im Victoria & Albert Museum 10 Jahre zuvor bestätigt worden.

Inzwischen dominiert Karbon im oberen Preissegment bei Rennrädern, aber auch bei Mountainbikes, das Segment der Kunststoff Werkstoffe. Die Erforschung und Entwicklung der hoch festen Kohlenstofffasern begann um 1960 mit Vorreitern wie der Royal Aircraft Establishment in Farnborough.

Ort: Die Neue Sammlung – The Design Museum, Pinakothek der Moderne, München

Laufzeit: 11.11.2022 – 22.09.2024

Ausstellungskatalog 34,90€