Mit „Objets cultes du mobilier industriel“ verfolgt Brigitte Durieux das Thema Industrie-Design weiter und fokussiert in diesem Buch, wiederum erschienen bei Editions de La Martinière, Paris, 2012, auf Kultobjekte dieser Kategorie. Über das erste Buch „Mobilier Industriel“ hat das Sammler Journal bereits im Heft 07/2011 berichtet. Brigitte Durieux erweist sich mit ihren europaweiten Adressen von „Fachhändlern“ im Anhang des zweiten Buches auch jetzt wieder als profunde Kennerin der Eisenszene. Die ausgewiesene Expertin des Industrie-Designs hat mit sicherem Auge für hochwertige handwerkliche Verarbeitung und außergewöhnliche Gestaltungsqualität eine bemerkenswerte Auswahl – nicht jedes rostige Eisen eignet sich als Kultobjekt – von insgesamt 50 Objekten getroffen. Das Spiel des Fotographen Laziz Hamani mit der Materie, dem Licht und der Transparenz schließlich inszeniert die Objekte als wahre Kunstwerke. Unter dem Titel „Industrial Chic: Cult Furniture, Design and Lighting” ist das Buch mit identischen Objekten auch auf Englisch im Thames & Hudson Verlag erschienen.
Anfänge des Trends, seine Förderer und seine Ornamentlosigkeit
Es war schon eine Ungeheuerlichkeit für das an feine Antiquitäten gewöhnte Publikum, als es 1995 in der Rue du Bouloi in Paris bei Gilles Oudin ein aus rohem Stahl und Holz bestehendes Bücherregal von Théodore Scherf aus dem Jahr 1880, zwei Tri Postal Briefsortier Arbeitsplätze und einige Lampes Gras Leuchten erblickte. Auf die ignorante Frage, ob er das wohl zu verkaufen gedenke, antwortete der Antiquitätenhändler nur ironisch „aber nein, ich bin Mechaniker“. Mit viel Enthusiasmus und dank des Reservoirs vieler aufgelassener Industriebrachen besonders im Großraum Paris, aber auch in anderen Landesteilen, konnten er und andere „Archäologen des 19. und 20. Jahrhunderts“ über die Jahre hinweg Objekte zusammen tragen, die eine breite Welle der Begeisterung für alte Industrie Möbel und Objekte auslösten.
Die Begeisterung beschränkte sich aber nicht auf Frankreich. Ebenfalls im Jahr 1995 besetzte altes Verwaltungsmobiliar wie Stühle, Tische und Bankschalter aus Holz und Metall im Herzen Tribecas in New York die Schaufenster des Antiquitätenhändlers Wyeth.
Dass inzwischen selbst internationale Modeketten wie AllSaints ihre Boutiquen mit altem „Industrie-Schrott“ dekorieren, unterstützt den Trend zusätzlich. Wie in dem abgebildeten Shop in New York City sind es in jedem Laden jeweils hunderte alter, ausgedienter Nähmaschinen – meist der Marke Singer – , die im Schaufenster und in den Verkaufsräumen ein besonders dekoratives Wiedererkennungsmerkmal der Marke darstellen.
Nach Pop-Art und Plastik Zeitalter war der Zeitgeist nach der Jahrtausendwende langsam reif geworden für die Zeitzeugen des industriellen Aufbruchs. Die meist schnörkellosen, der reinen Funktion unterworfenen Gegenstände des Mobilier Industriel erfüllen ganz die Ansichten des berühmten österreichischen Architekten Adolf Loos (1870 – 1933), wenngleich er sich zu Lebzeiten wohl nie ein Werkstattmöbel ins Haus geholt hätte. In seiner Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ aus dem Jahr 1908 propagiert er, dass Funktionalität und Abwesenheit von Ornamenten im Sinne menschlicher Kraftersparnis ein Zeichen hoher Kulturentwicklung seien und wahre Kunst nur im Sinne der Bildenden Kunst geschaffen werden kann. Ornamentale Verzierungen sind ebenso wie jedwede künstlerischen Gestaltungsversuche an einem Gebrauchsgegenstand unangemessen und überflüssig. So schreibt Loos: „der moderne mensch, der das ornament als zeichen der künstlerischen überschüssigkeit vergangener epochen heilig hält, wird das gequälte, mühselig abgerungene und krankhafte der modernen ornamente sofort erkennen. kein ornament kann heute mehr geboren werden von einem, der auf unserer kulturstufe lebt.“ Die in Brigitte Durieux‘ Buch vorgestellten Kultobjekte erfüllen die Designvorgaben von Adolf Loos. Die Funktion bestimmt ihre Form, auf Ornamente wird verzichtet, nicht jedoch auf eine ästhetische Gesamterscheinung.
Brillié Uhren – Horloge Brillié / 1900
Über Jahrhunderte hinweg bestimmte das Kirchturmläuten das von Landwirtschaft und Handwerk geprägte Wirtschaftsleben, das in kleinen Strukturen organisiert war und somit keiner exakten zeitlichen Unterordnung bzw. Synchronisierung bedarf. Mit der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzenden industriellen Revolution war das Kirchturmläuten als Metronom der zu Millionen in Fabriken schuftenden Arbeiter überfordert. Das nach Frederick Windsor Taylor (1856 – 1915) benannte Taylor-System zur Steigerung der Produktivität der industriellen Fertigung verlangte nach exakteren Zeitmessern. Die teuren Maschinen sollten unentwegt, am besten rund um die Uhr, am Laufen gehalten werden, die Maschinenhallen pausenlos Produkte ausstoßen. Die Bewegungsabläufe der Maschinen sind von ihrer Mechanik exakt festgelegt und gesteuert, also müssen auch die an ihnen tätigen Arbeiter exakt reguliert werden. Erbarmungslos disziplinierten die neuartigen Fabrikuhren, oft als Ehrfurcht einflößende Ungetüme an Fabrikwänden angebracht, die Arbeiterschaft. Bildlich klagt Charlie Chaplin in seinem Film „Moderne Zeiten“ von 1936 die Auswirkungen des Taylor-Systems an, wobei der Filmtölpel leibhaftig ins Zahnradgetriebe der bösen Maschine, stellvertretend für die Uhren, gerät.
Versorgt wird die Unternehmerschaft mit diesen Sklaventreibern u.a. von der Firma Ateliers Brillié Frères, die 1898 von Charles Vigreux und Lucien Brillié in Levallois-Perret bei Paris gegründet wurde. Lucien Brillié war der Erfinder der elektrischen Turmuhr, der berühmten sprechenden Uhr (telefonische Zeitansage) und der Uhrensynchronisation auf das TSF-Signal (Télégraph Sans Fil). Mit exzellentem technischen Know-how ausgestattet, lieferten sie elektrische Uhren mit tönenden Signalen bei Schichtbeginn oder –wechsel, die Kraft ihrer Unfehlbarkeit bald zur unantastbaren Autorität der Werkshallen aufstiegen. Die Zuverlässigkeit der Uhr hängt nun nicht mehr vom Menschen ab, der sie aufziehen und stellen muss, sondern nur mehr von der Versorgungssicherheit mit Elektrizität. Im Katalog der Firma Brillié aus den 1920er Jahren finden sich Produkte und Leistungen wie Eigenständige Uhren, automatische akustische Signale, Gebäudeuhren, Klingelton mit Glockenspiel, Wecker, Zeitsynchronisation aller Geräte und Arbeitszeiterfassungssysteme. Neben Fabriken werden auch Bahnhöfe und Schulen, die anderen Institutionen, bei denen es auf exakte Zeitmessung ankommt, mit Brillié Uhren ausgerüstet. Der Firma am Stammsitz Paris schlug selbst die Stunde der Wahrheit im Jahr 1987, als sie geschlossen werden musste und die Fabrikhallen nieder gerissen wurden.
Verzinkter Eimer – Seau en Acier Galvanisé / 1907
Ob im Garten, im Haushalt, in der Küche, in der Fabrik, in der Landwirtschaft oder bei der Tierzucht: die Einführung des verzinkten Stahlblechs zum Ende des 19. Jahrhunderts brachte eine Vielzahl nützlicher Helfer und Neuheiten bzw. Verbesserungen an bestehenden Werkzeugen wie Kohleeimer, Wasserkocher, Waschbecken, Krug, Abfalleimer, Wanne, Gießkanne, Krippe, Trog, Schaufel oder Zäune hervor.
Es dauerte einige Jahrzehnte, bis sich die in Übersee als Rostschutz entwickelte Galvanisier-Technik in der industriellen Fertigung Frankreichs niederschlug. Der junge, aus einer Handwerkerfamilie stammende Xavier Pauchard interessierte sich erstmals 1907 für das Verfahren. Um seine Kenntnisse zu verfeinern und neue Anwendungen zu ergründen, studierte er ein reichlich illustriertes, technisches Buch aus den Vereinigten Staaten. Geschützt vor den neugierigen Blicken seiner Mitmenschen erarbeitet sich Xavier Pauchard seine ersten Erfahrungen mit dem neuartigen Verfahren bei Versuchen an hohlen, alten Töpfen.
Weder die Strenge des Klimas noch technische Rückschläge konnten die Entwicklung und Verbreitung bremsen: der verzinkte Stahl setzte sich durch – zunächst bei den täglichen Gebrauchsgegenständen, später auch bei Gartenmöbeln wie Pauchards Stühlen, Hockern und Tischen der Marke Tolix. Die zuverlässige Beständigkeit der Galvanisierung gegenüber Witterungseinflüssen war ihr Empfehlungsschreiben für viele Anwendungen.
Somit hatten sich die Verhältnisse verändert, die Verzinkung eröffnete neue Horizonte bei der Verarbeitung des Stahls und entthronte das kunsthandwerkliche Weißblech. Das metallische Aussehen des Zinks ist verführerisch: aus der ursprünglichen Idee des Rostschutzes hat sich eine neue Ästhetik gebildet – und ein markantes Merkmal des Industrie-Stils.
Mit einer Höhe von 35cm, einem Umfang von 31cm, 4,6 kg Leergewicht bzw. 23,7 kg Bruttogewicht und einem Fassungsvermögen von 18 Litern veranschaulicht der abgebildete, verzinkte, von 56 Nieten zusammen gehaltene Eimer als einer der einfachsten Gegenstände die drei wesentlichen Bestandteile der Metallmöbel des Industrie Stils: Blech als Ausgangsmaterial, Zink als Rostschutz und Nieten für die Montage. Dies qualifizierte ihn für die Aufnahme in Brigitte Durieux‘ Kultobjekte Liste.
Handleuchte – Lampe Baladeuse / um 1920
Die Allzweckleuchte May Day (2001 mit dem Compasso d´Oro ausgezeichnet) wurde im Jahr 1998 von dem international anerkannten Münchner Designer Konstantin Grcic für die italienische Firma Flos entworfen und ist letztendlich eine Weiterentwicklung bzw. Neuinterpretation der Lampe Baladeuse. Wie die May Day findet auch die Lampe Baladeuse, wörtlich übersetzt die tragbare Leuchte bzw. dem Verwendungszweck nach Handleuchte bedeutend, ihren Einsatz überall dort, wo sie gerade gebraucht wird. Viele Anwendungen sind mit ihnen möglich: wie die May Day können diese alten französischen Handleuchten bei handwerklichen Arbeiten – wie zum Beispiel an der Unterseite eines Autos – am Griff getragen werden oder am Haken aufgehängt werden; selbst als Pendelleuchte an der Decke hängend sieht dieser Lampentypus gut aus, wie das schwedische Design Studio „Form Us With Love“ 2011 mit einer prachtvollen Installation von 100 Exemplaren ihrer eigenen Kreation namens „Work Lamp“ im Design House Stockholm gezeigt hat. Die Work Lamp verweist noch deutlicher als die May Day auf ihren Urahn, die Lampe Baladeuse, ihr silberner oder goldener Schutzkäfig wirkt durch seine kantige Erscheinung nur moderner und wohnlicher.
Die Herkunft der Lampe Baladeuse ist ungeklärt, ihr Designer unbekannt. Brigitte Durieux bezeichnet sie blumig als „Waise“ vom Bauernhof, Speicher, Keller oder aus der Fabrikhalle, also von Orten, an denen sie es verstand sich nützlich und schnell unersetzlich zu machen. Bis heute sind Handleuchten noch immer bei Mechanikern und Landwirten in regem Gebrauch, zwar technisch weiter entwickelt und sicherer, aber gewiss nicht eleganter als die Lampe Baladeuse vor 100 Jahren. Man muss sie mit zu den Musterbeispielen der Formgebung eines Nutzgegenstands zählen. Ohne etwas zu verstecken, zeigt sie offen ihre einzelnen, durch die Funktion definierten, Bestandteile: Kabel, Stecker, Fassung, Leuchtmittel, metallischer Schutzkäfig und hölzerner Griff. Diejenigen Exemplare unter den Lampe Baladeuse, deren Schutzkäfige an der dem Griff gegenüber liegenden Seite abgeflacht waren, konnten direkt auf der Arbeitsfläche abgestellt werden, wie fast 100 Jahre später die May Day und die Work Lamp.
Die normalen Handleuchten fürs Handwerk wurden weiter entwickelt, die Materialien haben sich verändert, die Form blieb aber im Wesentlichen erhalten. Heute bestehen sie aus einer Handvoll Gummi oder Plastik, zusammen gehalten von Silikon und mit einem Kabel in Signalfarbe zur Vermeidung von Arbeitsunfällen ausgestattet. Die modernen, energiesparenden Birnen heizen zwar nicht mehr, das Schutzgitter blieb aus ästhetischen Gründen bestehen.
Als gewagtes Manifest illustriert die Lampe Baladeuse sowohl in der Werkstatt als auch Jahrzehnte später in der Wohnung die Maxime: gutes Design ist schlichtes Design!
Projektor Galaxie – Société Française D’Eclairage GAL / 1928
Was wäre aus Josephine Bakers berühmt-berüchtigtem Bananentanz‘ oder den Aufführungen im Folies Bergère geworden, hätte es sie nicht gegeben: die Bühnenscheinwerfer, Strahler, Projektoren! Im Varieté waren es oftmals kleinere Exemplare wie etwa der abgebildete der Firma A. E. Cremer, Paris. Bei diesem konnten farbige Glasscheiben vor die Linse gesetzt werden und so die gewünschte Stimmung erzeugen. Außerdem konnte der Beleuchter den Abstand zwischen Linse und Leuchtmittel mit Hilfe eines Drehrades, das sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite angebracht war, den Fokus ändern und damit die Größe der ausgeleuchteten Fläche.
Aber nicht nur für die leichten Mädchen der Revuen, sondern auch für die schweren Jungs von der Eisenbahn waren sie unentbehrlich. In Longueau bei Amiens in der Picardie betrieb die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF (Société Nationale des Chemins de Fer français) in den 1950er Jahren einen der größten Verschiebebahnhöfe Europas, der ununterbrochen Waren verschluckt und wieder ausspuckt hat. Mechaniker, Lokführer, Bahnwärter, Weichensteller, Signalgeber und Rangierer dirigierten Tausende von Tonnen an Gütern, die von den Trente Glorieuses, den dreißig Boomjahren in Frankreich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – vergleichbar mit dem deutschen Wirtschaftswunder -, generiert wurden. Um die Arbeiten auch nachts sicherer und zusätzlich produktiver durchführen zu können, waren riesige Strahler zur elektrischen Beleuchtung vonnöten, die die alten Laternen und Leuchten, die noch aus der Vorkriegszeit stammten, ersetzen mussten. Deshalb wandte sich die Eisenbahngesellschaft SNCF an ihren Zulieferer Société Française D’Eclairage GAL, der 1928 in Courbevoie von Gustave Arsène Lancelot gegründet worden war. Das Projekt Strahler „Galaxie“ war somit in den 1950er Jahren geboren. Stark unterstützt durch die Versuche im Zentrallabor in Saint-Ouen, genehmigt schließlich die Montage-Abteilung der SNCF das gigantische Modell: ein 32 kg schwerer Blechkorpus aus dickem Metall, mit einen Durchmesser von einem Meter und mit einem stark polierten, gewölbtem Aluminium Spiegel. Das Ganze wurde von einem starken Metallarm getragen, der die Leuchte dreh- und schwenkbar machte. Nicht zu vergessen das erstaunlich lange, einen Meter messende „Visier“, das als Blende diente. Und zu guter Letzt wurde die monströse Anordnung auf 20 Meter hohen Masten montiert. Aus dieser luftigen Höhe erhellten Quecksilberdampflampen mit 1000 W Leistung die nächtliche Szenerie am Bahnhof. Da es die Apparatur erlaubte, einen engen Strahl mit einer großen Reichweite zu fokussieren, bildeten die Lichtstrahlen in der Luft so die Konfiguration der Schienen am Boden nach. Die Qualität der Fokussierung des Strahls ist dabei maßgeblich von den geometrischen Eigenschaften des Parabolspiegels im Strahler abhängig. Durch separat angebrachte Parabolspiegel aus Aluminium boten sich den Entwicklern hinsichtlich der Fokussierung des Strahls viele Möglichkeiten, die bei den in Strahlern auch üblichen seitenverspiegelten Glühbirnen (s. Abbildung einer 1000W Glühbirne), wegen der festen Geometrie des Glaskörpers, nicht gegeben sind.
Die Eisenbahngesellschaft SNCF platzierte die Galaxie Strahler, deren scharfer Strahl fast schon an Laser denken lässt, in Gruppen von zwei bis 16 Stück entlang der Schienen.
Zeichenmaschine „Mappemonde“ – Table d’Architecte / 1930
Das Zeichenbrett, manchmal auch nur Zeichenplatte oder in seiner Gesamtheit Zeichenmaschine genannt, dient technischen Zeichnern, Designern und Architekten zum Erstellen technischer Zeichnungen und Pläne. Die größte Errungenschaft bzw. wichtigste Eigenschaft des Zeichenbretts ist, dass die gewünschten Winkel zwischen den Linien über eine Mechanik fest eingestellt werden können. Die umgangssprachliche Bezeichnung Reißbrett stammt noch aus der Zeit, als die Linien mit einem harten „Reißbley“ statt mit einem Bleistift mehr geritzt als gezeichnet wurden. In den 1990er Jahren schwand die Bedeutung der Zeichenbretter, als sie mehr und mehr von Computern mit entsprechender CAD (Computer Aided Design) Software verdrängt wurden. Hin und wieder finden sich in den Designbüros einzelne Exemplare, als Dekoration oder als Pinnwand für die am Computer erstellten, ausgedruckten Zeichnungen. Die Zeichenmaschine vereinigt die Komponenten Zeichenbrett, Standfuß mit Höhen- und Neigungs-Verstelleinrichtung und Mechanik zur Führung des Zeichenkopfes mit den beiden Linealen, einem langen horizontalen und einem kürzeren vertikalen. Diese stehen in der Regel unter 90° zueinander, können oft aber auch in 15-Grad-Schritten einrasten. Untersuchungen haben gezeigt, dass am Zeichenbrett kreativer gearbeitet wird als am Computer. Auf jeden Fall zählt das Zeichenbrett branchenübergreifend zu den wichtigsten Werkzeugen in Entwurfsbüros, konnten doch mit seiner Hilfe schnell und genau Ideen zu Papier gebracht werden. Sowohl kühne Gebäude als auch technische Meilensteine wie das Auto sind lange Zeit auf ihm geboren worden.
Ein besonders ausgefallenes Beispiel einer Zeichenmaschine ist das Modell „Mappemonde“ eines unbekannten Entwerfers, das um 1930 entstanden ist. Da es nur in einer Kleinserie gefertigt worden war, ist es heutzutage entsprechend selten auf dem Markt zu finden. Kürzlich wurden einige Exemplare aus den Kursräumen der Industrie-Zeichner Schule EPDI (École Professionelle de Dessin Industriel, gegründet 1923 in Paris) versteigert. 1932 pries eine Annonce den „Super Zeichentisch „La Mappemonde“ (Globus)“ an. Der einzigartige, auf Rädern montierte, der sich dank seiner beweglichen Scharniere und Verbindungen sowie seiner Klemmhebel stabil in jedwede Position bringen lässt. Auf diese Weise ermöglicht die Maschine ein effizientes Arbeiten, „durch ihre Einfachheit und Leistungsfähigkeit gestattet sie überraschende Finessen“ wie es in der Annonce weiter heißt. Dabei kostete sie auch nicht mehr als die anderen Zeichenbretter. In den frühen 1930er Jahren traf die Mappemonde auf die Nachfrage eines wachsenden Marktes. In den Zeichenbüros erforderten die Ausführung von Plänen und Zeichnungen nun eine größere Präzision, was durch das höhen- und in seinem Neigungswinkel verstellbare Zeichenbrett unterstützt wurde. Die Mappemonde zeigt bildhaft auch die Liebe der damaligen Entwerfer zum Detail: nicht das kleinste Bauteil ist zufällig, alles ist wohl proportioniert und durchdacht, wie es die Nahaufnahmen der vergrößerten Einzelteile in Brigitte Durieux‘ Buch anschaulich dokumentieren.
Die Zeichenmaschine steht in der Tradition von Systemmöbeln, die im 17. Jahrhundert von französischen und deutschen Handwerkern entwickelt wurden und deren Einfallsreichtum im 18. Jahrhundert bereits etliche Höhepunkte erreicht hatte. Die Arbeit der Möbelschreiner und Schlosser zu Zeiten Louis XV. deutete bereits an, was später, Anfang des 20. Jahrhunderts, Ingenieure und Erfinder bei der Ausstattung und Modernisierung der sich stetig ändernden Industrie zu leisten im Stande waren.
Zwar ist der Konstrukteur der Mappemonde nicht mehr namentlich bekannt, seine Kreation hat trotzdem Aufmerksamkeit erregt und tut dies heute noch. So bekam sie eine Silbermedaille auf der „Exposition Universelle“ im Jahre 1932 verliehen. Ihr Hersteller mit der Adresse 81, Rue du Temple in Paris stattete bemerkenswerterweise auch die EPDI in der Hauptstadt aus, damals die einzige Institution dieser Art in Europa. Im Gegensatz zu den mit ihr konkurrierenden Modellen wie der UNIC, wurde die Mappemonde handwerklich und in limitierter Auflage hergestellt: nur 380 Exemplare wurden von ihr ausgeliefert. Sie verdeutlicht auch die Möglichkeiten, die der Einsatz von Stahl im Möbelbau bietet; ein derart komplexes und variables Möbelstück aus Holz herzustellen erscheint undenkbar.
Baukräne von Joustra – Grues en Acier / um 1950
Spiele zählen schon immer zu den wichtigen Errungenschaften der menschlichen Kultur. Sie dienen dem Vergnügen und der Entspannung. Kinderspiele, die meist in der Gemeinschaft erlebt werden, haben oft auch einen pädagogischen und sozialen Aspekt, und sollen so aufs Erwachsenenleben vorbereiten. Spiele helfen bei der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung motorischer Fähigkeiten. Im Gegensatz zu den heutigen Konsolenspielen, war letzteres bei altem Blechspielzeug noch gegeben.
Die Firmen Meccano und Joustra bildeten, vor dem Aufkommen des Plastikspielzeugs, mit ihrem Sortiment an metallischen Spielwaren die industrielle Revolution im Kinderzimmer nach und illustrierten im kleinen Maßstab die Evolution der Arbeitswelt. Die Firma Meccano wurde 1901 vom Briten Frank Hornby (1863-1936) in England, der Keimzelle der Industrialisierung, gegründet. Angeblich als Weihnachtsgeschenk für Franks Kinder gedacht, ziert das Bild eines Krans die allererste, kommerzielle Meccano Spielzeugschachtel.
Die französische Marke Joustra („Jouets de Strasbourg“) startete 1934 als Gemeinschaftsunternehmen der Brüder Paul und André Kosmann. Zunächst konnten sie mit ihren kleinen Blechautomaten nur bescheidene Erfolge aufweisen. Nach dem 2. Weltkrieg erfuhr die Firma aus dem Elsass unter der Leitung ihres Direktors Guillaume Marx ein kräftiges Wachstum. Die Produktpalette wurde diversifiziert: elektrisches Spielzeug, kleine Spielzeugautos, amerikanische Limousinen und Spielzeugkräne beflügelten die Geschäfte von Joustra und machten Joustra in den 1950er Jahren zum Marktführer von Spielwaren in Europa. Über 30 Jahre war die Firma aus Straßburg der bedeutendste Hersteller von Spielzeugkränen, von denen das größte Modell eine stolze Höhe von 91cm vorweisen konnte. Typisch war der immer gleiche Kranführer, hergestellt aus gebogenem Blech, mit blauer Jacke und schwarzer Kappe. Die angedeuteten, nachgebildeten Nieten an den Verbindungspunkten sowie die an die Konstruktion des Eiffelturms erinnernden Strukturen, entliehen diese spielerischen Konstruktionen realitätsnah der industriellen Architektur.
Zwar fabriziert Joustra diese Kräne nicht mehr, gesammelt werden sie jedoch noch immer von Erwachsenen, und zwar mit der gleichen Leidenschaft, mit denen früher die Kinder mit ihnen gespielt haben.
Kultobjekte als Kapitalanlage – Preisentwicklung
Angesichts der großen Sorgen um unseren Euro ist es angebracht auch über Kunst, Antiquitäten oder Sammelobjekte wie zum Beispiel die Ikonen des Industrie-Designs als alternative Geldanlage nach zu denken. Genauso wenig wie der Preis des Barrel Erdöls oder der Stand des DAX‘ in einem Jahr vorhergesagt werden kann, kann man zuverlässige Aussagen über die Preisentwicklung von Antiquitäten machen. Aber zusätzlich zu einer möglichen monetären Rendite, erhält man bei Kunst und Antiquitäten auf jeden Fall eine emotionale Rendite, sprich Freude am Objekt, wie es Andreas Rapp, Leiter der Private Banking-Abteilung der Stuttgarter Privatbank Ellwanger & Geiger in der Süddeutschen Zeitung (Seite 24, 31.12.12/1.1.2013, Nr. 301) formulierte. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die meisten Objekte des Industrie Designs wie Stühle, Tische oder Leuchten im funktionstüchtigen Zustand auch einen praktischen Nutzen aufweisen.
Brigitte Durieux‘ Blick zurück in die Mitte der 1990er Jahre, als erste Begeisterte sich mit umgewidmeten Industrie Objekten als Einrichtungsgegenstände auseinander setzten, zeigt eine unglaubliche Preisentwicklung. Eine Lampe Jieldé, die inzwischen nur mehr für einige hundert Euros erhältlich ist, konnte man damals noch mit etwas Glück für gerade einmal 10 Franc, also etwa 1,50 €, erwerben. Ein Tolix Stuhl oder Hocker kostete damals etwa 30 Franc und liegt zurzeit ebenfalls im einige hundert Eurobereich. Für die Vorhersage des Verlaufs der weiteren Preisentwicklung sind diese Zahlen aber nur bedingt aussagekräftig, entscheidend bleibt das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage.