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25 Jahre Internationales Keramik-Museum Weiden

Von der Kaffeetasse aus Porzellan am Morgen über die Keramikvase im Büro bis hin zum abendlichen kühlen Bier aus dem Steinzeug Krug: keramische Produkte begleiten uns im Alltag, ohne dass wir ihnen große Beachtung schenken. Die oftmals geringe Wertschätzung dieser einst begehrten und behüteten, man denke nur an das ‚gute“ Kaffeeservice, reserviert für das sonntägliche Kuchenessen, ist das Resultat einer Jahrzehnte langen Überflutung von billigen Massenartikeln aus Asien mit meist minderer Qualität, sowohl ihre Herstellung als auch ihre Gestaltung betreffend. Um die Bewahrung und Dokumentation dieser uralten handwerklichen Tradition, die sogar als Indikator für die Bewertung des Entwicklungsstandes vergangener Zivilisationen mit heran gezogen wird, hat sich seit 25 Jahren das Internationale Keramik-Museum in Weiden verdient gemacht. Gleichzeitig hatte das Museum stets ein Auge auf die spannendsten Entwicklungen zeitgenössischer Künstler. Zwar sind 25 Jahre wenig im Vergleich zum Alter der ausgestellten Stücke, das teilweise in die Jahrhunderte und Jahrtausende geht, trotzdem lohnt es sich, sie rückblickend zu betrachten. Dies kann man nun in der Jubiläumsausstellung „25+ Highlights“ vom 05.07.2015 bis zum 10.04.2016.

Zur Geschichte des Museums

Ob Zufall oder politische Vorahnung, pünktlich zur Wende und zum Mauerfall öffnete mitten im Prozess der Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands im April 1990 das Internationale Keramik-Museum Weiden seine Pforten. Das ursprüngliche politische Signal, das das Bayerische Kabinett mit seinem 1979 verabschiedeten Museumsentwicklungsprogramm setzen wollte und das zum Ziel hatte, staatlichen Museumsbesitz überall – auch in den strukturschwachen Gebieten an den Landesgrenzen – in Bayern zugänglich zu machen und dafür Zweigmuseen einzurichten, bekam nun ganz neue Dimensionen. Der Zerfall des Warschauer Pakts und der Fall des Eisernen Vorhangs verschoben die Stadt Weiden von der extremen Randlage an der fast undurchdringlichen Ostgrenze von Nato und EU in eine zentrale Position des sich schnell einwickelnden Austauschs zwischen Ost und West, speziell zwischen Tschechien und Bayern.
Im Jahr 1980 begannen noch im Bayerischen Nationalmuseum die ersten Planungen zu einem Keramikmuseum, motiviert durch die Tatsache, dass die verschiedensten Staatsmuseen reiche Bestände an Keramik vorweisen konnten, die ihr Dasein größtenteils in Depots fristeten. 1982 beauftragte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Die Neue Sammlung – das Staatliche Museum für angewandte Kunst und Design – mit der Planung und Realisierung des neuen Zweigmuseums. Schnell war der Standort Weiden, damals ein Zentrum der bayerischen Glas- und Porzellanindustrie, gefunden. Untergebracht ist das Museum im „Waldsassener Kasten“, einem der prächtigsten Barockbauten in Weiden. Erbaut zwischen 1739 und 1742 von Frater Johann Jacob Philipp Muttone (1699-1775), dem Baumeister und Baudirektor des Zisterzienserklosters Waldsassen, hatte es bereits eine bewegte Geschichte hinter sich, die eine umfangreiche Sanierung erforderte. Bei dieser wurden mit großem Respekt vor der historischen Substanz die erforderlichen neuen Bauteile bewusst modern, aber zurückhaltend, gestaltet.

Konzeption und Inhalt

Die Neue Sammlung entwarf für das Keramik-Museum ein neuartiges und – im Nachhinein betrachtet – sehr erfolgreiches Konzept, wonach alternierend alle bayerischen Staatsmuseen mit Keramikbeständen längerdauernde Ausstellungen in Weiden ausrichten. Dadurch kann es international einzigartig mit keramischen Objekten zeitlich von vorgeschichtlicher Zeit bis zur Gegenwart, also über 7000 Jahre, und geografisch aus den verschiedensten Regionen der Welt (Altägypten, das antike Griechenland, Vorderer Orient und Mittelmeerraum, Afrika, Südamerika, China) glänzen. Dieses Alleinstellungsmerkmal erweist sich als Publikumsmagnet, erlaubt es in einem Haus einen unvergleichlichen Überblick zu Reichtum und Vielfalt dieses Werkstoffes zu erhalten, der die Menschheitsgeschichte seit Urzeiten begleitet.
Dem Konzept folgend, trugen bereits zur Eröffnung im Jahr 1990 vier bayerische Staatsmuseen mit einer stattlichen Auswahl aus ihren Beständen bei: die Ägyptische Staatssammlung (später umbenannt in Staatliches Museum Ägyptischer Kunst), die Prähistorische Staatssammlung (später: Archäologische Staatssammlung – Museum für Vor- und Frühgeschichte) mit Exponaten aus dem Zweistromland, das Bayerische Nationalmuseum mit einer privaten Sammlung europäischen unterglasurblauen Porzellans und Die Neue Sammlung mit europäischer Keramik des 19. und 20. Jahrhunderts: vom einfachen Gebrauchsgeschirr über Studiokeramik bis zu technischer Keramik.
Im Sinne eines lebendigen Hauses wurde die Dauerausstellung regelmäßig überarbeitet, neu konzipiert und mit wechselnden Objekten bestückt. Diese kamen entweder aus den Depots der Staatsmuseen oder das Museum verdankte sie den großzügigen Schenkungen von Sammlern oder einzelnen Keramikern, die ihm als Vor- oder Nachlässe übereignet wurden.
Als fünftes beteiligtes Staatsmuseum brachte im Jahr 2007 das Staatliche Museum für Völkerkunde (heute Museum Fünf Kontinente) Keramik aus Lateinamerika und Asien in die Ausstellung ein. Den durch das Ausscheiden des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst im Jahr 2011 frei gewordenen Ausstellungsraum füllte Die Neue Sammlung mit modernen Keramiken der Sammlung Egner. Als bisher sechstes am Internationalen Keramikmuseum Weiden beteiligtes Staatsmuseum brachten die Staatlichen Antikensammlungen einen Teil ihrer wertvollen Bestände ein.
Die Klassische Antike wie auch die anderen Bereiche verfügen somit über Objekte höchster Qualität und sichern dadurch dem Internationalen Keramik-Museum Weiden einen führenden Platz in der europäischen Museumslandschaft. In dem Museum kann man anschaulich die historische Entwicklung dieses (Kunst-)handwerks erleben: Geschichtsunterricht am Objekt!

Sonderausstellungen

Ein weiteres wichtiges Instrument im Sinne eines lebendigen Hauses sind die Sonderausstellungen zu unterschiedlichen Themen, die Die Neue Sammlung nach Aktualität und im Hinblick auf Abwechslungsreichtum auswählt und veranstaltet. So ergaben sich Ausstellungsthemen wie „Moderne Keramik aus der Republik China auf Taiwan“, „Porzellan aus China. Die Sammlung Seltmann“, „Brennpunkte – Keramikfachschulen seit 1875“ oder „Europäische Keramik heute“ (2005).
Aber auch einzelne Persönlichkeiten wurden mit umfassenden Sonderausstellungen geehrt: die Werkstattgemeinschaft von Elly Kuch (1929-2008) und Wilhelm Kuch (1925) im fränkischen Burgthann mit Plastiken, Gebrauchs- und Baukeramik; Karen Müller (1939), Elisabeth Schaffer (1935), Görge Hohlt (1930) und Walther Stürmer (1933) mit ihren Unikaten im Bereich des Studioporzellans; Beate Kuhn (1927) als eine der bedeutendsten deutschen Keramikerinnen des 20. Jahrhunderts; der österreichische Keramiker Roland Summer mit seinen von Hand aufgebauten Gefäßen und der sich zwischen Handwerk und Kunst bewegende deutsche Keramiker und Pädagoge Walter Heufelder. Herausragend war die Ausstellung über Eva Zeisel (1906 Budapest – 2011 New York), mit der eine einzigartige, internationale Karriere und ein bewegtes Leben nachgezeichnet wurden.
Im Jahr 2014 würdigte das Museum das Werk von Hans Theo Baumann (*1924 Basel), Mitbegründer des VDID (Verband Deutscher Industrie-Designer) und wichtiger Impulsgeber der deutschen Porzellanindustrie (Rosenthal, Thomas, Arzberg, Schönwald, Hutschenreuther und KPM Berlin) mit der Ausstellung „Von der Serie zum Unikat“.
Mit der Auswahl der Themen der Sonderausstellungen hat die Neue Sammlung im Internationalen Keramik-Museum Weiden die Vielschichtigkeit der modernen Keramik vermittelt und über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren abgebildet, vom Jugendstil bis in die unmittelbare Gegenwart. Dabei bekamen sowohl industrielle Produktionen und Manufakturen als auch künstlerische Einzelstücke genügend Beachtung. Auch der geographische Rahmen war global ausgerichtet: von Deutschland und Europa bis Asien und Amerika.

Die Keramiksammlung

Für das Internationale Keramik Museum in Weiden ist es ein Glücksfall, dass sich Die Neue Sammlung von Anbeginn ihres Bestehens mit der Keramik befasst und diese gesammelt hat. Bereits im Gründungsjahr 1925 wurden Objekte auf der berühmten Pariser Weltausstellung „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“ erworben. Zur gleichen Zeit konnte man auch über die rund 2000 Objekte der Sammlung des Münchner Bundes – 1911 durch die Umbenennung der 1903 gegründeten „Münchner Vereinigung für angewandte Kunst“ entstanden – verfügen, die noch in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg angelegt worden war. Ein knappes Viertel dieses Schatzes bestand aus keramischen Arbeiten, darunter Unikate, z.B. von Julius Scharvogel, Friedrich Adler oder den Keramischen Werkstätten Herrsching, und plastischen Bildwerken, u.a. Porzellanfiguren Ernst Barlachs für die Schwarzburger Werkstätten. Manufakturell oder industriell produzierte Gebrauchskeramik wie Seriengeschirr aus Porzellan, Steingut oder Fayence stand ebenso im Mittelpunkt des Interesses, wodurch von Beginn an Produkte der Berliner Porzellanmanufaktur (KPM), von C. M. Hutschenreuther, Lorenz Hutschenreuther, der Porzellanmanufaktur Nymphenburg, der Porzellanfabriken Bauscher und Thomas, Haviland, Villeroy & Boch und Rosenthal durch die Aufnahme in die Sammlungsbestände vorbildhafter Keramik der damaligen Gegenwart geadelt wurden. Für Erwerbungen nutzte Die Neue Sammlung die Kunstgewerbeausstellungen, die von der wieder erlangten Leistungsfähigkeit des deutschen Handwerks kurz nach dem verlorenen Weltkrieg zeugen sollten. Bei der „Deutschen Gewerbeschau“ (1922) kaufte der Bayerische Staat u.a. Schalen von Paul Dresler, Figuren von Joseph Wackerle und Arbeiten von Max Laeuger und Wolfgang von Wersin. So sichtete man anfangs das Angebot auf großen europäischen Ausstellungen und auf Messen, wie der seit 1920 jährlich stattfindenden Grassimesse in Leipzig. Dies änderte sich ab 1926, als man unter Umgehung der großen Veranstaltungen den direkten Kontakt zu Herstellern und Entwerfern suchte, um bei diesen in großem Umfang einzukaufen. In dieser Zeit erwarb der erste Direktor der Neuen Sammlung, Günther Freiherr von Pechmann (1882-1968) in Dessau wichtige Beispiele der Keramik des Bauhauses wie von Marguerite Friedlaender, wodurch Die Neue Sammlung die ältesten und damals auch umfangreichsten Bestände von ihr besitzt. Unter dem zweiten, ab dem 1.Juli 1929 amtierenden Direktor, dem Architekten und Designer Wolfgang von Wersin (1882-1976) fokussierte sich der Ankauf auf das Industriedesign mit Produkten der Porzellanfabriken Schönwald, Bauscher, Augarten, Hutschenreuther, Villeroy & Boch, der Porzellanmanufaktur Nymphenburg, aber auch der Steingutfabriken Wächtersbach, Wittenberg und Elsterwerda oder der Fürst Adolf Werkstätte Bückeburg. Dieser günstigen Massenware widmete sich die Ausstellung „Der billige Gegenstand“, wodurch ihr, sehr zum Entsetzen des Handwerks, auch noch ästhetische Qualität zugesprochen wurde.
Die Nationalsozialisten, die bereits das Bauhaus geschlossen hatten, gliederten zunächst die Neue Sammlung wieder in das Bayerische Nationalmuseum ein Die Sammlungstätigkeit wurde stark reduziert und ideologisch neu ausgerichtet. Schlimmer noch war der Verlust durch die politische „Säuberung“ der Bestände, vor allem der als jüdische Ramschware verunglimpften Objekte der Ausstellung „Der billige Gegenstand“. Ab 1940 wurde das Museum ganz geschlossen.
Nach 1945 setzte der Gründungsdirektor Günther von Pechmann, der erneut zum Direktor ernannt worden war, den Auf- und Ausbau des Keramikbestandes mit Arbeiten von Keramikern wie Franz Eska, Gusso Otto Reuss, Hubert Griemert, Walter Popp, Otto und Albrecht Hohlt, Wilhelm Kagel, Clary von Ruckteschell-Truëb, Rainer von Hoesslin oder auch Fritz Koenig erfolgreich fort. Außerdem wurde nun erstmals retrospektiv erworben, so etwa Objekte von Max Laeuger oder Richard Riemerschmid.
Ungestört von politischer Einflussnahme konnte nun das Museum wieder selbst seine Schwerpunkte definieren. Mal war es Serienporzellan, dann wieder Unikatkeramik oder traditionelle Töpferarbeiten. Ab 1965 steigerten regelmäßig keramische Nachlässe von Sammlern das Potenzial der Sammlung. Französische Jugenstilkeramik stand ab 1967 verstärkt auf der Wunschliste.
Ab 1980 wurde das Museum unter Hans Wichmann reorganisiert, mit der Folge, dass sich die Zahl der Neuerwerbungen pro Jahr verdoppelte oder verdreifachte, und dass man sich wieder mehr auf das internationale Industriedesign, auch aus der ersten Hälfte des Jahrhundert, konzentrierte und bestehende Lücken schloss. Aber auch die ursprüngliche Intention der Neuen Sammlung wurde wieder mehr beachtet: die Auseinandersetzung mit dem Design der Gegenwart. Die sich abzeichnende Neugründung des Internationalen Keramik-Museums Weiden führte zu einem starken Anstieg der Akquisitionen. Unter Florian Hufnagl wurde ab 1990 diese Sammlungspolitik kaum verändert fortgeführt, da nun zwei Museumsneubauten in München und Nürnberg die Museumsmitarbeiter in Anspruch nahmen. Allerdings bezog man unter Hufnagl nahezu erstmals den Aspekt der Dekore als Gestaltungsmerkmal mit ein.
Der Rückblick auf 25 Jahre Keramikmuseum Weiden verbindet sich mit dem Blick auf mehr als 100 Jahre Sammlungsgeschichte der Neuen Sammlung, wobei abhängig vom Direktor unterschiedliche Ankaufspräferenzen deutlich werden. Man sieht, wie sich die beiden wichtigen Säulen ihres Keramikbestands, die Unikatkeramik und die seriell produzierte Keramik mit dem Bereich technische Keramik (Isolatoren, Gussformen, Laborgefäße), unter den Bedingungen ihrer Zeit und den Intentionen des Museums entwickelt haben. Die traditionelle Keramik als dritter Bereich nimmt zwar nur wenig Raum ein, ihre über die Jahrhunderte transportierten Formen sind aber für das Gesamtbild von Bedeutung.
Nach 25 Jahren hat sich das Weidener Museum als Glanzlicht über die Grenzen der Stadt Weiden hinaus als zukunftsorientierte Institution etabliert. Fast von Anfang an begleitet Oberkonservator Dr. Josef Straßer das Internationale Keramikmuseum von der Neuen Sammlung – The International Design Museum in München aus. In dieser Zeit ist es ihm immer wieder gelungen, durch die Exponate der Dauerausstellungen, aber auch besonders durch die zeitlich begrenzten Sonderausstellungen, die Spannungsfelder, in denen sich das Schaffen rund um Keramik und Porzellan befindet, (be-)greifbar zu machen: Handwerk und Kunst! Tradition und Gegenwart! Unikate und Entwürfe für serielle Produktionen in Manufakturen und Industriebetrieben!
Auf weitere spannende Jahre darf man sich freuen, wenn die momentanen finanziellen Engpässe, die das Jubiläum etwas eintrüben, mit Hilfe aller beteiligten Stellen überwunden werden können.