Charlotte Perriand wurde am 24. Oktober 1903 in Paris in ein Jahrhundert hinein geboren, in dessen Verlauf sich die beruflichen Möglichkeiten für Frauen erst noch entwickeln mussten. Nach ihrem, für Frauen in dieser Zeit noch ungewöhnlichem Studium der Innenarchitektur, beginnt die junge Designerin mit dem Entwurf von Möbeln und arbeitet auf den bis dahin den Männern vorbehaltenen Gebieten Architektur und Design. Politisch ist sie im linken Spektrum aktiv und engagiert sich zeitlebens für sozial Schwache. Statt mit politischen Demonstrationen erobert sie sich durch die Demonstration ihres Könnens und ihrer Kreativität ihren verdienten Platz in den Reihen der führenden Designer des Zwanzigsten Jahrhunderts. Den Beginn ihrer einzigartigen Karriere markiert die zehnjährige Zusammenarbeit mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret ab 1927. Ihre große Leidenschaft ist das Reisen, ihre Liebe gehört den Bergen. Zwar gibt es schon zahlreiche Veröffentlichungen über diese außergewöhnliche Frau, der dreiteilige Band des Autors Jacques Barsac beschreibt erstmals in derart umfassender Weise das Leben und Wirken dieser Persönlichkeit der klassischen Moderne. Der erste Teil ist im Frühjahr 2014 erschienen und berichtet über ihre Kindheit und Jugend, ihre Ausbildung und ihr frühes Schaffen als Entwerferin bis 1940. Darin geben zahlreiche ihrer Zeichnungen, Entwürfe und Fotografien einen Einblick in die Zeit und dokumentieren ihren Weg zu einer international anerkannten Karriere. Der französische Architekt und Kunsthistoriker Jean-Louis Cohen verfasste das Vorwort, die Einführung stammt vom Le Corbusier-Spezialisten Arthur Rüegg. Das Buch ist so geschrieben und gestaltet, dass es auf seinen etwa 500 Seiten sowohl dem historisch Interessierten detailliert berichtet als auch nur zum Durchblättern und Genießen der historischen Aufnahmen und Abbildungen einlädt.
Die Ausbildung
Mit elf Jahren beeindruckte sie bei einem Krankenhausaufenthalt bereits der schlichte Komfort der Eisenbetten und der weißen Umgebung. Diese prägende Kindheitserfahrung wird später immer wieder in ihren Werken sichtbar: Metall, verchromtes Stahlrohr, reine und leuchtende Farben, Mechanik, strukturierte und funktionale Räume, bei gleichzeitiger Wertschätzung von Licht und freiem Raum. In ihrer ohne besondere Höhepunkte verlaufenden Schulzeit übt sie sich besonders in manuellen Fähigkeiten wie dem Zeichnen und Malen.
Den Ersten Weltkrieg hatte Frankreich zwar als eine der Siegermächte beendet, das Land war aber erschöpft und wirtschaftlich ausgeblutet. Zu dieser Zeit war die Möbel- und Einrichtungsindustrie ein wichtiger Wirtschaftszweig, der zum Ruf Frankreichs als Land des guten Geschmacks und der Lebenskunst wesentlich beitrug. Der Handel verlangte stetig nach aktuellen Modellen, auf der Höhe der momentanen Trends, aber gerne auch mit Innovationen. So mussten Entwerfer und Handwerker ausgebildet werden, was neben anderen Institutionen auch die „École de l’Union Centrale des Arts Décoratifs“ übernahm. Den Grundstein ihrer Karriere legte Perriand mit dem Studium der Innenarchitektur in den Jahren 1920 bis 1925 an dieser angesehenen Pariser Kunstgewerbeschule, die zu dieser Zeit von Henri Rapin, einem Innenarchitekten, Maler, Illustrator und Designer, geleitet wurde. Neben dem Fach Kunstgeschichte erlernte sie hier ein breites Wissen über die Materialien und die Arbeit an und mit ihnen: Weben, Drucken, Schreinern, Arbeiten mit Keramik und Glas. In Erinnerung an die großen, offenen Räume ihrer Jugendaufenthalte bei einem Großonkel in Burgund im Gegensatz zu den engen Räumlichkeiten, die die Schule in Paris ihr bot, stellte sie folgendes fest: die Größe eines Raumes ist unwichtig, vorausgesetzt man lässt die Umgebung durch Öffnungen herein, die im Gegenzug den Blick in die Ferne schweifen lassen. Ihre Schlussfolgerung daraus war, dass der Schlüssel zur Architektur beim Verhältnis vom Inneren zum Äußeren liegt. An der École Nationale des Beaux Arts beschäftigt sie sich mit den Themen Einrichtung und Beleuchtung. Schon zu Studienzeiten stand sie in Kontakt zu den wichtigsten Protagonisten ihres Berufs wie Maurice Dufrene und unter dem Einfluss zahlreicher Künstler. Krönender Abschluss ihres Studiums war die Teilnahme an der Ausstellung ‚Exposition internationale des Arts Décoratifs et industriels modernes‘ im Jahre 1925, die später namensgebend für die Epoche des Art Déco werden sollte. Neben diversen Ausstellungsstücken war die Gestaltung von Paneelen mit den 9 Musen der griechischen Mythologie für einen Musiksalon ihr Hauptbeitrag. Zu dieser Zeit sind ihre Werke noch vom herrschenden Zeitgeist des stark verzierten Art Déco, ohne jegliche Innovation, geprägt, als Folge ihrer Ausbildung und der Einflüsse des vom Art Déco überbordenden Paris‘, wie sie es in der Presse und den Warenhäusern aufnahm. Als sie selbst die Ausstellung besuchte, traf sie auch auf die beiden einzigen Avantgarde Pavillons: den der UdSSR, entworfen von Konstantin Melnikoff, und den ‚Pavillon de l’Esprit nouveau‘ von Le Corbusier und Pierre Jeanneret. Jahre später stellte sie fest, dass ‚diese beiden sie zu diesem frühen Zeitpunkt nur überrascht, aber nicht beeinflusst hätten‘. Trotzdem sollte sich ihr Stil schon bald nach diesen Eindrücken ändern.
Die Anfänge und ein erster Stilbruch
Mit ihrer breiten Ausbildung und ihren unterschiedlichsten Fähigkeiten auf verschiedenen Gebieten wie z.B. Einrichtung, Beleuchtung, Möblierung und Stoffe stellte sich ihr zu Beginn ihres Berufslebens die Frage, in welcher Richtung sie sich entwickeln sollte. Ihre eigentliche Leidenschaft gehörte der Architektur, nur gab es in den 1920er Jahren keine einzige Architektin.
Um bei einem breiten Publikum bekannt zu werden, musste sie ihre Entwürfe herstellen lassen und ausstellen. Auf Anraten ihrer Mentoren Henri Rapin und Maurice Dufrene realisierte sie die Ecke eines Wohnzimmers (‚Coin de Salon‘), da ein ganzes Zimmer zu kostspielig gewesen wäre. Die Kosten in Höhe von etwa 100.000 Francs für das Ensemble bestehend aus Bücherregal mit integriertem Sekretär, einem Beistelltisch mit Sessel und einer Leuchte sponserten ihre Eltern. Wegen ihrer kompakten Bauform eignete sich die Ecke ideal für beengte Pariser Wohnungen. Dieser Entwurf war noch immer vom Art Déco Stil bestimmt, wenngleich ohne ausschweifende Ornamente, und wurde 1926 beim ‚Salon des artistes décorateurs“ in Paris präsentiert.
Durch Henri Clouzot, einen Kritiker und Anhänger des neuen industriellen Stils, und Percy Scholefield, einen englischen Gentleman, der ihr das Ensemble ‚Coin de Salon‘ für sein eigenes Apartment abgekauft hatte, bekommt sie neue Impulse, durch die es zu ihrem endgültigen Bruch mit der dekorativen Kunst des luxuriösen Art Déco und zur Hinwendung zu einem industriell geprägten Stil kommt. Fortan beschäftigt sie sich weniger mit dem traditionellen Kunsthandwerk, sondern findet es viel spannender, sich dem Möbelentwurf mit neuen Mitteln zu widmen. Metall als Werkstoff und Verarbeitungstechniken, wie sie in der Automobil- und Flugzeugindustrie eingesetzt werden, gewähren ihr große formale und konstruktive Freiheiten. Einen ersten Akzent kann sie mit der „Bar unterm Dach“ (‚Bar sous le toit‘) setzen, die sie aus vernickeltem Kupfer und eloxiertem Aluminium für ihr eigenes Apartment am Platz Saint-Sulpice in Paris anfertigen lässt. Einer breiten Öffentlichkeit präsentiert sie die Bar im Herbst des Jahres 1927 auf der Ausstellung „Salon d’Automn“ im Grand Palais, die schon seit 1903 jährlich stattfand. Die Kritiker lobten ihre perfekte Nutzung des kleinsten Raumangebots, zu der sie durch die Enge ihrer Wohnung mehr gezwungen als inspiriert wurde, und die verführerischen Farbkombinationen ihrer Kreationen. Neben dem Aufsehen, das sie durch dieses ungewöhnliche Objekt – in mitten all der etablierten Klassiker – unter den Besuchern erregte, wurde Le Corbusier auf sie aufmerksam und machte ihr ein folgenschweres Angebot. Nun war sie der aufgehende Stern der Pariser Einrichter Szene, die junge Avantgardistin unter den Pionieren der Metallmöbel Designer.
Neben der Bar entwarf sie im Rahmen der Möblierung ihrer neuen Wohnung, einem früheren Fotostudio mit riesigem Fenster, auch die Möbel für die weiteren Räume und gestaltete das ganze Apartment sehr sachlich und modern, wie zum Beispiel durch die Spiegelverkleidung der Kaminzüge. Für das Esszimmer, das auch eher klein war, in dem sie aber dennoch viele Freunde bewirten wollte, erfand sie einen neuen Typus von ausziehbarem Tisch, an dem zwischen 5 und 11 Personen Platz finden konnten. Die Mechanik des Tisches verlieh ihm eine maschinenhafte Anmutung, die Funktion ähnelte der einer ausziehbaren Leiter, wie sie an Feuerwehrfahrzeugen angebracht ist. Eine der beiden kurzen Seiten war fest an der Wand montiert, die andere konnte bewegt und damit die Tischlänge variiert werden. Passend zum Tisch schuf sie bequeme Drehstühle und Hocker aus Stahl und Leder, die Luxus, Eleganz und Modernität vereinten. Zugleich hatte Perriand bereits begonnen ihre Möbelentwürfe nach den Prinzipien des Taylorismus, der ursprünglich die Fließbandarbeit in den USA revolutioniert hatte, auf ihre Funktion und die Erfüllung der Bedürfnisse des Benutzers zu überprüfen. Dabei ist immer die optimale Nutzung des vorgegebenen Raums das Ziel der Entwerferin. Jegliche Dekoration im negativen Sinne wird entsprechend dem Taylor Ansatz verbannt, wodurch in der Folge neue, (damals!) ungewöhnliche Formen mit einer speziellen Maschinenästhetik außerhalb des vorherrschenden Art Déco Stils und des traditionellen Interior Designs entstanden.
Einen weiteren Schub in diese Richtung gab ihr die Gründung der ‚Unité de choc‘, die als erstes modernes Kollektiv Designer und Künstler unterschiedlicher Disziplinen, aber mit gleichen modernistischen Prinzipien, vereinte. Im Mai 1928 stellte die Gruppe gemeinsam in einem Raum beim „Salon des Artistes Décorateurs“ aus. Die konfrontativ klingende Namensgebung der Gruppe drückte die radikale Haltung aus, mit der sie im Einrichtungsbereich jedermann in die bessere Zukunft, die Moderne, führen wollte. Ein Jahr später wurde aus ihr die besser bekannte UAM (Union des Artistes Modernes). Bemerkenswert war die nahtlose Verzahnung der Beiträge der einzelnen Mitglieder zu einem stimmigen Gesamtwerk.
Charlotte Perriands erste Schaffensperiode wird von den beiden großen in Paris organisierten Ausstellungen, Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes im Jahr 1925 und der Exposition Internationale des Arts et Techniques im Jahr 1937, eingerahmt, und ist auch durch die Zusammenarbeit mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret geprägt.
Einfluss von Le Corbusier
Zwei Jahre nach Abschluss ihrer Ausbildung und nachdem sich bereits erste Erfolge als Inneneinrichterin eingestellt hatten, begann Charlotte Perriand an der Richtigkeit ihres Tuns zu zweifeln. Sollte und konnte sie sich ihr weiteres Berufsleben derart vorstellen, dass sie fortan hauptsächlich reichen, snobistischen, launischen (Ehe-)frauen, die opulente Einrichtung ihrer Häuser gestaltete? Ihre Zweifel gingen so weit, dass sie drauf und dran war, Paris zu verlassen und sich als ‚Aussteigerin‘ der Landwirtschaft widmen wollte, die sie in ihrer Jugend im Burgund schätzen gelernt hatte. Ihrem Freund Jean Fouquet vertraute sie sich an. Dieser war empört und empfahl ihr, da sie doch die Architektur so liebte, die Bücher des Schweizers Le Corbusiers zu lesen. Von ihrer Ausbildung her kannte sie zwar dessen Namen, nicht aber sein Werk oder sein Denken. Schnell erkannte sie in Le Corbusiers umfassenden und radikalen Ideen zur Neugestaltung der Zivilisation Parallelen zu ihren eigenen Vorstellungen von einer besseren, humaneren Zukunft für alle. So kam es, dass sie im Herbst 1927 an die Tür des Ateliers von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, untergebracht in einem Gang eines ehemaligen Jesuitenklosters in der Rue de Sèvres, klopfte. Damit geriet die junge, aufstrebende Designerin unversehens in das Spannungsfeld zwischen Vergangenheit und Zukunft. Auf der einen Seite die Anhänger des traditionellen Kunsthandwerks, mit seinen hochwertigen Ornamenten wie es von ihren Lehrern Rapin und Dufrene gepflegt wurde und ihr vermittelt worden war. Auf der anderen Seite die begeisterten Anhänger der Moderne, die sich für die Realisierung ihrer kühlen Maschinenästhetik bei den Formen und Techniken der aufstrebenden Ingenieurskunst bedienten. Sie entschied sich für den Fortschritt, den ihr die umtriebige Avantgarde verhieß. Als eine Art Empfehlungsschreiben für die Aufnahme in die Bürogemeinschaft Le Corbusier/Jeanneret diente ihr Werk ‚Bar sous le Toit‘. Ihre Aufgabe sollte es fortan sein, das Interior Design, besonders Metallmöbel, für Le Corbusiers Architektur zu entwerfen. Diese Ergänzung war dringend nötig, hatte er doch regelmäßig Kritik für die spärliche Möblierung seiner Neubauten erhalten. Im Gegensatz zu Le Corbusier hatten die deutschen Vertreter der Moderne, zum Beispiel Marcel Breuer oder Mies van der Rohe, eine Vielzahl neuer Möbel für die modernen Gebäude entwickelt. In der Folge war Perriand über einen Zeitraum von 10 Jahren die Möblierung der Architektur Projekte von Le Corbusier und Pierre Jeanneret verantwortlich, wobei sie nebenher Architektur und Stadtplanung studierte. Die Zusammenarbeit sollte für jeden der drei Beteiligten ein Gewinn sein, in dieser Zeitspanne entstanden zahlreiche Stahlrohrmöbel Klassiker.
Le Corbusiers Maschinen zum Sitzen
Zwischen 1925 und 1927 war die Entwicklung neuester Möbel in Einklang mit der modernen, puristischen Architektur Hauptanliegen der fortschrittlichen Entwerfer, wobei zum Beispiel am deutschen Bauhaus richtungsweisende Entwicklungen stattfanden. Beim vergleichenden Blick über den Zaun, in diesem Fall über den Rhein, musste Le Corbusier seine Defizite auf diesem Gebiet feststellen. Es existierte ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Außen und Innen, zwischen seiner zukunftsweisenden Architektur und der spärlichen Möblierung in ihr.
Le Corbusier hatte den Mangel an adäquaten Möbeln für seine modernen Bauten zwar erkannt und Theorien für neue Formen beschrieben, war aber zu einer konkreten Umsetzung noch nicht in der Lage gewesen. So hatte er die gängigen, ornamentierten Möbel aus seinen Bauten zwar verbannt, die entstandenen Lücken aber nicht vollständig schließen können. In seinen Theorien teilte er die Möbel auf 3 Bereiche auf: Stühle, Tisch und Stauräume. Der Form näherte er sich von den Funktionen an, von denen er bereits präzise Vorstellungen hatte. Im April 1927, noch vor der Zusammenarbeit mit Charlotte Perriand, definierte er seine Theorien für Sitzmöbel in einer Zeichnung mit neun verschiedenen Positionen (= Funktionen), die im Büro oder in der Freizeit, bei Konversation oder Erholung eingenommen werden konnten, wobei er auch zwischen Mann und Frau unterschied. Charlotte Perriand konkretisierte die neun Positionen aus der Zeichnung mit einer Gliederpuppe und einer Fotomontage mit gezeichneten Stühlen, Sesseln und einer Liege. Für keine der neun konnte Le Corbusier zu diesem Zeitpunkt einen Entwurf vorweisen, wohl aber Charlotte Perriand. Mit ihren Modellen von Stühlen und Sesseln aus früheren Projekten konnte sie schon fünf der neun Positionen abdecken, für eine sechste existierte immerhin ein Entwurf. Um das Le Corbusier Programm „Machines for sitting in“ zu komplettieren, mussten nur mehr drei Lösungen gefunden werden. Auf Le Corbusiers Vorschlag hin sollten bereits existierende Modelle, wie z.B. im Fall der Liege LC4 ein Schaukelstuhl von Thonet aus dem Jahr 1880, als Ausgangspunkt für Verbesserungen und Optimierungen zum gewünschten Endergebnis dienen. Das Postulat „Verbessere das Beste!“ des österreichischen Architekten und Theoretikers Adolf Loos, formulierten sie um in den Satz: „Vereinfache das Einfachste!“. Für Perriand stellte sich zunächst das technische Problem der Adaption von Fertigungstechniken aus der Massenproduktion von Fahrrädern oder Autos für die Möbelherstellung. Ein anderes Problem ergab sich im Zusammenhang mit der Käuferansprache. Um die Produkte aus der aus sozialpolitischen Erwägungen wünschenswerten Massenproduktion auch für Perriands bourgeoise Klientel interessant zu machen, teilte man den Herstellungsprozess in zwei Bereiche. Das tragende Grundgerüst, der Rahmen aus z.B. Stahlrohr, war für alle Käufer identisch und in großer Stückzahl kostengünstig zu fertigen. Bei der Polsterung der Sessel oder den Tischoberflächen konnte für die betuchten Kunden der gewünschte Luxus einfließen. Zugleich ermöglichte dies dem Team um Perriand auch, die Objekte an die jeweilige Architektur individuell anzupassen.
Die Liege LC4 bzw. Chaise longue basculante, 1928
Eines der bekanntesten Perriand Möbel dürfte die Liege LC4 mit dem charakteristischen Doppelknick ihrer hochliegenden Fußablage sein, die – wie etliche ihrer übrigen Möbel – noch immer in Lizenz hergestellt wird und im Handel erhältlich ist. In Le Corbusiers Zeichnung der neun Funktionen sollte sie die fehlende Nummer 4 ausfüllen. Obwohl Charlotte Perriand die Designerin war, erhielt die ‚4‘ die Buchstaben LC vorangestellt. Auch bei der von Perriand initiierten Patentschrift, wurde auf gewisse Eitelkeiten nicht verzichtet. So stand zunächst ihr Name als der eigentlichen Designerin an erster Stelle des Patents, vor ihren Partnern Le Corbusier und Jeanneret, bis bald darauf Le Corbusier auf einer alphabetischen Reihenfolge bestand, die ihn an die erste und Perriand an die letzte Stelle beförderte.
Mit dem Patent ließ sie sich das Gleitsystem der zweiteiligen Liege, bestehend aus Basis und separater Liegefläche, schützen. An der Unterseite der Liegefläche ist ein Stahlrohrbogen, der auf der Basis ruht. Durch Verschieben der Liegefläche änderte sich der Winkel der liegenden Person zur Horizontalen. Ohne mechanische Bauteile konnte auf diese Weise zwischen vier Funktionen variiert werden, so dass das Möbel je nach Position der Liege auf der Basis ein gewöhnlicher Stuhl, eine Liege oder ein Liegestuhl sein konnte bzw. bei Abnahme der Liege von der Basis als Schaukelstuhl benutzt werden konnte.
Armlehnsessel mit geneigter Rückenlehne LC1 – Fauteuil dossier basculante, 1928
Dieser Sessel entstand zeitgleich mit der Liege LC4 im Jahr 1928. Inspiriert wurde sie dazu durch einen traditionellen Kolonialstuhl aus Holz und Leder mit einer beweglichen Rückenlehne. Der Stuhl gehörte Marcel Levaillant, einem Kunden von Le Corbusier. Mit der Weiterentwicklung und Transformation des Stuhls in die Moderne, sollte die Position 1 von Le Corbusiers neun Vorgaben abgedeckt werden.
Dem ersten Entwurf Perriands aus gebogenem Stahlrohr im Februar 1928 mangelte es an Eleganz und Schwung der Form. Seine Proportionen waren ungünstig gewählt, die Sitzfläche zu tief, was ihn optisch wuchtig und unbequem machte. Dieser Ansatz mit einem charakteristischen ‚U‘ aus Stahlrohr in der Frontansicht wurde rasch verworfen.
Die darauf folgende, überarbeitete Version bestand aus vier identischen ‚L‘ förmigen Beinen, einer höher positionierten Sitzfläche, die zu Gunsten eines besseren Sitzkomforts nach hinten geneigt war. Insgesamt näherte sich sein Aussehen wieder mehr dem Kolonialstuhl Levaillants an, der sozusagen Modell gestanden hatte. Perriand versuchte bei der technischen Umsetzung des Entwurfs bereits entwickelte und vorhandene Bauteile wie etwa die Spanfedern der Sitzfläche der Liege LC4 zu integrieren. Durch die Verwendung identischer Bauteile bei verschiedenen Typen ließen sich die Fertigungskosten weiter senken. Aus diesem Grund wird dieses Prinzip noch heute von der Automobilindustrie genutzt.
Aus ergonomischen Gründen hatte die Armlehne an der Vorderseite die Breite einer Handfläche, die sich nach hinten verjüngte und den dynamischen Charakter des Stuhls betonte. Perriands Übertragung des alten Kolonialstuhls in die Moderne resultierte in einem sehr elegantem Möbelstück, das weit entfernt von seinem ursprünglich rustikalem Erscheinungsbild hervorragend mit der Architektur Le Corbusiers bzw. Pierre Jeannerets korrespondierte. Gleichzeitig fügte es sich harmonisch in das übrige Stuhl- und Tischprogramm aus Stahlrohr von Charlotte Perriand ein.
Sessel LC3 und bzw. Fauteuil grand confort, 1928
„Le club,“ wie die Franzosen den Ledersessel kurz nennen, war in den 1920er Jahren der Inbegriff des bourgeoisen Komforts. Viele Designer interpretierten den englischen Club Chair in unterschiedlichen Ausführungen.
1925 wählte Le Corbusier für den Pavillon de L’Esprit Nouveau einen Club Chair von Abel Motté, der nach seinen Vorgaben angefertigt worden war und gegenüber den handelsüblichen Modellen schon äußerst modern wirkte. Im April 1927 ordnete Le Corbusier dieses Modell seiner Position 3 zu, in der Annahme, dass es hierfür keine bessere Lösung geben könne. Der Ledersessel von Motté war in einem Stück aufgebaut und verzichtete auf die erst kürzlich in Mode gekommene Trennung von Polsterkissen und Rahmen.
Von Charlotte Perriands Seite kam ein Entwurf aus ihrem ‚Travail et Sport‘ Projekt, bei dem sich die Armlehnen mit der Rückenlehne auf gleicher Höhe befanden, ganz anders als zu der Zeit üblich. Mehrere Entwicklungsschritte später war das Ergebnis ein ‚Kissenkorb‘, wie sie ihn nannte, eine Art Käfig aus Stahlrohr der diverse Kissenquader, die als Sitzpolster, Rücken- und Armlehnen dienten, fixierte. Angelehnt an dieses Basismodell entstanden kleine und große Modelle des LC3, eine Chaiselongue, bei der sie einfach eine Armlehne weg ließ sowie ein elegantes 2er Sofa, das zu Position 7 passte.
Am Beispiel dieser drei verschiedenen Sitz- und Liegemöbel werden deren spannende Entwicklungsgeschichte und die Hintergründe ihrer Entstehung skizziert. Das Buch geht darauf sehr detailliert mit vielen Zeichnungen, Fotografien und Zitaten der Designerin oder ihrer Zeitgenossen ein. Genauso spannend wird im Buch auch die Geschichte der vielen Tische, Regale und Schränke erzählt, würde aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Die Bürogemeinschaft mit Le Corbusier und Jeanneret endete im März 1937, als sie das Studio verließ. Sie arbeitete jedoch auch danach intensiv bei Projekten der beiden mit, etwa an der Gestaltung der Innenausstattung der Unité d’Habitation in Marseille (1947–1950).
Fotografie – ein modernes Werkzeug
Die Fotografie hat ihren Ursprung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wobei der Franzose Louis Jacques Mandé Daguerre, der als Erfinder des ersten kommerziellen fotografischen Verfahrens, der Daguerreotypie, gilt, wichtige Beiträge zur Entwicklung des Mediums lieferte. Bis ins frühe 20. Jahrhundert entsprach die Größe der fertigen Fotos dem Aufnahmeformat, wodurch die Kameras sehr große, unhandliche Holzkästen auf Stativen waren, wie man sich ihrer mit dem Qualm des obligatorischen Magnesiumblitzes aus den Stummfilmen erinnert. Erst durch den Rollfilm und die in den Leitz Werken von Oskar Barnack entwickelte und 1924 auf den Markt gebrachte Kleinbildkamera, boten sich neue Möglichkeiten für die handliche Fotografie unterwegs. In Künstlerkreisen ergänzte und ersetzte die Kamera zunehmend den Skizzenblock um Momente bildlich festzuhalten.
Jacques Barsacs Forschung im Archiv von Charlotte Perriand, das akribisch ihre Hinterlassenschaft verwaltet, erhellt lange ignorierte Facetten ihres Werks wie z.B. ihre intensive Beschäftigung mit der Fotografie in den 1930er Jahren, wobei bereits ab 1927 erste, von ihr aufgenommene Fotografien existieren. Ein 6 x 9 Fotoapparat spielte in dieser Zeit in Charlotte Perriands Leben und bei ihrer Arbeit eine wichtige Rolle. Die Kamera war das Instrument für sie, um sich sowohl künstlerisch auszudrücken als auch Ideen und Emotionen festzuhalten; die neue Technik beschleunigte die Kommunikation zwischen den Kreativen. Die Fotografien Perriands dokumentieren ihr Werk und zeigen gleichzeitig, wie sich ihr Denken wandelte und entwickelte. Ihre Bilder verdeutlichen uns heute, mit welch offenen Augen sie die Welt sah. Als Motive dienten ihr Menschen, Maschinen, Technik und besonders gerne die natürliche Umgebung. Durch ihre Fotos legte sie oft deren versteckte Potenziale offen. Organische Formen aus der Natur stehen geometrischen Strukturen aus der Welt der modernen Technik gegenüber. Ihre Fotografien sollten weder einfach die konventionelle Schönheit wiedergeben, noch folgten sie den ästhetischen Vorgaben, die vom Zeitgeist definiert wurden. Viele ihrer Aufnahmen scheinen aus dem sehr nüchternen Blickwinkel der Architektin auf Zelluloid gebannt zu sein.
Obwohl sie keine fotografische Ausbildung hatte, lichtete sie viel ihrer Entwürfe für Publikationen selbst ab und ergänzte ihre Inneneinrichtungen mit eigenen Bildern.
Politisches Engagement
Charlotte Perriand zählt mit der Irin Eileen Grey, der Deutschen Lilly Reich, der Russin Varvara Stepanova oder der Österreicherin Grete Schütte-Lihotzky zu den Designerinnen, die unabhängig und radikal sowohl den Status der Frauen in der Gesellschaft als auch das stoffliche Umfeld und die Wertigkeit von Materialien, bei Perriand etwa der grobe Stahl für elegante Einrichtungen, durch ihr Design und ihre Kunst neu definierten. Am Beispiel von Charlotte Perriand zeigt sich, wie die Politik mit der Architektur und dem Design in Wechselwirkung steht und wie sich diese Bereiche beeinflussen.
Im Jahr 1932 prangerte Perriand die industriellen Verhältnisse und die Versklavung der Arbeiter durch die den Arbeitstakt und die Arbeitsgeschwindigkeit bestimmenden Maschinen an. So plädierte sie dafür, dass weniger in großen Fabriken gearbeitet werden solle, da der nächste Entwicklungsschritt nicht die Steigerung der Quantität der Produktion, sondern die Verbesserung der Qualität der Arbeitsbedingungen sein sollte. Der Mensch dürfe nicht von der Maschine bestimmt sein, sondern umgekehrt die Maschine vom Menschen.
Nach dem 1. Weltkrieg keimte Hoffnung in die neuen Technologien auf, die das Ende der skandalösen Ausbeutung an den Fließbändern der Industrie ermöglichen und deren neue Maschinen (unangenehme) Aufgaben der Arbeiter übernehmen sollten. Diese idealistischen Vorstellungen wurden von der harten Realität der Wirtschaftskrise und den ideologisierten politischen Verhältnissen in Europa um 1930 zunichte gemacht.
Ebenfalls um 1930 formierte sich die reaktionäre Gegenbewegung zur fortschrittlichen Architektur und Möbelgestaltung, wie sie Perriand und Le Corbusier repräsentierten. Einer der Sprecher dieser Anti-Moderne Kampagne war Paul Iribe, ein in Frankreich bekannter Interior Designer, der sich gegen die Maschinen-Design Konzepte des von ihm kritisierten „Französisch-Schweizerischen Paares“ aussprach. Er beklagte, dass das Streben nach Einfachheit in der modernen Umgebung teilweise zu Nacktheit und Armseligkeit führt. Er prophezeite das Verschwinden ganzer Berufsstände wie die der Bildhauer, Kunstschreiner, Schnitzer und Schmiede, deren guter Geschmack und talentierte Hände über 300 Jahre Frankreichs Außenhandel erfolgreich beliefert hatten. Das französische Kunsthandwerk stand seiner Meinung nach vor dem unmittelbaren Niedergang. Andere Stimmen widersprachen dieser nationalistisch bestimmten Denkweise und sahen das Entstehen einer internationalen Bewegung zu einer universellen Lebensart ohne nationale Einschläge. Daraufhin dramatisierte Iribe weiter, dass französischer Stein durch Zement ersetzt wurde, französische Architektur zugunsten der deutschen sowie französische Möbel zugunsten von Sperrholz aufgegeben wurden.
Charlotte Perriands aktives politisches Engagement beginnt 1932, als sie der Association des Écrivains et Artistes Révolutionnaires (AEAR) beitritt, die der Kommunistischen Partei nahestand. Der politische Stimmungsumschwung im Zuge der Wirtschaftskrisen hatte die Rechten und Ultrarechten in Europa an die Macht befördert. Viele der Intellektuellen, die die moderne Bewegung gefördert hatten, zählten zum linken Spektrum und setzten folglich auf Grund des Rechtsrucks ihrer Heimatländer ihre Hoffnung auf die kommunistische Sowjetunion, die ein „Paradies auf Erden“ schaffen sollte.
Mit diesem Hintergrund sahen viele der fortschrittlichen Architekten die Zukunft im Osten. Unter anderem wurde aus diesem Grund der Kongress des Architektenverbandes CIAM im Jahr 1933 in Moskau veranstaltet. Über diesen klagte Le Corbusier, dass es eigentlich nichts zu sehen gäbe und alles nur auf dem Papier existierte. Charlotte Perriand, die bereits im Architektenbüro von Le Corbusier und Jeanneret Kontakt zu russischen Architekten und zur russischen Botschaft in Paris geknüpft hatte, reiste auch zum Kongress nach Moskau. Die sowjetische Kulturpropaganda hatte sie schon in Paris beeindruckt, Besichtigungen von ‚ausgewählten‘ Vorzeige-Fabriken, Krankenhäusern, Kultur- und Sportzentren in Moskau verstärkten ihre Begeisterung. Die Zeit ist reif eine neue Welt zu erschaffen, glaubte sie. Ihr politisches Engagement betrieb sie wie manche ihre Religiosität, mit grenzenlosen Glauben und Bestimmtheit.
Reisen
Sie nutzte die Konstruktionsprinzipien der neuartigen Fortbewegungsmittel nicht nur als Ideengeber für ihren Möbelentwurf, sondern auch diese selbst, um mit ihnen die Welt zu erkunden. Vom Nachbarland Deutschland fühlte sie sich wenig angezogen, nur 1931 stellte sie auf der Internationalen Raumausstellung im Kölner Zeppelinhaus in Zusammenarbeit mit Le Corbusier dessen funktionalem Puritanismus‘ einen farbenfrohen und figürlichen Teppich als Kontrastprogramm gegenüber.
Dagegen empfand sie eine große Faszination für die Kunst und Gesellschaftsordnung der jungen Sowjetunion, wohin schon 1930 etliche deutsche und schweizerische Architekten umgezogen waren.
In ein noch exotischeres, von der westlichen Lebensweise grundverschiedenes Umfeld führt sie 1940 eine Reise nach Japan, auf Empfehlung von Sakakura Junzo, mit dem sie bereits in Le Corbusiers Büro zusammen gearbeitet hatte. Auf Einladung des japanischen Handels- und Industrieministeriums sollte sie als Beraterin das (Kunst-)handwerk für das Ausland öffnen. Sie reiste durch das ganze Land und beriet junge Industriedesigner in Materialfragen für moderne Entwürfe und zeitgenössisches Design. Dabei nahm sie auch viele Eindrücke aus dem traditionellen regionalen japanischen Design und dessen Techniken auf. Nach einer kurzen Phase der Beobachtung und Interpretation versuchte sie im Jahr 1941 mit der Ausstellung „Selection, Tradition, Creation“ Verbindungen zwischen Ost und West aufzuzeigen, wobei sie auch die von ihr entworfene Liege Tokyo (Chaise longue basculante en bambou) aus Bambusschwingen und Holz ausstellte, als neue Interpretation der von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und ihr 1928 gestalteten Stahlrohrliege LC 4.
1942 wird sie als unerwünschte Person des Landes verwiesen und kann auf Grund einer Seeblockade nicht nach Frankreich zurückkehren. In ihrem, durch die Kriegswirren bedingten, unfreiwilligen Exil in Vietnam, entdeckte sie zwischen 1942 und 1946 das kunsthandwerkliche Weben und die kunsthandwerkliche Holzbearbeitung für sich. Damit vergrößerte sich ihr künstlerisches Repertoire um einen weiteren von natürlichen Materialien bestimmten Bereich.
In den 1950er Jahren kehrt sie noch einmal nach Tokio zurück, um ihr eigenes Werk zu zeigen, dass auch unter dem Einfluss der japanischen Kultur geformt wurde.
Verschiedene Projekte wie die Inneneinrichtung einer Wohnung in Rio und die Gestaltung eines Air France Reisebüros führten sie auch nach Brasilien, das ab den 1930er Jahren einem schwärmerischen Weg in die Moderne folgte. Sie begegnete dort nicht nur den herausragenden Gebäuden von Oscar Niemeyer, sondern auch Filmemachern, Architekten und Künstlern, den Protagonisten der jungen Kulturszene.
Freizeitarchitektur aus vorgefertigten Bauteilen
Bei diesem Bereich überschneiden sich zwei Leidenschaften Perriands, die Architektur und die Liebe zur Natur, besonders zur Bergwelt. Dabei spezialisierte sie sich auf die Errichtung von Gebäuden für Erholung und Freizeitaktivitäten aus vorgefertigten Elementen. Als dringende Aufgabe sah sie die Organisation und Strukturierung der Freizeit, da sie annahm, dass durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen die Menschen mehr und mehr Zeit ohne Arbeit verbringen würden. Gleichzeitig plädierte sie für bezahlten Urlaub der Arbeitnehmer. Der Entwurf günstiger Wochenendhäuser, für eine Vielzahl von Menschen erschwinglich, war eines ihrer Projekte. Dabei sollten die meisten Elemente wie die Metallrahmen, Fußboden-Paneele, Decken, Innen- und Außenwände in der Fabrik vorgefertigt werden. Neben der Kostenersparnis erlaubte diese Bauweise, dass die Elemente in Abhängigkeit des vorgegebenen natürlichen Umfelds individuell in verschiedenen Anordnungen montiert werden konnten. Die Projekte waren u.a. ‚La maison au bord de l’eau‘ (1934) für Wassersportler, ein Urlaubs Resort in Bandol (1935), ein Gebirgshotel (1935) und verschiedene hochalpine Unterkünfte für Wintersportler. Allen gemein war eine sehr funktionale Einfachheit.
Ein einzigartiges Vorhaben war das ‚Refuge Tonnau‘, eine Fluchthütte aus Aluminium und Holz für Bergwanderer, die sie mit Pierre Jeanneret 1938 entwarf. Dazu angeregt wurden die beiden an einem Badestrand in Kroatien durch ein Jahrmarktskarussell. Es war leicht und gut zu transportieren, und einfach aus vorgefertigten Teilen einer Serienfertigung aufzubauen. Der daraus resultierende Bergrettungszylinder bot durch die kreisrunde Grundfläche dem Wind in hohen Gebirgslagen die minimalste Angriffsfläche, egal aus welcher Richtung er blies, und sollte bis zu 38 Bergenthusiasten aufnehmen können. Erstmals realisiert wurde der Entwurf allerdings erst im Jahr 2012 durch die Firma Cassina und wurde vom 16.02.2013 – 24.02.2013 in der Pinakothek der Moderne in München in einer Ausstellung der Neuen Sammlung – The International Design Museum erstmals in Deutschland präsentiert.
Die Innenarchitektin und Designerin Charlotte Perriand besetzt einen Platz als Schlüsselfigur des 20. Jahrhunderts, jedes namhafte Designmuseum schmückt sich gerne mit Exponaten aus Perriands Schaffen. Über sieben Jahrzehnte prägte sie die Welt mit ihren Kreationen, in Form von Fotografien, Objekten oder Gebäuden. Aufgewachsen und ausgebildet in der pulsierenden Metropole Paris, erlebte sie in den 1920er Jahren hautnah das aufstrebende technologische Umfeld ihrer Zeit. Konstruktionsmerkmale vom Fahrrad übers Auto bis hin zum Flugzeug machte sie sich zu Nutze und es entstanden Möbel aus Stahlrohr, Aluminium und Glas. Ihre radikale Interpretation der französischen Moderne provozierte Widerspruch, da ihre minimalistischen Designs in krassem Gegensatz zu den üppigen, kostbaren und teuer zu produzierenden Möbeln eines Jacques-Émile Ruhlmann oder auch des Designer Duos Sue et Mare standen, die das mondäne und extravagante französische Art Déco repräsentieren.
Der erste Band endet im Jahr 1940. Der hoffentlich wie geplant im Frühjahr 2015 erscheinende zweite Band beschreibt die Jahre 1940 bis 1955, der für den Herbst 2015 vorgesehene letzte und dritte Band die Zeit von 1956 bis 1999.