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Eames Furniture

The Story of Eames Furniture!

Im September 2010 erschien im Gestalten Verlag das Buch „The Story of Eames Furniture“, in dem Marilyn Neuhart auf 800 großformatigen, mit 2500 Bildern reich ausgeschmückten Seiten die Geschichte der Eames Möbel erzählt. Oder wie Charles Eames sich selber ausdrückte, wie Eames Möbel zu dem wurden was sie sind: Höhepunkte in der Designgeschichte der letzten beiden Jahrhunderte, die in einem Atemzug mit den Möbeln von Thonet, Marcel Breuer oder Mies van der Rohe genannt werden, um nur einige der wichtigsten Protagonisten des fortschrittlichen Möbeldesigns zu würdigen. Das Buch, das aus 2 Bänden in einem Schuber besteht, sprengt den Rahmen einer Biographie einer einzelnen Person und erweist sich als Biographie der einflussreichsten und wichtigsten Möbelstücke der letzten Jahrzehnte. Es beschreibt detailliert den Gestaltungsprozess im Eames-Büro und welche Designer und Auftraggeber jeweils involviert waren. Diese Klassiker des modernen Wohnens haben bis heute nichts von ihrer zeitlosen Aktualität eingebüßt, was ihre noch immer laufende Produktion beweist. Ihr kommerzieller und ästhetischer Wert sind auch lange nach ihrem Entstehen unbestritten.

Die Autoren

The Story of Eames Furnitureist bereits die vierte Veröffentlichung des Autorenpaars Neuhart zum Thema Eames. 1976-77 wurde zu ihrer Ausstellung „Connections: The Work of Charles and Ray Eames“ der Katalog an der UCLA (University of California at Los Angeles) vorgestellt. Das zweite Werk „Eames design“ reiht chronologisch die zwischen 1941 und 1978, dem Todesjahr von Charles Eames und damit dem kreativen Ende des Eames Büros, alle Produktionen auf. Die dritte Publikation namens „Eames House“ beschäftigt sich mit dem Design und der Konstruktion des 1949 erbauten privaten Domizils des Ehepaars Eames in Pacific Palisades, einem Meilenstein der modernen Architektur (das Haus wird heute von der Eames Foundation unterhalten und kann nach Voranmeldung von außen besichtigt werden).

Mit diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die Neuharts seit den 1950er Jahren in verschiedenen Funktionen mit dem Ehepaar Eames, das sie 1952 als junge College-Studenten kennengelernt hatten, und dem Eames Büro zusammengearbeitet haben, gewährt das vorliegende Buch einen detaillierten Blick hinter die Kulissen des Mythos‘ Eames, wie sie nur von beteiligten Zeitzeugen erwartet werden dürfen. Marilyn Neuhart hat in den letzten 15 Jahren ihre Erinnerungen sowie die gesammelten Geschichten und Bilder von Mitgliedern des Eames-Designteams zu diesem einmaligen und kenntnisreichen Werk verdichtet.

Dabei diente ihr ihr Mann John Neuhart, der von 1957 bis 1961 im Eames Büro gearbeitet hat und später als freier Mitarbeiter diesem weiterhin verbunden blieb, als unschätzbare Quelle.

Charles und Ray Eames

Betrachtet man die Designgeschichte der letzten beiden Jahrhunderte, so ist diese im Wesentlichen von Männern, selten von Frauen (Eileen Grey) und praktisch nie von (Ehe)-Paaren (mit wenigen Ausnahmen wie Lilly Reich und Mies van der Rohe) geprägt. Wenn man, wie Marilyn Neuhart, unter Design die Verschmelzung von Ästhetik und Technologie versteht, konnte aus der Verbindung von Charles und Ray Eames nur Design auf höchstem Niveau hervorgehen.

Charles Ormand Eames wird am 17. Juni 1907 in St. Louis/Missouri geboren. Da er sich früh für Architektur und die Ingenieurskunst interessiert, beginnt er ein Architekturstudium an der Washington University in St. Louis. Bereits 1930 im Alter von 23 Jahren eröffnet er sein eigenes Architekturbüro, allerdings ohne abgeschlossenes Studium. Sein Talent als Designer beweist er 1940 zum ersten Mal, als er und Eero Saarinen mit komplex verformten Schichtholz-Entwürfen die beiden ersten Preise des „Organic Design in Home Furnishings“-Wettbewerbs des Museum of Modern Art in New York gewinnen. Noch im selben Jahr avanciert er zum Leiter der Abteilung für Industriedesign der Cranbrook Academy of Art.

1941, im Jahr des Kriegseintritts der USA, heiratet er zum wiederholten, aber letzten Mal. Ray Kaiser, die 1912 in Sacramento geboren wurde und in den 1930er Jahren Malerei in New York studiert hatte, lernte er als Assistentin beim „Organic Design in Home Furnishings“-Wettbewerb kennen. Mit ihr entwirft er während des Zweiten Weltkriegs im Auftrag der Regierung der USA und diversen Flugzeugherstellern kriegswichtige Produkte wie Flugzeugteile, Beinschienen (splints) und Tragen für Verletzte aus Schichtholzplatten, die mittels eines speziell entwickelten Verfahrens dreidimensional verformt wurden. Wie schon ein Jahrhundert vorher Michael Thonet mit Hilfe von Dampf massives Buchenholz zu Bauteilen von Möbeln verformt hatte, nutzen die Eames den Dampf zur Verformung von Schichtholz. Darunter versteht man Holzplatten aus mindestens drei verleimten Holzlagen, deren Faserverlauf unter einem Winkel von 90° gedreht wird. Mit den gewonnenen Erfahrungen und der sicheren Beherrschung der Verformungstechnik des Schichtholzes, waren die später folgenden Möbelentwürfe der so genannten Plywood group wie DCW (Dining Chair Wood) und LCW (Lounge Chair Wood) aus diesem Material logische Konsequenz. Diesen folgten die organischen Formen aus Fiberglas.

Während der Zusammenarbeit mit der Firma Herman Miller entwirft das Ehepaar Eames nicht mehr nur die Möbel, sondern konzipiert auch alles, was zum Marketing gehört, wie die Verpackungen oder die Hänge-Etiketten.

Kontrovers wird der Beitrag beider zum gemeinsamen Werk diskutiert. Häufig nimmt man an, dass der Anteil am Erfolg des durch seine öffentlichen Auftritte mehr im Rampenlicht stehenden Charles Eames gegenüber dem von Ray Eames gerne überschätzt wird. So liegt die Vermutung nahe, dass der technische Teil, sozusagend das engineering, mehr dem Architekten Charles und der künstlerische Part mehr der bildenden Künstlerin Ray zukam.Auch hierüber klärt das Buch auf und bewertet kritisch beider Arbeit.

Schließlich waren da aber auch noch die weiteren Mitglieder des Eames-Büros, mit denen es das Ehepaar Eames durch die intensive und sich ständig hinterfragende Teamarbeit schaffte, die theoretischen Vorgaben des deutschen Bauhauses, der Design-Schule schlechthin, in wirtschaftlich rentablen Großserien zu verwirklichen. Der Erfolg ihrer Entwürfe basiert in vielen Fällen neben ihrem modernen Gestaltungskonzept auch auf der akribischen Entwicklung und Perfektionierung von Fertigungsverfahren.

Charles Eames und seine Frau Ray hinterließen der Nachwelt nicht nur Design-Ikonen der Möbelgestaltung, sondern auch hervorragende Beispiele modernen Architektur. Darüber hinaus beschäftigten sie sich mit der Konzeption von Ausstellungen sowie der Fotografie, dem Film und Multimedia-Präsentationen. Charles und Ray Eames waren maßgebliche Wegbereiter des „Modern Style“ im Nachkriegsamerika, ihre funktionalen und ästhetischen Entwürfe inspirieren noch heute junge Designer.

Book 1: The Early Years

War die ursprüngliche Intention der Autorin die fundamentalen Grundlagen der Möbel einschließlich der Materialien, Dimensionen und Fertigungsprozesse zu beschreiben, stellte sie bald fest, dass der spannendere Teil die Menschen dahinter sind, neben Charles und Ray Eames die Schlüsselfiguren des Designteams wie Eero Saarinen, Harry Bertoia oder Herbert Matter. So verlagerte sie ihre Aufmerksamkeit mehr zu diesen und ihrer täglichen Design-Arbeit. Trotzdem finden sich auch alle wichtigen Informationen über Produktionsdetails, wie sie besonders von Sammlern und Händlern geschätzt werden. So werden die wichtigsten Änderungen in der Evolution der einzelnen Möbel beschrieben, die vom Eames-Büro dokumentiert wurden. Es gab aber auch minimale Änderungen in den Fertigungslinien von Herman Miller zur Lösung kleinerer Herstellungsprobleme, die oft nicht dem Eames-Büro zur Kenntnis gebracht wurden und somit im Buch fehlen.

Der erste Band erzählt aus den Anfangsjahren des Eames Büros und beginnt mit der Beschreibung seines Gebäudes am 901 West Washington Boulevard, heute 901 Abbott Kinney Boulevard, in Venice im westlichen Teil des Los Angeles County. Das Bild eines Modells zeigt im Buch die innere Aufteilung und Funktionen des Gebäudes im Todesjahr von Charles. Viele weitere Bilder geben Einblick in die aufgeräumte Geschäftigkeit des Design-Büros und in den Arbeitsalltag der Kreativen.

Dann folgt der Versuch die Persönlichkeiten Charles und Ray Eames zu beschreiben, die sich im richtigen Moment trafen, um gemeinsam Design-Geschichte zu schreiben. In ihrem Leben wurde nichts dem Zufall überlassen, sie „designten“ alles bewusst, neben den Objekten selbst auch ihr öffentliches Erscheinungsbild. So ist die offizielle Biographie von Charles laut Marilyn Neuhart angeblich ein geschöntes Dokument mit ungenauen Daten und „vergessenen“ Ereignissen, wie die Gründe für den Abbruch seines Architekturstudiums, sein unstetes Leben in den von der wirtschaftlich Depression gelähmten 1930er Jahren und seine diversen Hochzeiten. Der berufliche und persönliche Wendepunkt war sein Eintritt in die Cranbrook Academy im Jahr 1938, der damit verbundene Beginn seiner Freundschaft mit Eero Saarinen und dessen Familie, und schließlich Ray Kaiser. Mit ihr als seiner Ehefrau „floh“ er – angeblich – 1941 von Cranbrook zu einem Neubeginn nach Los Angeles und ließ seine „wilden“ 1930er Jahre und viele gebrochene Frauenherzen zurück.

In der Einleitung zu den wichtigsten Ereignissen in Ray Eames‘ Biografie findet Marilyn Neuhart offene Worte, die den charismatischen und zielbewussten Charles als alleinigen Ursprung des Erfolgs der Marke „Eames“ preisen. Die ehemaligen Mitarbeiter und vertrauten Kunden hätten nach Rays Tod schmerzlich feststellen müssen, dass sie mit Charles mehr und mehr auf eine Stufe gestellt wurde und dies zu korrigieren sei. Schließlich sei letztendlich Charles allein das Eames Büro gewesen. Zwar lieferte auch Ray mit ihrem dekorativen Feinsinn und Farbgefühl einen begrenzten Beitrag zu den Projekten, in erster Linie unterstützte sie aber Charles und seine Arbeit. Die Fähigkeit hinter ihm zurückstehen zu können zusammen mit dem nicht unerheblichen Erbe der Alexandra Bernice Kaiser, wie Ray ursprünglich hieß, mag Grund für die schnelle Scheidung des unter chronischem Geldmangel leidenden Charles, wie Ex-Kollegen von Cranbrook bestätigen, und die kurzfristige Heirat mit Ray am 20. Juni 1941 sein. Der Verzicht auf Kinder war ein Beschluss von Charles, der in diesen nur lästige Störungen seines Arbeitslebens sah. So wurde Ray nicht Mutter, aber eifrigste Beschützerin und Unterstützerin von Charles, sensibel für Gefährdungen von Charles‘ Interessen. Charles sei ihr Lebenssinn gewesen, und selbst als er seine amourösen Abenteuer nach einigen Ehejahren wieder aufnahm, änderte sich daran nichts bei ihr. Als Charles starb, war eine ihrer ersten Reaktionen: „It’s all over.“

Das Team und der Design-Prozess

Für ihre Mitarbeiter waren die Eames bewunderte, aber auch fordernde, schwierige und bestimmende Vorbilder. Auf eigenen Wunsch ausscheidende Mitglieder erhielten den Status eines Exkommunizierten und wurden laut Neuhart behandelt, als ob sie mit dem „Familienschmuck“ durchbrennen wollten. Im Laufe der 36 Jahre (1942 – 1978) durchliefen hunderte Ambitionierte das Eames Büro, manche blieben nur für Stunden, andere für Jahre. Auf fast 200 Seiten zeichnet Marilyn Neuhart das Bild von 22 Personen, die mit ihren ästhetischen oder technischen Fähigkeiten das Werk von Eames entscheidend unterstützten. Darunter finden sich so prominente Namen wie Eero Saarinen oder Harry Bertoia.

Wenn Charles Eames die Design-Prozesse mit „Wir haben…“ beschrieb, so benutzte er das „Wir“ nicht in der Funktion des pluralis majestatis, sondern in der demokratischen Bedeutung, die die kumulativen Anstrengungen vieler Beteiligter widerspiegeln sollten. Am Anfang eines neuen Produkts verbalisierte Charles gegenüber seinen Mitarbeitern das Ziel. Er beschrieb es in Worten anstatt es zu zeichnen, um ihnen nicht von vornherein eine Richtung zu weisen. Das Eames Büro war geprägt von Charles‘ puritanisch calvinistischer Philosophie und Arbeitseinstellung. Sein Design Credo “If it isn’t functional, it isn’t beautiful” lebt in seinen Entwürfen fort.

Die letzten 3 Kapitel des ersten Bandes sind der Entwicklung der Schichtholz Möbel gewidmet. Erste Experimente nach der Ankunft in Los Angeles 1941, dann die Beschreibung der geformten Schichtholz Verbandsschienen und der Flugzeugteile in den Kriegsjahren bei Edward S. Evans. Und schließlich die Entwicklung bzw. Produktion der experimentellen Schichtholz Stühle, der Kindermöbel und –spielzeugtiere, der Schichtholz Tische, der Schichtholz Paravents und der Schichtholz Radiogehäuse in der Zeit von 1944 – 1949.

Book 2: The Herman Miller Age

Der erste Band erzählt die verschiedenen abrupten Brüche im Leben von Charles Eames und wie die Schichtholzmöbel, gestalterisch angestoßen durch den MoMA Wettbewerb „Organic Design in Home Furnishings“ und technisch wie handwerklich unterstützt durch die Erfahrungen mit der Verbandsschienenproduktion bei Evans, entstanden.

Der zweite Band deckt die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu Charles Eames‘ Tod im Jahr 1978 und dem damit verbundenen Ende der Blütezeit des kreativen Schaffens im Eames Büro ab. Die ausführliche Beschreibung, damals neuer, zukunftsweisender Fertigungs-prozesse, die für die Verarbeitung so innovativer Materialien im Möbelbau wie Fiberglas, Draht und Aluminium erst entwickelt werden mussten, weitet den Blick vom rein ästhetischen Gefallen auf die schwierige Lösung der technischen Probleme. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wie sich im Gegenzug aus den Möglichkeiten der neuen Technologien einzigartige Möbelentwürfe heraus kristallisierten.

Zunächst beschreibt der zweite Band die Anfänge der Zusammenarbeit von Evans Products und der Herman Miller Furniture Company. Letztere sollte für die weitere Entwicklung der Möbelentwürfe aus dem Eames Büro eine maßgebliche, positive Rolle spielen. Intensiv wird deshalb das Verhältnis des Eames Büros zur Herman Miller Furniture Company mit ihrem Chef D.J. De Pree ausgeleuchtet, die sich durch die Finanzierung sämtlicher Entwicklungen und Prototypen als bedeutendster Förderer von Charles und Ray Eames hervor tat. Darüber hinaus fertigte und vermarktete das Unternehmen alle Möbelentwürfe des Eames Büros ab 1949.

Der Übergang von Evans Products Company zur Herman Miller Furniture Company

Das Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch einen deutlichen Rückgang der Produktion kriegsrelevanter Produkte bei Evans. Aus der Schnittmenge der Eames’schen Erfahrungen im Schichtholz Möbeldesign anlässlich des MoMA Wettbewerbs 1940 und des bei Evans erworbenen Know-hows zur Verformbarkeit von Schichtholz, entstehen nach dem Krieg legendäre Entwürfe wie z.B. der Lounge Chair Wood (LCW). Nachdem der beim MoMA vorgestellte Organic chair sich wegen seiner einteiligen Sitzschale als zu kompliziert für die Serienproduktion erwiesen hatte, teilte Eames beim LCW die Sitzfläche und die Rückenlehne; beide Teile wurden dann mit Gummischeiben, den shock mounts, an die Holzgestelle montiert.

Als diese organischen Schichtholzmöbel in großen Stückzahlen auf den Markt gebracht werden sollten, sah sich Evans Products nach einem, in dem von Evans als problematisch empfundenem Möbelgeschäft, erfahrenen Partner um. Herman Miller konnte sich gegen weitere interessierte Mitwerber durchsetzen und auch firmeneigene Bedenken ausräumen, wie z.B. die potentiell entstehenden Probleme neben dem bereits engagierten und etablierten Designer George Nelson einen zweiten in die Produktions- und Marketingbereiche zu integrieren. Bei Herman Miller erkannte man jedoch schnell die Chance, durch die Zusammenarbeit mit Evans und Eames der wichtigste Hersteller moderner Möbel zu werden. Wie gut sich die Möbel von Eames und Nelson ergänzten, zeigt die Aufnahme einer Zusammenstellung verschiedener Exemplare der beiden, zusammen mit Entwürfen von Saarinen in einem Bericht des Magazins „Playboy“ im Juli 1969 [s. Bild 27].

Am 26. Juni 1946 wurde Charles vom Evans Management informiert, dass Herman Miller ausgewählt wurde, zunächst die Montage der bei Evans vorgefertigten Einzelteile sowie den Vertrieb der fertigen Möbel zu übernehmen. Es sollte jedoch noch bis zum 21. Oktober 1946 dauern, bis die letzten Details geklärt und ein unterschriftsreifer „temporärer“ Vertrag von beiden Firmen akzeptiert wurde. Herman Miller wurde der exklusive Vertrieb der von Charles Eames entworfenen Möbel garantiert. Der Vertrag beinhaltete die Möbel mit den Produktnamen LCW-1, DCW-1 (dining chair wood), screen (Paravent), CTM-1 (Coffee-table, metal legs) und CTW-3 (Coffee-table; wood legs) der Evans Products Company. Eine Preisliste wurde beigefügt, die festlegte, welchen Betrag Herman Miller an Evans zahlen musste und wie teuer sie verkauft werden sollten; beide Werte lagen über den früheren Schätzwerten. Da die Produktion noch immer im kalifornischen Venice statt in der neuen Evans Fabrik in Grand Haven, nur 30km vom Herman Miller Standort Zeeland entfernt, angesiedelt war, konnten die angestrebten Stückzahlen bei weitem nicht erreicht werden. Dies erforderte wiederum einen Wechsel in der Marketing Strategie nach dem Motto: klein, aber fein! Statt eines flächendeckenden Verkaufs empfahl George Nelson über die 3 Showrooms (Los Angeles, New York City und Chicago) fürs Erste nur ausgewählten Architekten die Möbel anzubieten, und zwar solange, bis ab dem Sommer 1947 Grand Haven die volle Produktion aufnehmen konnte. Diesen selektiven Verkauf begleitende Anzeigenkampagnen sollten dafür sorgen, dass bis zum Start der Grand Haven Fabrik die Aufmerksamkeit der Käufer auf die Eames Möbel gelenkt wurde, was wiederum auch allen anderen Herman Miller Produkten zu Gute kam. Die Modelle wurden begeistert aufgenommen, zahlreiche Bestellungen u.a. vom Designer Raymond Loewy oder Regisseur Billy Wilder konnten verzeichnet werden. Jedoch, aller Anfang ist schwer und so konnte die im Januar 1947 optimistisch geschätzte Tagesproduktion von 50 kompletten Einheiten nicht erreicht werden; Schichten trennten sich, Holz zerbrach und die shock-mounts Verbindungen fielen ab. Die Probleme wurden nach und nach gelöst. In den beiden nächsten Jahren zogen Fertigung und Montage nach Grand Haven um, die Auftragsbücher füllten sich. 1949 besann sich Evans Products auf die Konzentration auf sein Kerngeschäft und verkaufte Rechte, Patente, Werkzeuge und Maschinen an Herman Miller.

The Case Study House Program – zukunftsweisende Architektur

John Entenza (1903 – 1984), der Herausgeber der Arts & Architecture Zeitschrift und langjähriger Förderer von Charles Eames, erkannte den bevorstehenden notwendigen Wandel im Haus- und Städtebau, der durch die veränderten Lebensbedingungen während der Kriegsjahre erforderlich und mit den neu entwickelten Technologien möglich war. In der Januar Ausgabe des Jahres 1945 präsentierte Arts & Architecture das Case Study House Program, an dem zunächst acht Architekten, darunter Charles und Eero Saarinen als Team, teilnahmen und dem sich in den folgenden Jahren viele weitere Architekten anschlossen. Charles hatte es allein der großen Wertschätzung Entenzas zu verdanken, dass er als einziger ohne anerkannten Architekturabschluss und mit geringer Erfahrung im Häuserbau, teilnehmen durfte. Ziel des Programms war es zunächst 8 Häuser zu entwerfen und zu bauen, „die jeweils einer speziellen Wohnsituation in Südkalifornien entsprechen sollten“. Bis Ende 1945 waren etliche Pläne in Arts & Architecture publiziert worden, im Dezember 1945 präsentierte das Eames-Saarinen Team die Pläne für Haus #8 und Haus #9. Beide waren auf die individuellen Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten, das Fallstudien Haus #8 aus Glas und Stahl für den kinderlosen und arbeits-orientierten Lebensstil des Ehepaars Eames, Haus #9 für das Junggesellenleben John Entenzas. Beide lagen nebeneinander auf einem großen Grundstück in Pacific Palisades, das Entenza erworben hatte. Das Eames Haus namens „Bridge House“ besteht aus zwei verglasten Quadern, die Stahlrahmen waren vorgefertigt und wurden erst auf der Baustelle zusammen montiert. Das Haus, mit seiner von Mondrian inspirierten Fassade, steht als beispielhaftes Modell für die kostengünstige Fertigung aus standardisierten Bauteilen. Die Massenproduktions-Tauglichkeit dieser Vorgehensweise korrespondiert mit der Massenproduktion der Möbel, beide ermöglichten niedrige Kosten bei hoher Design-Qualität. Als Entenza im Jahr 1952 finanzielle Probleme widerfuhren und er seine finanziellen Verknüpfungen mit Eames überprüft hatte, kam es zum Bruch zwischen beiden und zum Ende einer in Charles‘ Karriere bedeutenden Beziehung. Insgesamt lief das Programm bis 1966 und brachte 23 Häuser hervor, die sowohl die nationale als auch die internationale Architektur beeinflussten.

Die Fiberglas Gruppe

Erneut war es ein MoMA Wettbewerb („International Competition for Low Cost Furniture“, 1947/48), der Design und Produktion von günstigen modernen Möbeln stimulierte. Der nach dem 2. Weltkrieg herrschende Wohnraummangel erforderte effiziente und den kleineren Maßstäben der verfügbaren Appartements und Häuser angepasste Möbel. Das MoMA bat um die Einreichung von Entwürfen, die dieser Anforderung entsprachen und zugleich bequem, aber nicht ausladend, gut entworfen, aber moderat im Preis, sowie leicht zu bewegen und zu lagern waren. Ein Lösungsansatz von Charles Eames waren organisch geformte Sitzschalen aus gedrücktem Metall, wobei er auf die Technologie der Detroiter Autohersteller zurückgreifen wollte. Da aber eine einteilige Sitzschale nicht herstellbar war, das Metall durch seine ausstrahlende Kälte als unbequem empfunden wurde und deshalb eine zusätzliche Beschichtung erforderte, und schließlich die Firma Herman Miller vor den gewaltigen Investitionen in Maschinen für die Fertigung zurückschreckte, musste ein anderes Material gefunden werden. Laut George Nelson war er es, der das „Wundermaterial“ Fiberglas dem Eames Büro empfahl. Unter Fiberglas versteht man glasfaserverstärkten Kunststoff (engl. GRP – glass-fibre reinforced plastic), der, vor und während des 2. Weltkriegs entwickelt, noch kaum für zivile Produkte verwendet wurde. Vorteile dieses Werkstoffs waren seine Leichtigkeit, Robustheit und angenehme Oberfläche. Die Firma Zenith Plastics aus Gardena (Kalifornien) startete ab 1950 für Herman Miller die Serienproduktion von Sitzschalen, den bis dahin größten Objekten aus in Formen gegossenem Fiberglas an der Westküste.

In diesem Zusammenhang unterstreicht Marilyn Neuhart die Bedeutung eines Mitarbeiters, Don Albinson. Von 1947 bis 1959, dem wohl produktivsten Abschnitt des Eames Büros in Bezug auf Möbeldesign, trieb er die Prototypen Entwicklung voran und kompensierte Charles‘ schwindendes Interesse an den Möbeln (die Einnahmen aus dem Möbelgeschäft unterstützten aber Charles‘ Film- und Ausstellungsprojekte). Als besondere Stärke des Designers Don Albinson wird seine detaillierte Kenntnis von Konstruktionstechniken und Produktionsprozessen genannt.

Beim „Low cost furniture“ Wettbewerbs des MoMA erreichten die Fiberglas Sessel, die in Zusammenarbeit des Eames Büros und seinem Partner aus der Ingenieurwissenschaften Abteilung der UCLA (University of California, Los Angeles)entstanden, den zweiten Platz. Darunter befand sich auch der La Chaise Sessel, ein asymmetrisches ausladendes Sitzmonstrum aus Fiberglas, das einer wesentlichen Intention – Kompaktheit – des Wettbewerbs eigentlich widersprach. In Serie produziert wurde dieses Modell erst in den 1990er Jahren.

Für die erste Vorserien-Produktion eines Fiberglas Sitzmöbels wurde stattdessen der Sessel mit hochgezogenen Armlehnen von der Firma Herman Miller ausgewählt. Die Produktion startete im Frühjahr 1950, gerade rechtzeitig zur Ausstellung der Exponate des „Low cost furniture“ Wettbewerbs ab dem 17. Mai 1950, und damit endlich auch zur Präsentation in den Herman Miller showrooms.

In diesem Kapitel erfährt man sehr detailliert von Marilyn Neuhart, welches die Hintergründe für die Entwicklung der Eames’schen Fiberglas Sessel waren und wie die beteiligten Akteure und Firmen interagierten. Die vielen Originalaufnahmen an den Produktionsstätten erklären sehr anschaulich die Herstellung der Fiberglas Schalen.

Ab 1951 gehen diverse Fiberglas Stühle (side chair) in Produktion, montiert auf verschiedenen Untergestellen wie der H-base, der X-base, dem Drahtkäfiggestell (wire cage base), der rocker base (Schaukelstuhl), der Eiffel tower base mit den vielen Verstrebungen oder den Holzbeinen mit Drahtverstrebungen (wire strut). Diese fanden auch beim Sessel mit den hochgezogenen Armlehnen von 1950 Verwendung. Teilweise wurden die Fiberglasschalen zusätzlich mit gepolsterten Überzügen ausgestattet. Das Buch geizt auch hier nicht mit Bildmaterial; Konstruktionszeichnungen erschließen technische Details, Farbaufnahmen zeigen die Schönheit der Strukturen im Fiberglas.

Die Draht Gruppe

Im Bestreben einen funktionalen, stabilen und leichten Stuhl zu bauen, war eine Strategie so viel Material wie möglich einzusparen. Dies konnte mit gebogenen und verschweißten Drahtschalen erreicht werden, die im Ergebnis wie die Fiberglasschalen einteilig Sitz- und Rückenteil vereinten. Mit Hilfe eines Kontaktschweißverfahrens wurden die Drähte dauerhaft miteinander verbunden. Ab 1951 verließ das Modell mit verschiedenen Untergestell Varianten, wie schon bei den Fiberglas Stühlen eingeführt, und mit bzw. ohne Polsterung die Serienproduktion bei Herman Miller.

Neben den anerkannten Klassikern stößt man in dem Buch auch auf wenig bekannte, weil nicht in Serie produzierte, Objekte wie das Wire Sofa von 1951. Trotz seines do-it-yourself Designs, das – wie bei IKEA – die Endmontage durch den Kunden vorsah, erschienen die Produktionskosten wegen des hohen Arbeitsstundenanteils zu hoch und damit zu riskant, um sich auf den Markt zu wagen. Seine leicht plump wirkende Erscheinung wurde durch die filigrane Bauart kompensiert; man erwartete fast, dass sich im nächsten Moment einer der 4 Holzschienenfüße einem Roboter ähnlich in Bewegung setzt. Die Form des Wire Sofa findet sich bei dem Sofa Compact von 1954 wieder, das sich als technisch vereinfachte Version des Wire Sofa zum Eames Klassiker entwickelte und noch immer erhältlich ist.

Der Lounge Chair mit Ottoman von 1956

Spricht jemand von dem „Eames Stuhl“, so meint er eigentlich einen Sessel oder genauer eine geniale Holz-Leder-Kombination, die Charles jahrelang als der wirklich bequeme Sessel vorgeschwebt war. Das Grundkonzept geht noch auf die Eames-Saarinen Teilnahme am „Organic Design in Home Furnishings“-Wettbewerb im Jahr 1940 zurück, erste Verformungsversuche für die erforderlichen Schichtholzschalen unternahm bereits Harry Bertoia um 1943/44. Er reiht sich nicht bei den anderen low-cost Möbeln der Eames’schen Design-Schmiede ein, erfordert seine Herstellung doch eine Vielzahl nicht zu automatisierender Handgriffe sowie fast 20 unterschiedliche Haupt-Baugruppen. Im Lounge Chair lebt der traditionelle Clubsessel u.a. durch die klassische Knopfelement Lederpolsterung weiter, der besonders in Frankreich und England beliebt war.

Das Grundgerüst des Lounge Chair bilden die drei Schichtholzschalen, die über die üblichen shock mounts (Hartgummischeiben) mit den metallischen Bauteilen verbunden werden. Die elastisch gelagerten Armlehnen verbinden den Sitz und die untere Rückenschale. Das stabile Untergestell mit fünf Beinen aus Aluminiumdruckguss erlaubt den Stuhl zu drehen. Der Sitzkomfort wird durch den zugehörigen Ottoman perfektioniert. Er besteht aus einer an zwei Rändern seitlich hochgezogenen Schichtholzschale und ruht auf einem fast identischen, aber nur vierbeinigen Aluminiumdruckgussgestell.

Aluminium Group aus dem Jahr 1958

Die Stühle aus Aluminium stellen neben Schichtholz, Fiberglas und Draht die vierte Hauptkategorie der Eames‘schen Entwürfe dar. Aluminium ist neben Kunststoff das Material des 20. Jahrhunderts und beeindruckt wie dieses durch eine unglaubliche Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten. Von der Alu-Folie für Lebensmittel bis zum Flugzeugbau findet dieses leichte und gut formbare Metall in unzähligen Produkten Verwendung. Zwischen 1937 und 1957 hatte sich der Rohstoffpreis von Aluminium um 90% reduziert, 1968 kostete das Pfund Aluminium nur mehr 0,26 Dollar gegenüber 11 Dollar im Jahr 1868.

Die Idee zur Entwicklung eines Stuhls, der sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich geeignet sein sollte, wurde bei einem Fotoshooting Anfang 1957 für eine ALCOA (Aluminium Company of America) Werbung geboren. Der Designer Alexander Girard klagte gegenüber Charles, dass er für ein aktuelles Einrichtungsprojekt keine gut designten und funktionalen outdoor Möbel findet. Da weder die Schichtholz- noch die Glasfaserstühle über längere Zeit Wind und Wetter standhalten konnten, skizzierte Charles seine Ideen zu einem für Innen wie Außen verwendbaren Stuhl seinem Team im Eames Office. Als Grundmaterial des Gestells einigte man sich schnell auf Aluminium, das Witterungsbeständig, durch geringen Materialeinsatz leicht zu tragen und erschwinglich war. In Rekord verdächtiger Zeit von weniger als einem Jahr brachte das Team um Don Albinson den Stuhl vom Entwurf zur Produktionsreife. Das Grundprinzip der Konstruktion beruht auf der tragenden textilen Sitzschale, ähnlich den mit Eisengarn bespannten Stahlrohrfreischwingern der Firma Thonet aus den 1930er Jahren. Bei den Aluminium Stühlen der auch „Leisure Group“ genannten Produktgruppe, wird die gegen Durchsitzen durch horizontale Nähte versteifte textile Schale zwischen zwei gegossenen Aluminiumrahmen eingespannt. Die sichtbaren, elegant geformten Spangen im Rücken- und Sitzbereich gehören zu der Spannkonstruktion und unterstreichen das filigrane Erscheinungsbild. Über die Jahre entstand basierend auf den gleichen Einzelteilen und mit dem gleichen Konstruktionsprinzip eine breite Produktpalette bestehend aus Büro-, Konferenz- und Lounge Stühlen sowie Hockern.

Charles Eames stand Zeit seines Lebens mitten im gesellschaftlichen Leben. So findet sich der „Playboy“ Charles Eames auch in der Juli Ausgabe des Jahres 1969 des gleichnamigen Herrenmagazins als Teil eines doppelseitigen Fotoportraits mit George Nelson, Edward Wormley, Eero Saarinen, Harry Bertoia und Jens Risom. Der Bericht über das Gipfeltreffen der wichtigsten, konkurrierenden zeitgenössischen Designer lobte die gelungene Kombination von Funktion und ästhetischer Freude in ihren Entwürfen.

Das Buch von Marilyn Neuhart würdigt die innovative kulturelle Leistung von Charles und Ray Eames, die Welt ein kleines bisschen schöner gemacht zu haben. Im Weiteren wird es spannend sein, die durch das Buch angestoßene Diskussion um die Gewichtung der Bedeutung von Charles und Ray Eames am gemeinsamen Werk zu verfolgen.

The Story of Eames Furniture

By: Marilyn Neuhart with John Neuhart
Price: € 150.00 / $ 199.00
Format: 25.5 x 29.2 cm
Features: 800 pages, full color, hardcover, 2 volumes in slipcase
ISBN: 978-3-89955-230-0