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Ingo Maurer intim. Design or what? – Teil 2

Ingo Maurer intim. Design or what?

Niedervolt – hoch spannend: YaYaHo

Ab den 1980er Jahren wurden Niedervolt-Seilsysteme als flexible und leicht handhabbare Beleuchtungssysteme hoch geschätzt. Keine Arztpraxis, kein Büro, kein Flur oder Wohnzimmer war ohne die stromführenden Stahlseile mit Niedervolt (meist 12V) Halogenleuchtmitteln denkbar. 

1984 kam Ingo Maurer als einer der Ersten mit dem Niedervolt-Lichtsystem „YaYaHo“ auf den Markt, viele andere Hersteller sollten ihm bald folgen. Die Idee dazu kam ihm früh morgens bei den Neujahrsfestlichkeiten nach dem Verlassen eines Lokals auf Haiti. Er bewunderte den aussichtslosen Kampf zweier 1500W Glühbirnen gegen das aufgehende Sonnenlicht. Fasziniert war er von der simplen Montage Idee – die Leuchtmittel waren einfach an 2 Drähten fixiert. Beim „YaYaHo“ werden zwei horizontale Metallseile, gespeist von einem Transformator, meist knapp unter der Decke gespannt und mit einer variablen Anzahl frei beweglicher und unterschiedlich gestalteter Halogenleuchtmittel  bestückt. Jedes Leuchtmittel kann individuell positioniert und ausgerichtet werden. Es bietet gleichzeitig Funktion und Freiheit. 

Im Juni 1985 installierte er YaYaHo in Paris im Centre Georges Pompidou für die Ausstellung „Lumières Je pense à vous“. Obwohl das genial einfache System zahlreiche Nachahmer fand, wurde Ingo Maurer dadurch nicht zum Millionär. Er hatte kein Patent dafür angemeldet, lediglich ein Gebrauchsmuster. 

Träume aus Japanpapier – Leuchten der MaMo Nouchies Serie

Die Lampenschirme der MaMo Nouchies Serie werden aus japanischem Papier aus Dagmar Mombachs Manufaktur solange aufwändig in Handarbeit mit mehreren Arbeitsschritten geformt bis sie die gewünschte Form annehmen. Damit ist jeder Schirm ein Einzelstück. Der Name MaMo Nouchies verweist auf Ingo Maurer und Dagmar Mombach und würdigt gleichzeitig das Universaltalent Isamu Noguchi (1904-1988), der schon Mitte des 20. Jahrhunderts Papierschirmleuchten Klassiker geschaffen hatte. Mit den MaMo Nouchies hat Ingo Maurer subtile Skulpturen aus Papier, Metall, Glas, Glasfaserblenden, Kunststoff, Edelstahl und bei einigen Stehleuchten mit kontrastierendem Beton als Sockel geformt. Auffallend schön sind die figürlichen MaMo Nouchies „Walking in the Rain“ (1998/2017) und „Samurai“ (1998).

Weitere Produkte

Die Auflistung aller von Maurer entworfenen Leuchten ist überwältigend.  Alle verbindet eine innovative, kreative und phantasievolle Gestaltung. Das aktuelle Angebot an Tischlampen, Hängelampen, Deckenlampen, Stehlampen, Systemen, Wandlampen, MaMo Nouchies, Einzelstücke und selbst die nicht mehr in Produktion befindlichen Modelle geben einen Überblick über das enorme gestalterische Werk Ingo Maurers.

Das aufkommende LED Zeitalter begrüße Ingo Maurer bereits 2001 mit dem Modell EL.E.DEE, die als erste LED-Tischleuchte in die Designgeschichte eingegangen ist. In der Folge entstanden weitere LED-Tische, LED-Bänke sowie LED-Tapeten und LED-Decken, in denen die Lichtquellen in der Fläche verteilt sind.

Die Zettel’z 5 ist eine ‚interaktive‘ Deckenleuchte, da sie der Besitzer selbst mitgestalten kann. Er kann sie voluminös und locker oder konzentriert und eng stecken.  Neben den 31 bedruckten Blättern aus transluzentem DIN A5 Japanpapier werden  49 unbedruckte Zettel mitgeliefert, auf denen der Nutzer mit eigenen Gedanken oder Zeichnungen die Leuchte individualisieren kann. Eine weitere Spielart ist die Zettel’z Laughing Buddha (1997/2018).

Ganz schön verdreht kommt die papierene Wandleuchte „Oops“ aus dem Jahr 2019, die sich durchaus auf ihren Vorläufer, die metallene „Flames“ Wandleuchte (1962) von Serge Mouille, berufen darf (Foto 23).

Kunst im öffentlichen Raum – Lichtinstallationen

Seit 1985 plante und realisierte Ingo Maurer auch Lichtinstallationen im privaten und öffentlichen Raum. Er schuf Lichträume, integrierte Objekte in Stadt und Land oder setzte gekonnt Architektur in Szene. Seine Projekte finden sich in Asien, Europa, der Karibik sowie Nord- und Südamerika. Beispiele dieser genialen Arbeiten sieht man aber auch in München.

Seit 1998 entwickelte Ingo Maurer mit seinem Team die Farb- und Lichtkonzepte für die U-Bahnhöfe Westfriedhof (1998), Münchner Freiheit (2008-2009), Marienplatz (2015) und Sendlinger Tor.

Für den japanischen Modedesigner Issey Miyake erschuf er 1999 eine Lichtinstallation für eine Modenschau in Paris und ein Lichtobjekt für dessen Londoner Showroom.

Auf dem Lester B. Pearson Airport in Toronto vertreibt seit dem Jahr  2003 die Installation

Earthbound – Unbound mit  einem großen Wasserbassin mit sich ständig bewegenden und schwebenden Elementen den Wartenden die Zeit im Terminal für internationale Abflüge.

Die imposante etwa 1.500 kg schwere Crystal Snowflake (2005) ist das Gegenteil einer leichten Schneeflocke und kann bei Unicef in New York bestaunt werden. Das Lichtobjekt mit einem Durchmesser von sieben Metern besteht aus beinahe 16000 Kristallen von Baccarat und leuchtet aus 16 Halogen-Metalldampf-Spots, 84 Halogen-Spots, 24 Stroboskop-Lichtern und 300 LED Blitzlichtern mit insgesamt 7.520 Watt. Trotz seines beeindruckenden Gewichts ist es von unglaublicher optischer Leichtigkeit.

Im Atomium in Brüssel entstand 2006 die Friendly Intrusion from Outer Space.

Die neue Linde Firmenzentrale in München zieren seit 2008 Lichtobjekte im Foyer und eine

spektakuläre Außenbeleuchtung mit einem speziellen, energieeffizienten Led-Modul, das nur die Laibungen der Fenster erhellt.

Noch im Jahr 2019 installierte Ingo Maurer die Silver Cloud im Residenztheater in München.

Die Natur des Lichts

Ingo Maurer ging es nie alleine um den Entwurf von Leuchten, vielmehr um die Gestaltung von Lichtverhältnissen. Seine Faszination dieses Mediums beschrieb er mit diesen Worten: „Ich glaube, Licht ist so geheimnisvoll, weil es sich so unglaublich schnell und auf so unterschiedliche Weise bewegen kann und man nie wirklich weiß, woher es kommt. Das mag ich sehr gerne.“

Licht ist wie Luft, nicht greifbar und trotzdem lebensnotwendig. Ohne Licht gäbe es keine Farben und keinen Schatten. Bereits die Abnahme des natürlichen Lichts zum November hin löst bei manchen Menschen den ‚Novemberblues‘ aus, der bei einigen bis zu einer Winterdepression führen kann. Licht ist nicht nur zum Sehen wichtig, vielmehr steuert es auch unsere Körperfunktionen. Lichtempfindliche Zellen auf der Netzhaut veranlassen die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin im Gehirn, das wiederum für die Produktion des für Schlaf und Erholung zuständigen Hormons Melatonin verantwortlich ist und die Schlaf- und Wachphasen steuert.

Physikalisch ist Licht als elektromagnetische Strahlung definiert, genauer der für das menschliche Auge wahrnehmbare Teil des elektromagnetischen Spektrums im Bereich der Wellenlängen zwischen ca. 380 und 780 nm, also zwischen der UV- und der Infrarot (Wärme-) Strahlung. Die vielfältigen Eigenschaften des Lichts lassen sich bisher von Physikern nur mit Hilfe zweier unterschiedlicher Modelle erklären, was diese als den Welle-Teilchen-Dualismus bezeichnen. Dies bedeutet, dass Licht sowohl als Teilchen (Photon) als auch als Welle betrachtet wird, je nachdem welchen Effekt (z.B. Brechung, Beugung oder Reflexion) es zu modellieren gilt.

Für den Leuchtendesigner sind vor allem zwei Eigenschaften des Lichts von Bedeutung. Die Reflexion erlaubt die Bündelung oder Streuung des Lichts bei entsprechend geformten Reflektoren. Die Brechung an der Grenzfläche zwischen zwei Medien unterschiedlicher optischer Dichte ermöglicht die Ablenkung des Lichtstrahls, was bei Leistungsstarken Spots zum Beispiel durch Fresnel-Linsen ebenfalls zur Bündelung des Lichts benutzt wird.

Kunstlicht

Unter Kunstlicht versteht man alles außer Tageslicht, das von der Sonne erzeugt wird. Frühe Kunstlichtspender waren Kerzen und Fackeln. Die Erforschung der Elektrizität verhalf der Glühbirne zu ihrem mehr als 100 Jahre dauernden Siegeszug. Sie ist wie die Kerze oder Fackel ein thermischer Strahler, bei dem ein Großteil der Energie in Form von Wärme verloren geht. Als Klima rettende Maßnahme wurde sie deshalb ab 2012 in der Europäischen Union verboten. Als Ersatz wurde zunächst die sehr umstrittene Energiesparlampe angepriesen, der aber eine Vielzahl gesundheitlicher Beeinträchtigungen zugeschrieben wurde. Inzwischen hat sich die LED (Leuchtdiode) als zuverlässige Alternative durchgesetzt. Sie produziert kaum Wärme, wodurch sie in etwa mit einem Zehntel der Leistung auskommt, die eine entsprechend helle Glühbirne benötigen würde. Möglich ist dies, da das Licht in diesen Halbleitern nicht durch die Hitze eines glühenden Drahtes entsteht. Mit der Vielzahl an Leuchtmitteln wurde es für den Verbraucher zunehmend schwieriger das richtige zu finden. Zu Zeiten der Glühbirne wusste man wie wenig hell eine 25 Watt Birne im Gegensatz zu einer grellen 100 Watt Birne leuchtet. Um die Helligkeit der unterschiedlichen Leuchtmittel zu vergleichen, muss der Lichtstrom (angegeben in Lumen) betrachtet werden. Ebenso wichtig ist die Farbtemperatur in Kelvin. Der Glühbirne am ähnlichsten sind LEDs mit 2700 Kelvin (warmweiß), die meistens im Wohnbereich eingesetzt werden. Je höher der Wert desto bläulicher und kälter erscheint das Licht. 

Kunstlicht ist eigentlich ein Werkzeug, in seiner extremen Formen als Laser schneidet es sogar Festkörper.

Die Halogenlampen sind kleine, starke, punktförmige Lichtquellen, deren starken Blendeffekt die Leuchte kompensieren muss.

Bei LEDs ist das Licht meist flächig und ausgebreitet. Die geringe Wärmeentwicklung der LEDs schont die Leuchten und gibt dem Designer größere Freiheiten beim Entwurf.

Licht = Lampe + Leuchte

Zur Erklärung dieser Gleichung hilft die Unterscheidung der Begriffe Lampe und Leuchte. Lampe bezeichnet das Leuchtmittel, also die Lichtquelle. Unter Leuchte versteht man die Umhüllung der Lampe (Ingo Maurer sprach allerdings immer von Lampen, wenn er seine Leuchten meinte!). Das Licht entsteht aus der Kombination Lampe und Leuchte.

Die Lampe definiert Eigenschaften wie die Farbtemperatur. Warmweißes Licht mit weniger als 3300K wird als gemütlich empfunden, kaltweißes Licht über 3300K wirkt anregend und eignet sich für den Arbeitsplatz. Durch Dimmer kann die Farbtemperatur bei Glühbirnen auf Kosten der Helligkeit „erwärmt“ werden.

Die Leuchte bestimmt die Lichtausbreitung, z.B. ob sie direkt oder indirekt erhellen soll. Das gelungene Zusammenspiel von Leuchtmittel und Leuchte erzeugt je nach Situation angenehme atmosphärische Stimmung oder zweckmäßige Helligkeit am Arbeitsplatz.

Die besondere Herausforderung beim Leuchten Design ist, dass die Leuchte nicht nur dem Zeitgeist (und im Idealfall darüber hinaus, was man dann zeitlos nennt) entsprechend gestaltet ist, sondern dass sie auch ihren jeweiligen Beleuchtungszweck erfüllt. An eine Arbeitsleuchte werden andere Anforderungen gestellt als an ein „atmosphärisches“ Raumlicht spendendes Leuchtenobjekt. Wie beim Möbeldesign müssen Form und Funktion passen! Wer wünscht sich einen stylish designten Stuhl, auf dem man nicht sitzen kann? Während jedoch ein bequemer Stuhl bequem bleibt, unabhängig ob er im Arbeits-, Wohn- oder Esszimmer steht, hängt die Lichtwirkung einer Leuchte stark von ihrer Umgebung und dem Raum ab. Eine zusätzliche Herausforderung für den Leuchten Designer.

Ingo Maurer Stil? – Versuch einer historischen Einordnung

Leuchten blicken in der Designgeschichte auf wenige Epochen zurück. Eine erste Blütezeit hatten sie im Jugendstil, der französischen Belle Époque. Vorwiegend florale, naturalistische Ornamente in mehrfarbigen Pâte de verre Glas waren stilprägend, sieht man von den strengeren Entwürfen des Wiener Jugendstils ab.

Die Begeisterung für Maschinen und Technik führte im Art Déco zu strengen geometrischen Formen. Die Namensgebung dieser Epoche erfolgte erst in den 1960er Jahren und bezieht sich auf die „Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ im Jahr 1925 in Paris.

Im anschließenden organmischen Midcentury runden sich die Entwürfe und werden durch Holz als zeittypischen Material wohnlicher. Die rebellischen 1960er Jahre werden wieder bunter und greller.

Ingo Maurer hat in über fünf Jahrzehnten ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Leuchten Designs geschrieben. Mal hat er Vorhandenes weiter entwickelt, meist aber gänzlich Neues geschaffen. Mitten im Pop-Art Zeitalter begann Ingo Maurer und erschuf seinen eigenen von hintergründigem Humor geprägten Stil. Inzwischen stößt man bei Leuchten Recherchen schon auf freche Nachahmer, die ihre Erzeugnisse mit der Bezeichnung „Ingo Maurer Stil“ aufzuwerten versuchen.