Veröffentlichungen

Beyond the Wall – Jenseits der Mauer

Kunst und Alltagsgegenstände aus der DDR!

Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls und der sich daran anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands brachte der TASCHEN Verlag am 15. November 2014 das Buch „Beyond the Wall – Jenseits der Mauer“ heraus. Auf mehr als 900 Seiten und mit über 2500 Bildern konserviert das Buch einen Teil der materiellen Vergangenheit der DDR und gibt dem Leser einen Eindruck vom Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Dieses war entgegen den Erwartungen eines Westdeutschen erstaunlicherweise nicht durchgehend schwarz-weiß, sondern ergab durch Objekte mit poppigen Farben ein mitunter buntes Bild. Beeindruckend ist die im Buch dargestellte enorme Bandbreite der Objekte aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, vom zivilen bis hin zum militärischen. Sie speist sich aus den immensen Beständen des Wende-Museums in Los Angeles: offizielle Symbole und
oppositionelle Ausdrucksformen, Spektakuläres und Alltägliches, Massenproduziertes und Handgemachtes, Witziges und Tragisches findet sich hier.
Das sehr informative und sorgfältig gestaltete Buch ist in acht Hauptbereiche gegliedert, in denen sich neben Kapiteln wie Inneneinrichtung, Kunsthandwerk oder Darstellende Künste auch solche namens Erotika, Kampfgruppen oder Staatssicherheit finden. Beiträge von Akademikern und Experten aus Europa, Kanada und den USA erläutern die Überreste des untergegangenen Staates.

BRD-DDR

Der in die Geschichte als Mauerfall eingegangene Zusammenbruch des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden am 9.11.1989 stellt das symbolische Ende des Kalten Kriegs dar, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg die beiden Ideologien Kapitalismus und Kommunismus bzw. die militärischen Bündnisse NATO und Warschauer Pakt um die globale Vorherrschaft kämpften. Ein Teil der heißen Grenze zwischen den Kalten Kriegern lag im geteilten Deutschland, mit der Bundeswehr im Westen und der Nationalen Volksarmee im Osten. Die dem Westen zugewandte Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die der UdSSR zwangsweise folgende Deutsche Demokratische Republik (DDR) waren Frontstaaten. Während sich in der BRD ab den 1950er Jahren eine am Vorbild USA ausgerichtete Kultur- und Konsumgesellschaft entwickelte, orientierte man sich in der DDR offiziell am großen sozialistischen Bruder UdSSR, inoffiziell sehnten sich die Bürger aber doch nach den selten erhältlichen Westprodukten wie zum Beispiel den Schallplatten angesagter Bands oder neuartigen Elektronikprodukten. Als Folge der Teilung wurden die Westdeutschen rasch zu den materiellen Gewinnern des verlorenen Weltkriegs, die Ostdeutschen litten über 40 Jahre lang unter dem qualitativen und quantitativen Mangel, den die vom großen Brudervolk diktierte Planwirtschaft neben den Reparationsleistungen für Kriegsschäden an die UdSSR mit sich brachte.
Unter dem Motto ‚Wir sind das Volk!‘ gingen in der Zeit des als ‚Wende‘ bezeichneten Prozesses tausende DDR Bürger friedlich demonstrierend auf die Straßen und erzwangen damit den gesellschaftspolitischen Wandel, der zum Ende der SED-Diktatur in der DDR führte, den Übergang zur parlamentarischen Demokratie ermöglichte und in der deutschen Wiedervereinigung endete. Die wichtigsten Ereignisse der Wende fanden in dem Zeitraum zwischen den Kommunalwahlen im Mai 1989 und der einzigen freien Wahl zur Volkskammer der DDR im März 1990 statt.

Das Wende-Museum in Los Angeles

Schon der chinesische Philosoph Laotse (6. Jhd. v.Chr.) wusste: „Klar sieht, wer von Ferne sieht und nebelhaft, wer Anteil nimmt.“ Deshalb musste und konnte das Wende-Museum als Bewahrer des materiellen Erbes der DDR wohl nur an einem von Ostberlin bzw. dem wiedervereinigten Deutschland weit entfernten Ort wie Los Angeles entstehen, mit Mitarbeitern die unvoreingenommen ohne West- oder Ostbiografie die Dinge bewerten. Die geografische Entfernung schützt die Mitarbeiter vor dem Verdacht einer politisch bestimmten Selektion bei der Bestimmung der Museums-würdigen Objekte. Außerdem ermöglicht sie Spenden von beteiligten Zeitzeugen, die als Ex-Stasi Mitarbeiter oder Grenzsoldaten dem Täterkreis zugeordnet werden müssen. Aus Angst vor einer politischen Bewertung ihrer Sammlungen bzw. vor persönlichen Repressalien nach diesem ‚outting‘ würden sich diese damit kaum an europäische Institutionen wenden.

Geschichtlich betrachtet spricht für den Standort Los Angeles auch, dass es schon einmal, zu Zeiten des NS-Regimes, ein Zufluchtsort deutscher Künstler und Intellektueller war und dass hier, an der amerikanischen Westküste, während des kalten Krieges bedeutende Einrichtungen des militärisch-industriellen Komplexes der USA lagen.
Die politischen Vorgaben im wiedervereinigten Deutschland sehen einen vorurteilsfreien Umgang mit dem DDR Erbe nicht unbedingt vor. So steht im Einigungsvertrag aus dem Jahr 1990, der die Modalitäten des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten regelte, dass kulturell Wertvolles aus der DDR aufbewahrt werden solle. Diese sehr allgemein gehaltene Formulierung führt zu der Frage, wer definiert kulturell wertvoll und nach welchen Kriterien? Zunächst waren dies hauptsächlich ehemalige Westdeutsche, die sich aber größtenteils auf Werke der bildenden Kunst konzentrierten, während die Erzeugnisse der angewandten Kunst nur in geringer Anzahl als exemplarisches Anschauungsmaterial ihren Weg ins Deutsche Historische Museum in Berlin oder ins Haus der Geschichte in Bonn fanden. Lediglich Die Neue Sammlung – The International Design Museum in München wagte im Rahmen ihrer überschaubaren finanziellen (nicht nur der Ankauf, sondern auch die Aufbewahrung und Verwaltung der teils sperrigen Objekte kosten Geld) und räumlichen Verhältnisse den umfangreich klingenden Ankauf von etwa 4000 Stück DDR Gebrauchsgegenständen im Jahr 2014 aus der Sammlung des DDR Design Spezialisten Günter Höhne. Höhne war der langjährige Chefredakteur der vom Amt für Industrielle Formgestaltung (AIF) herausgegebenen Design-Fachzeitschrift form+zweck in Ostberlin. Publikumswirksam wurden die Objekte im Sommer 2014 in der Pinakothek der Moderne in München öffentlich vor den Augen der Museumsbesucher fotografiert und inventarisiert. Dass bei einer Anzahl von rund 4000 Objekten, die en bloc erworben wurden, nicht immer nur die gestalterische Qualität, sondern manchmal auch der Dokumentationsgedanke eine Rolle gespielt hat, versteht sich von selbst.

Das Wende-Museum verzichtete bisher weitestgehend auf Qualitätskriterien und absorbierte alles im Bestreben einer umfassenden und feinkörnigen Abbildung der Lebensumstände in der ehemaligen DDR. Auf seiner Homepage (http://www.wendemuseum.org/) definiert es sich als ein „Sammlung-basiertes Forschungs- und Bildungsinstitut, das Artefakte aus dem Kalten Krieg und Geschichte bewahrt, und sich um die Bereitstellung von Ressourcen für Wissenschaftler kümmert und diese für historische Lehren von der Vergangenheit bis zur Gegenwart anwendet“. Es verfügte im Jahr 2014 über etwa 100.000 Objekte aus dem früheren Ostblock, und täglich werden es mehr. Inzwischen werden aber nur noch gezielt Dinge, meist in Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt, aufgenommen. Mit diesem Ansatz steht das private, von Sponsoren finanziell unterstützte und von privatem Engagement getragene Wende-Museum für ein neues Museumsmodell, das sich um eine umfassende, nahezu lückenlose, Dokumentation dieses – historisch betrachtet – kurzen Zeitraums von etwa 40 Jahren bemüht. Noch immer sind permanent fünf Leute in den Ländern des ehemaligen Ostblocks unterwegs, um Artefakte zusammen zu tragen, von denen einige „in einer Gesellschaft entstanden, deren Wesen sie eigentlich unmöglich hätte machen müssen,….!“ (David Thomson). Wie notwendig dieses bewahrende Engagement der Museumsleute ist, zeigen statistische Zahlen aus dem Jahr 1990. Damals betrug der pro Kopf und Jahr entsorgte Müll im Westteil Deutschlands 400kg, im Ostteil dagegen 1200kg. Viele ehemalige Bürger der DDR wollten die dingliche Erinnerung möglichst schnell und lückenlos entsorgen und durch die nun in Hülle und Fülle zugänglichen Westprodukte, die den Osten geradezu überschwemmten, ersetzen. Und die offiziellen Stellen taten es ihnen beim Entsorgen gleich und ordneten den Abriss von Denkmälern und ganzen Gebäuden an.
Dem gedankenlosen und unüberlegten Wegwerfen folgte als Gegenbewegung zur Rettung der Kitschgegenstände das Phänomen ‚Ostalgie‘. Sowohl das unkontrollierte Wegwerfen als auch die Geschichtsklitterung beim unreflektierten und verharmlosenden Festhalten an der materiellen Erinnerung in Deutschland zeigen die Unsicherheiten in der Bewertung von über vier Jahrzehnten DDR.

Das Wende-Museum wird ab 2015 in einem 1949 erbautem, ehemaligen Zeughaus der Nationalgarde der US-Armee mitten in Culver City, einer Kleinstadt im Los Angeles County, untergebracht sein. Es sammelt neben DDR- auch allgemein Ostblock-Objekte. Mit der Umwidmung dieser Liegenschaft der amerikanischen Streitkräfte wiederholt sich schließlich auch in den USA die ‚Schwerter zur Pflugscharen‘ Geschichte.

Der Initiator

Der Gründer, Geschäftsführer und Motor des Wende-Museums ist der Kunsthistoriker Dr. Justinian Jampol. Er beschäftigt sich mit Visual Cultural Studies und dem Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Kunst und der Ikonografie des Kalten Krieges. Jampol hat an der University of California in Los Angeles studiert und an der Oxford University in Geschichte der Neuzeit promoviert.
Bei einem schicksalhaften Zwischenstopp auf seinem Weg zu archäologischen Grabungsstätten im Nahen Osten ist der junge Schüler fasziniert vom wiedervereinigten Berlin der 1990er Jahre und den einfach erhältlichen DDR Relikten. Als er ab dem Jahr 2000 in Oxford lebt, entsteht die Idee, archäologische Methoden auf die erst kürzlich zu Geschichte erstarrte Vergangenheit des Nachkriegsdeutschlands Ost anzuwenden: eine zeitlich und räumlich klar definierte sowie überschaubare Versuchsanordnung, die nun durch die umfangreichen Bestände des Museums wie unter dem Mikroskop erforscht werden kann. Bei zahlreichen Reisen nach Berlin erwarb er einen ersten Bestand an DDR Stücken, von denen sich die Vorbesitzer gar nicht schnell genug trennen konnten. Neben klassischen Design-Objekten wie Radiogeräten oder Möbeln sammeln sich auch Präsent-Teller, Werbeplakate sowie Zeugnisse des Überwachungs- und Unterdrückungsstaats wie Zwangsjacken oder Mikrofone aus Stasi Hinterlassenschaften an. Im Jahr 2004 gründet Jampol schließlich das Wende-Museum in Los Angeles, als größte Ausstellung für Kultur und Bildsprache des früheren Ostblocks. Unterstützt wird er dabei vom angesehenen Getty-Center und dem britischen Arcadia Trust. Zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der DDR Geschichte organisiert Jampol Ausstellungen oder lädt zu Tagungen ein. Sein Ziel ist dabei den Besuchern das Gefühl zu geben, dass sie im Museum nicht als externe Beobachter die kommunistische Vergangenheit im Rahmen einer Trophäensammlung betrachten, sondern das Gefühl entwickeln, dass auch ihr Land Teil dieser Geschichte war.
Sein Studium in Oxford beschloss er passend zum Museum mit einer Dissertation, die sich damit auseinandersetzte, wie der Kontext die Bedeutung der Dinge beeinflusst und bestimmt.

Beyond the Wall – Jenseits der Mauer

  • Essen, Trinken & Rauchen

In diesem fundamentalen Lebensbereich zeigte sich deutlich der Widerspruch zwischen der staatlichen Propaganda und der harten Wirklichkeit im real existierenden Sozialismus. Der alles organisierende Staat hatte einen höheren Lebensstandard als im Westen versprochen, ermöglicht durch die Planwirtschaft. Durch subventionierte Grundnahrungsmittel war sicher gestellt, dass die Hungerjahre in den 1940ern überwunden waren. Bis 1958 beschränkten allerdings Lebensmittelrationierungen die verfügbare Menge, und auch danach kam es regelmäßig zu Engpässen selbst bei Kartoffeln. Trotzdem gewann der Ostdeutsche durch Butter, Fleisch und Fett reichlich an Umfang und wurde vom Parteichef Walter Ulbricht zum Verzehr von mehr Gemüse angehalten, das aber wie Obst nicht in ausreichender Menge vorhanden war. Gerade Südfrüchte, der Bananenmangel diente Jahre nach der Wende lange als Basis für Ossi-Witze, waren wegen der vom Weltmarkt abgeschnittenen DDR Wirtschaft Mangelware. Ein Gefühl von Internationalität stellte sich nur beim Verzehr von russischer Soljanka Suppe oder ungarischem Letscho ein, Produkte die man aus sozialistischen Bruderstaaten importierte.
Neben den staatlich geführten Einzelhandelsketten Konsum und Handelsorganisation (HO) gab es für privilegierte Genossen teure Spezialläden, die den sozialistischen Gleichheitsanspruch konterkarierten. In den Intershops konnten gegen (oft von BRD Verwandten geschenktem) Westgeld begehrte Produkte erworben werden. Ab 1966 gab es in den Delikat-Läden hochwertige Lebensmittel gegen DDR Mark. Mit Beziehungen, umgangssprachlich Vitamin B genannt, organisierte man sich parallel zu den staatlichen Einkaufsmöglichkeiten rare Güter. Glückliche Bürger mit guten Kontakten zu den Leitern der HO-Läden hatten Zugriff auf „Bückware“, die unter dem Ladentisch gehandelt wurde.
Trotz der so genannten ’sozialistischen Wartegemeinschaften‘, die sich spontan und schnell vor Läden mit einem besonderen, kurzfristigem Angebot bildeten, sahen es offizielle Stellen geboten, für ihre Läden mit Plakaten mit glücklichen Menschen vor vollen Regalen zu werben. Dies geschah wohl weniger zur Steigerung des Absatzes, als vielmehr zum bildlichen Beweis eines funktionierenden Versorgungssystems.
Dem Mangel an Vielem und Überschuss an Einigem begegnete man pragmatisch mit entsprechenden Rezepten im Standard-Kochbuch ‚Wir kochen gut‘, das seine Gerichte auf die Verfügbarkeit in den Kaufhallen abstimmte.
Wem der Sinn eher nach einem Restaurantbesuch stand, der fand die Gerichte in den Anfangsjahren der DDR auf Schreibmaschinendurchschlägen als Speisekarten, die mit zunehmenden Ansprüchen wie die Speisen selbst anspruchsvoller gestaltet wurden, teils mit Gebirgs- oder Meereskulisse als Illusion einer Fernreise.
Der DDR Bürger sprach gerne und in größeren Mengen als der BRDler dem Alkohol zu, bei dem es scheinbar nie zu Engpässen kam, obwohl sich der Staat doch um Begrenzung des Alkoholismus‘ bemühte. Vom Bier bis hin zu Hochprozentigem war eine Vielzahl von regionalen, aber auch überregional bekannten Marken wie Berliner Pilsner, erhältlich. Nach der Wende überlebten davon nur wenige, so zum Beispiel der Rotkäppchen-Sekt und das Radeberger Pilsner.

  • Zuhause

Im Zweiten Weltkrieg waren 41% der Wohnungen auf dem Gebiet der DDR zerstört worden. Bis Mitte der 1950er Jahre begrenzte die stalinistische Ideologie die staatlichen Bemühungen dem Mangel an Wohnraum und den elenden Wohnzuständen auf dem Niveau des 19. Jahrhunderts entgegenzuwirken. Möbel und Haushaltswaren wurden nach dem Motto „National in der Form, sozialistisch im Inhalt“ fabriziert. Gutbürgerliches also im Stil des vorangegangenen Jahrhunderts, ungeeignet für die kostengünstige Massenproduktion.
Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow sah sich durch den Wohlstand im Westen und speziell das Westdeutsche Wirtschaftswunder herausgefordert und gab das Ziel aus, dass die sozialistischen Länder den Westen bei der Versorgung mit Wohnraum und Konsumgütern übertrumpfen müssten. Die Produkte wurden für die Massenproduktion neu entworfen, traditionelle Formen wurden von an Bauhaus und Konstruktivismus orientierten Entwürfen abgelöst. Fortschrittliche und funktionale Designs eroberten schnell die Verkaufsräume; einen ausreichenden Nachschub konnte die Planwirtschaft aber nicht sicherstellen. Da die DDR über wenige Rohstoffe verfügte, konzentrierte man sich bald auf Kunststoffe als Ausgangsmaterial. Die chemische Industrie der DDR wurde ein bedeutender Industriezweig, die Region Bitterfeld erlangte eine unrühmliche Bekanntheit als Umweltverschmutzer. Plaste als synthetischem Material wohnte im Sozialismus eine futuristische und utopische Anmutung inne. Bekannte Namen waren die Intecta-Wohnzimmereinrichtung aus polyethylenbeschichteten Holzpressplatten oder die Ratioküche, die mit der harten Kunststoffbeschichtung Sprelacart versehen war.
Das 1973 initiierte „Wohnungsbauprogramm“ sorgte dafür, dass bis zur Wende im Jahr 1990 etwa die Hälfte aller DDR Bürger in nahezu identischen, massenproduzierten Wohnungen in mehrgeschossigen Plattenbausiedlungen aus Betonfertigteilen wohnten. Bundesweit bekannt wurde die „Platte“ Berlin-Marzahn.
In den Plattenbauwohnungen diente das Wohnzimmer als zentraler Ort der gemeinsamen Erholung der Familie. Die Wohnzeitschrift ‚Kultur im Heim‘ (1957-1989) empfahl den DDR Bürgern wie sie den Wohnbereich effektiv einrichten konnten bzw. wie man ältere Unterkünfte mit neuem, funktionalen Mobiliar ‚aufmöbeln‘ konnte. Wie auch im Westen (!) zog die Schrankwand, bestehend aus offenen Regalen und geschlossenen Schrankelementen, als unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Wohnung ein. Ab Anfang der 1970er Jahre deckten Stühle und Tische aus Polyurethan (PUR) den wachsenden Bedarf. Das bekannteste, vom volkseigenen Betrieb VEB PCK Schwedt hergestellte, PUR Erzeugnis war der Freischwinger Kangaroo, dessen Design-Vorbilder sowohl der Bauhaus Kragstuhl als auch der dänische Panton chair waren. Ähnlich bekannt und ebenfalls aus PUR sind die Gartensitzeier (Garden Egg Chair) des ungarischstämmigen Designers Peter Ghyczy, die sich durch Öffnen der Rückenlehne von einem wasserdichtem, eiförmigen Objekt in einen Gartensessel verwandeln lassen.
Haushaltswaren wie Mixer, Toaster, Kaffeeautomat, Thermoskanne, Staubsauger oder Bohrmaschine, die wichtigen „kleinen Dinge“ des Alltags waren trotz oder wegen planwirtschaftlich bestimmter Produktion oft Mangelware, sehr zum Unmut der Bevölkerung, der der Überfluss im Westen nicht verborgen blieb. Dem sollte das 1958 verabschiedete Chemieprogramm entgegen wirken, durch das fehlende Rohstoffe wie Baumwolle, Holz, Glas, Aluminium und Kautschuk substituiert werden sollten. Derart zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen gezwungen, waren die Plastikartikel, anders als im Westen, nicht als billige Wegwerfartikel gedacht, sondern für einen langfristigen Gebrauch konzipiert.
Ganz im Sinne der sozialistischen Erziehung wurden Kinderspielzeug und Spiele entworfen. Rollenspiele für Jungen wie Mädchen sollten auf die vorgesehene Stellung in der Gesellschaft vorbereiten. Treuer Begleiter der Kinder war das Sandmännchen des ostdeutschen Fernsehens, als eine die Ideologie unterstützende Einschlafhilfe.
Die noch heute sehr begehrten Spielzeugtiere der DDR-Designerin Renate Müller waren aus weichen Materialien wie Stoff und Leder gefertigt. Alte Originale, der schon in den 1970ern in der DDR regelmäßig preisgekrönten Tiere, erzielen heute enorme Preise bei Auktionen.
Im Kapitel Zuhause finden sich auch zahlreiche Abbildungen zu den Themen Familie, Hygiene und Toilettenartikel, die eine Bild vom Leben im Privaten zeichnen.

  • Design & Mode

Die DDR als einer der beiden Nachfolger des Deutschlands, das mit dem Deutschen Werkbund und dem Bauhaus die internationale Kunst- und Designentwicklung im 20. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst hat, tat sich schwer mit diesem Erbe. Nach dem Krieg besetzten zunächst ehemalige Bauhausmitglieder wie Mart Stam führende Positionen, um der DDR zu einer eigenständigen sozialistischen Designkultur zu verhelfen. Regelmäßig fielen die Bauhaus Lehren in Ungnade, das erste Mal bereits im Rahmen einer politischen Kampagne gegen die funktionale Ästhetik in den 1950er Jahren. Die Bauhaus Prinzipien wurden verfemt, ihre ehemaligen Mitglieder verließen enttäuscht die DDR. Einige Jahre später wurde der Modernismus im Produktdesign und bei der Mode wieder akzeptiert. Im Gegensatz zu den schnellen Wechseln im Westen wurde bei der Kleidung Ost Wert auf Tragbarkeit, also Funktionalität, und Langlebigkeit gelegt. Entgegen den bekannten und bewunderten Top-Designern im Westen, stand im sozialistischen Osten das Designkollektiv im Vordergrund, wodurch nur selten einzelne Designer bekannt werden konnten.
Das Produktdesign war zwar durchaus auf der Höhe der Zeit, die darin enthaltene Technik von Radios, TVs oder Stereoanlagen hinkte den Westprodukten hinterher. Einzig der Büromaschinenhersteller VEB Kombinat Robotron produzierte qualitativ hochwertige Taschenrechner, Schreibmaschinen, Drucker und Computer, die auch in den Westen exportiert werden konnten. Im Kalten Krieg waren die Wissenschaftler und Ingenieure die Protagonisten, die dem Westen die Leistungsfähigkeit des Sozialismus‘ demonstrieren sollten. Wegen der Radiowellen, die vor Landesgrenzen nicht Halt machten (außer man benutzte Störsender) und konterrevolutionäre Parolen verbreiten konnten, wurde der Empfang von Westsendern mit schmerzhaften Sanktionen geahndet. Trotzdem erlaubte die politische Führung die Produktion von Kofferradios im westlichen Stil, für den portablen Musikgenuss im Park und auf Partys. Aber auch die Designer von Fernsehgeräten und Plattenspielern orientierten sich bei deren Gestaltung am Westen.
Auf dem Gebiet der DDR fanden sich ebenfalls Traditionsunternehmen wie Kahla oder Meißen für Porzellan und Jenaer oder Lausitzer Glas, die vor, während und nach der DDR erfolgreich waren.
Das Kunsthandwerk produzierte Vasen, Kerzenständer und Wandteller, aber auch für den Personenkult Figuren von politischen Schwergewichten, meist aus Keramik, geblasenem Glas oder Porzellan. Die Manufakturen befanden sich vor allem im Süden, in Sachsen und Thüringen, und waren spezialisiert auf bestimmte Produkte. Gewisse Ähnlichkeiten mit Westerzeugnissen aus dieser Zeit sind offensichtlich.

  • Unterhaltung & Erholung

Sammelwürdiges findet sich auch in diesem Bereich, wie zum Beispiel Schallplatten, sei es wegen der Musik oder der Cover Gestaltung. Sie dienten zur Zerstreuung, um die Alltagsprobleme hinter sich zu lassen, wobei nach offiziellem Sprachgebrauch die Freizeit zur Erholung dienen sollte, um danach mit neuem Elan und neuer Energie den Aufbau des sozialistischen Staates mitzugestalten.
Neben Musik hören zählten Lesen – als Ausdruck des politischen Engagements, Sport – zur Stärkung der Arbeitskraft und des Kollektivs, und Fotografie zu den beliebten Hobbies, zur Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit der DDR Bürger.
Ein stark nachgefragtes Print Produkt war die bereits 1924 gegründete und nach dem Krieg im Jahr 1954 wieder erschienene Monatszeitschrift ‚Das Magazin‘, mit seinen internationalen Karikaturen, kosmopolitischen Beiträgen und erotischen Fotos anerkannter DDR Fotografen. Am Kiosk schnell vergriffen, war es fast nur im Abonnement zu beziehen.
Die Amateurfotografie, als gesellschaftlich fortschrittliche Freizeitaktivität ganz im Sinne des Sozialismus‘, erzeugte eine konstante Nachfrage nach Ausrüstung und Filmmaterial, die größtenteils von ORWO (ORiginal WOlfen ab 1964), dem aus dem Vorkriegskonzern Agfa hervor gegangenem Unternehmen, gedeckt wurde. Auf Grund von Missmanagement schaffte ORWO den Übergang in die Marktwirtschaft nach 1990 nicht.
Der Traum vom schnellen Glück konnte mit dem Tele-Lotto am Sonntagabend wahr werden. Diverse Werbemittel, die mit Geld oder Auto Gewinnen zur Glücksspiel Teilnahme verführen sollten, werden im Buch präsentiert. Wer keine Reise beim Lotto gewann, konnte sich auf den zahlreichen und beliebten Campingplätzen, darunter auch einige FKK Anlagen, erholen.
„Jedermann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport.“ Dies war die minimale Vorgabe des Ersten Sekretärs und Staatschefs Walter Ulbricht. Allgemein galten Sport und die damit verbundene Fitness als positiver Faktor zum Erhalt der Arbeitskraft. Die DDR war neben der UdSSR im Ostblock am stärksten sportorientiert. Straff organisierte Auswahlverfahren und breite staatliche Unterstützung der Talente, bei der auch vor Doping nicht Halt gemacht wurde, sorgten regelmäßig für Spitzenleistungen bei Sportwettkämpfen wie den Spartakiaden, den internationalen Sportveranstaltungen im Ostblock. Der höchste Erfolgsdruck lastete auf den Sportlern, die an den Olympischen Spielen ihr Land als „Diplomaten im Trainingsanzug“ vertraten und deren große sportliche Erfolge als Beweis für die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftsmodells dienten.

  • Reise & Verkehrswesen

Rund 160km Mauer, die die drei Westsektoren Berlins umschlossen, sollten ab dem 13. August 1961 die DDR, laut deren Propaganda, vor dem Westen schützen. Der eigentliche Zweck der Mauer bestand aber darin, die ungebremste Abwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern zu beenden, die das Wirtschaftssystem fast kollabieren ließ. Mit der Mauer verbindet man noch immer die stark eingeschränkte Reisefreiheit der DDR Bürger, deren Reise- und Urlaubsziele meist notgedrungen in der DDR, aber bitte nicht zu nahe am Sperrgebiet des Eisernen Vorhangs – Republikflucht Gefahr!, lagen. Neben den fast ausschließlich den unproduktiven Rentnern erlaubten Westreisen, waren Reisen ins sozialistische Ausland, besonders in die als international geltende Stadt Prag oder an den ungarischen Plattensee, begehrt. Die Reiseziele wurden in den Mitropa-Schlaf- und Speisewagen, dem eigenen Pkw – meist ein stinkender Zweitakter der Marke Trabant (Trabi) – oder der nationalen Fluglinie Interflug angesteuert. Benutzte der Individualreisende DDR-Landkarten, so zeigten diese jenseits des Eisernen Vorhangs nur leere Gebiete – Terra incognita! Der Trabant wurde ab den 1950er Jahren in den Sachsenring-Werken Zwickau gebaut. Mit einer Karosserie aus rostfreiem Duroplast und angetrieben von einem Zweitaktmotor, war er ein extrem billiger Pkw, der weder rares Stahlblech noch hochwertigen Treibstoff benötigte. Das hochwertigere DDR Automobil war der Wartburg aus Eisenach. Weltweit halten zahlreiche Trabi-Klubs die Erinnerung an das Kultfahrzeug (Kinofilm „Go Trabi Go“, 1991) wach.
Eine Reise auf dem Luxuskreuzfahrtschiff – Luxus! welch sozialistischer Widerspruch – MS Völkerfreundschaft galt als die ultimative Belohnung für den Dienst am Staat oder konnte im Lotto gewonnen werden. Im Buch sind zahlreiche Illustrationen, Broschüren, Reiseprospekte, Fotos, Tagesprogramme beim Landgang und Erinnerungsstücke abgebildet, die ein für die Zeit und die Umstände beachtliches Maß an Luxus zeigen.

  • Arbeit & Bildung

Die sozialistische Früherziehung begann schon in den Kinderkrippen, sollte doch nichts Geringeres als eine „allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit“ am Ende des Bildungs- und Erziehungsprozesses stehen, die sich dem Kollektiv unterordnet. Im Gegensatz zu Westdeutschland, wo die Frau zunächst ihren Platz am heimischen Herd hatte, wurde die Berufstätigkeit der Frauen gefördert und gefordert. Die finanzielle Unabhängigkeit der berufstätigen Frauen führte zu hohen Scheidungsraten. Die Frauen mussten sich auch nicht vor Arbeitslosigkeit fürchten, es gab eine Arbeitsplatzgarantie, selbst wenn es keine Arbeit gab. Der Umbau der Wirtschaft zum sozialistischen Ideal, in dem es keine kapitalistische Ausbeutung mehr gab, geschah mit mehreren Enteignungswellen und der Schaffung der Volkseigenen Betriebe (VEB) im industriellen Sektor und der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) im Agrarsektor. Das Buch zeigt zahlreiche Bilddokumente von der Schule bis hin zur kollektiven Arbeitswelt.

  • Politik

Eingesperrt und gleichzeitig ausgesperrt: dies galt für den größten Teil der DDR Bevölkerung. Eingesperrt ins Territorium des Ostblocks und ausgesperrt von den politischen Entscheidungsprozessen. In diesem Abschnitt gibt das Buch mit viel abgebildetem Propaganda Material Auskunft, wie die Staatsführung in späteren Jahren ein euphemistisches Bild der sozialistischen Überflussgesellschaft zeichnete und wie sie etwa über die sozialistischen Vereinigungen FDJ (Freie Deutsche Jugend) und FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) die Bürger lenkte. Wer trotz der staatlichen Manipulationen am System zweifelte, lernte die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS oder Stasi) kennen. Zum Ausspionieren der eigenen Bevölkerung verfügte die Stasi über ein breites Sortiment an Agentenausrüstung, von dem im Buch einige ‚Highlights‘ präsentiert werden. Feinde des Sozialismus‘ wurden von Kampfgruppen der Arbeiterklasse und der Nationalen Volksarmee (NVA) bekämpft. Trotz umfassenden Anschauungsmaterials, auch aus so emotionalen Bereichen wie Grenzschutztruppen, NVA oder Stasi, bleibt das Buch unpolitisch in der Rolle des außenstehenden Beobachters.
Auf vielen Seiten werden sozialistischer Nippes wie Gedenkteller, Staatsgeschenke sowie Büsten historischer und politischer Persönlichkeiten dargestellt. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich mit Erich Honecker, der als Nachfolger Walter Ulbrichts ab 1971 die zweite Hälfte der DDR Geschichte prägte, und der den wirtschaftlichen und damit den politischen Untergang nicht verhindern konnte.
Nahezu alle Jahrgänge der Zeitung ‚Neues Deutschland‘ finden sich in den Beständen des Wende-Museums. Die offizielle Tageszeitung, das Zentralorgan der SED, war 1946 gegründet worden und ersetzte die Parteizeitungen von SPD und KPD. Die Ausgaben zeigen wie sich die DDR darstellen wollte und wie sie die Wahrnehmung des Auslands bei den DDR Bürgern beeinflusste.

  • Bildersturm & Gegenkultur

Das letzte der acht Hauptkapitel beschäftigt sich mit der Macht der Bilder – ein Bild sagt mehr als 1000 Worte! Als Ausgleich und Ventil zum allgegenwärtigen und übermächtigen Staat zogen sich viele DDR Bürger in eine soziale, intellektuelle oder künstlerische Nische zurück. So entstand eine „Gegenkultur“ aus vielen losen Initiativen ab den späten 1970er Jahren, die solange geduldet wurde, wie sie auf das Private beschränkt blieb. Andernfalls drohten Repressalien von Ausschluss, Einschüchterung, Freiheitsentzug mit und ohne Folter bis hin zur Ausweisung. Die Gegenkultur zweifelte zunächst nicht an der Legitimität des sozialistischen Staates, sondern gestaltete eine künstlerische Parallelwelt, mit sehr viel Persönlichem und ohne den staatlich verordneten sozialistischen Optimismus. Ab den 1980er Jahren entwickelten sich alternative Jugendkulturen wie etwa DDR Punks, mit großem Einfluss auf Lebensstil, Kleidung und Musik von weiten Teilen des DDR Nachwuchses. Die aufmüpfige Jugend leistete so ihren Beitrag zum historischen Ereignis Mauerfall, nach dem viele unantastbare Symbole des alten Regimes, wie zum Beispiel der „Pink Lenin“ oder „Erich Honecker im Fadenkreuz“, künstlerisch ‚überarbeitet‘ wurden und so in neuem Kontext eine neue Bedeutung erhielten. Durch ein paar respektlose Striche und Kreise mit einem schwarzen Marker verwandelt sich der einst gefürchteten Staatschef schnell zu einer Zielscheibe. Diese künstlerisch umgedeuteten Stücke waren bald wie die von „Mauerspechten“ abgetragenen Teile der Berliner Mauer Sammelobjekte und Flohmarktware.

Der Leser gewinnt durch die Darstellung der visuellen und materiellen Kultur im Buch einen guten Eindruck davon, wie das Leben in der DDR von der Geburt bis zum Tode staatlich gelenkt war, ohne dass das Buch eine ideologische Botschaft verbreiten will. Es versucht viel mehr einen Reichtum an Facetten darzustellen, den man diesem unfreien Staat nicht zugetraut hätte. Trotz straffer staatlicher Lenkung gab es gewisse Freiräume für den Einzelnen; die meisten der DDR Bürger hatten sich in ihrem Staat eingerichtet und mit den Lebensumständen arrangiert. Selbst eine Hip-Hop-Bewegung konnte sich entwickeln, die FDJ stellte sogar Urkunden für Break-Dancing aus, die sich jetzt in den Museums Beständen finden.
Als besonderes Highlight liegt dem Band im Schuber ein 56-seitiges Faksimile eines originalen DDR Familienalbums bzw. Reisetagebuchs bei. Es wurde zwischen 1966 und 1969 vom Rentner Ehepaar P. aus Friedrichshagen in Ost-Berlin erstellt. Sorgfältig haben die beiden ihre Reisen mit eingeklebten Ansichtskarten, Zeitungsausschnitten, Eintrittskarten und Fotos dokumentiert. Wie viele andere waren auch die P.s von Teilen ihrer Familie getrennt, konnten diese aber als Rentner immer wieder im Westen besuchen. Das Tagebuch gibt Einblicke in beide Welten, dies- und jenseits der Mauer.
Unzählige Verweise auf Multimediainhalte mit Original-Film- und Tondokumenten aus der DDR ergänzen das Gedruckte.

Und bei der nächsten USA Reise steht auch ein Abstecher in die kalifornische DDR auf dem Programm…