Als nach dem 2. Weltkrieg nach und nach die „Lichter“ wieder angingen, entwickelten sich auch neue Leuchtenkonzepte gegen den „modernen Barock“.
In Frankreich war einer der wichtigsten Protagonisten Serge Mouille, der für Präzision und Klarheit, sowie die Suche nach dem Detail und der Perfektion der räumlichen Form, steht. Die Synthese der handwerklichen „metallischen“ Fähigkeiten des Goldschmieds und der räumlichen Wahrnehmung des Bildhauers ließ einzigartige Leuchtskulpturen entstehen, die einheitlich aus schwarzem Metall gefertigt im Raum immer eine diskrete Präsenz haben, ohne dass ihre Strenge etwas von ihrer Perfektion oder Originalität ihrer Form nimmt.
Als Goldschmied, Entwerfer und Professor an der Französischen Nationalen Hochschule für angewandte Kunst in Paris war er ein Künstler, der seine größte Kreativität im Entwurf und der Herstellung von Leuchten entfaltete. In diesem Bereich schuf er während der Fünfziger und Sechziger Jahre Modelle, die weltweit – von der Fachwelt anerkannt – ihren Platz in den Designmuseen bzw. bei Sammlern gefunden haben. Zusammen mit Jean Prouvé war er der bedeutendste „Metallformer“ seiner Zeit und konnte „aus einem Stück Blech Lampen mit den Händen in der Luft malen“. Seine Leuchten zeichnen sich durch extreme Funktionalität und Sachlichkeit ohne überflüssige Ornamentik aus. Als Decken- oder Wandlampen weisen sie teils monumentale Dimensionen auf. Typisch für ihre Zeit, heben sie sich ab vom vorangegangenen, gerade in Frankreich meist verschwenderischen, Art Déco Stil. Mouille ließ sich zu seinen Formen von der Natur und der Erotik inspirieren und nannte seine Leuchten Auge, Schnecke, Muschel, Huhn, Flamme bzw. den Reflektor der Stehleuchten „tétine“ (umgangssprachlich für die weibl. Brust). Im Zenit seines Erfolgs und im Bewusstsein der Einseitigkeit seines Tuns beendete er 1962 seine Leuchtenentwicklung; gerade rechtzeitig, um nicht vom Künstler zum Lampenhersteller zu mutieren.
Serge Mouille wurde am 24.12.1922 in der Rue Mouffetard in Paris als Sohn eines Polizisten und einer Schneiderin geboren. Obwohl die Eltern zu den einfachen Leuten mit geringem Einkommen zählten, sorgten sie für eine solide Ausbildung ihrer 2 Söhne und ihrer Tochter.
Serge Mouille wuchs zwischen dem Platz „Arenes de Luteces“ und dem Botanischen Garten im sogenannten Mouffetard Viertel auf, wo er, genauso wie auf dem Bauernhof seiner Großeltern mütterlicherseits außerhalb von Paris, während seiner ganzen Jugendzeit Motive zum Zeichnen fand. Nach drei Jahren mit Ergänzungskursen machte er beim Wettbewerb für die „Diderot“ Schule (Ecole Diderot et des Arts Appliqués) mit und wird im Alter von 13 Jahren angenommen. Für seine weitere Ausbildung wählt er 1937 das Goldschmiedeatelier von Gabriel Lacroix, einem Goldschmied und Bildhauer. 1939 verbringt er ein Jahr wegen Tuberkulose im Sanatorium. Bereits 1941 beendet er die Schule für angewandte Künste mit dem Diplom und dem „Certificat d’aptitude professionnelle“ des Goldschmieds. Bis zur Befreiung Frankreichs ist er als Zeichner beim Goldschmied Hénin beschäftigt. 1945 arbeitet er selbständig als Künstler und Modelldesigner für verschiedene Werkstätten sowie für ausländische Auftraggeber, vorallem aus England und Südamerika, und fertigt Bestecke und andere Goldschmiedearbeiten für Tischgedecke.
Fresinet, der Direktor der Hochschule für angewandte Kunst, bittet ihn an einem Wettbewerb teilzunehmen, der es ihm ermöglichen würde, neben Lacroix zu unterrichten. Von sieben Kandidaten wird er erster und somit im Alter von 23 Jahren Assistent. Fortan vertieft er seine Kenntnisse in der Bildhauerei und beschäftigt sich mit Gravuren (Meißeltechnik). Im Auftrag von Pierre Brun realisiert er den 3 Meter hohen Kalvarienberg der Kirche von Géradmer (Vogesen) aus gehämmertem Kupfer.
1953 experimentiert er zusammen mit dem Einrichter Pierre Pothier und dem Bildhauer J.P. Darnat und formt in Handarbeit eine Automobilkarosserie aus Duralinox (Edelstahl). Er setzt sie auf ein Fahrgestell des Autohersteller Panhard und nennt das futuristische Gebilde „Zebra“. Das revolutionäre Konzept mit gläsernen Flügeltüren weicht von der Norm ab und kennzeichnet sein Bemühen „anders zu sein“.
Vom Autodesign war es dann nur mehr ein kleiner Schritt zum Leuchtenentwurf, den er selbst im nachhinein als seine Reaktion auf das Vordringen italienischer Modelle ab 1950 wertete. Die seiner Meinung nach zu komplizierten Leuchten zusammen mit ihrem Materialmix und ihrer Vielfarbigkeit langweilten ihn und forderten ihn gleichzeitig heraus: „Anders sein!“. Erste Versuche an mobilen und stabilen Metallformen und Prototypen von Beleuchtungskörpern führten zunächst zu einer Ausstellung in der „Galerie du Siècle“.
Seine berufliche Karriere setzt sich fort, als er Direktor des Goldschmiedeateliers an der Universität für angewandte Künste, und somit Nachfolger von Gabriel Lacroix, wird.
Bald beginnt er eine Fertigung von Beleuchtungskörpern in Handarbeit, die er für die „Compagnie des Arts Francais“, die von Jacques Adnet geleitet wird, produziert.
Weiteren Bekanntheitsgrad erlangt er bei verschiedenen Messen wie der „Ausstellung der Freunde von Paule Marrot“, dem Salon der Kunstwerke des Haushalts, dem Salon der kunsthandwerklichen Dekorateure mit Louis Sognot und 1955 der internationalen Ausstellung der angewandten Künste im Wohnbereich in Helsingborg (Schweden). Es schließen sich Preise und Ämter an, wie der Charles Plumet Preis, die Wahl zum aktiven Mitglied der „Gesellschaft für kunsthandwerkliche Dekorateure“, die Ernennung zum Berichterstatter der Goldschmiedeabteilung in der „Gesellschaft zur Förderung der Kunst in der Industrie“ sowie die Wahl zum Mitglied in der Abteilung dekorative Kunst in der nationalen Gesellschaft der schönen Künste.
Auch der französische Staat wird auf ihn aufmerksam und kauft eine seiner Metallskulpturen.
Im Jahr 1956 eröffnet Steph-Simon seine Galerie am Boulevard Saint-Germain und bietet den Designern Charlotte Pérriand, Jean Prouvé, Isamu Noguchi, Jean Luce und eben auch Serge Mouille eine Verkaufsplattform. Dies gibt einen weiteren wichtigen Impuls für Serge Mouilles Leuchten, da sich nun die Galerie um den Verkauf kümmert. Aus dieser Periode stammen die „maßgefertigten“ Beleuchtungskörper und seine Spezialaufträge auf Bestellung:
1958 erhält Serge Mouille bei der Internationalen Ausstellung in Brüssel das Ehrendiplom. Das Jahr 1959 verbringt er erneut im Sanatorium und beschäftigt sich während dieses Aufenthalts wieder intensiver mit der Meißelgravur. Er stellt seine gravierten Schiefer und seine ersten Schmuckstücke aus.
1961 gründet er die „Gesellschaft für die Kreation von Modellen“ zur Motivation und Förderung junger Leute. 1962 erhält er die Silbermedaille der „Gesellschaft zur Förderung der nationalen Industrie“, Abteilung Beleuchtungskörper.
Eine gänzlich neue Serie von Beleuchtungskörpern stellt er auf dem „Salon der Haushaltskünste“ vor. Die „Colonnes“ genannte Kollektion ist eine absolute Innovation und verbindet Leuchtstoffröhrenlicht mit Glühlampenlicht.
1963 erhält er für seine Kreationen die Silbermedaille von der Gesellschaft zur Förderung von Kunst und Industrie. In Stockholm stellt er Lampen und Schmuck aus, im Grand Palais in Paris eine Silberskulptur für den Goldschmied Saglier.
1964 wird die „Gesellschaft für die Kreation von Modellen“ wieder aufgelöst. Die Fabrikation und der Verkauf von Beleuchtungskörpern wird nach über 10 Jahren eingestellt. Serge Mouille zieht in die Provinz und pendelt zwischen dem 100km von Paris entfernten Château-Thierry und Paris. Ab dann widmet er sich nur mehr dem Unterricht an der Universität und persönlichen Studien, wobei er jedoch noch mehrere monumentale Skulpturen realisiert.
1976 erhält er eine Medaille der Stadt Paris im Rahmen des Kunsthandwerks.
1981 findet im Centre Pompidou in Paris die Ausstellung „Paris 1937 – 1957 “ statt. Serge Mouille stellt hierbei eine Wandleuchte mit zwei schwenkbaren Armen aus, die anschließend dem Museum für dekorative Künste übergeben wird.
1986 emeritiert Serge Mouille und stirbt zwei Jahre später in der Nacht vom 24. zum 25.12.1988.
Im Jahr 1953 hatte Serge Mouille seinen ersten kreativen Höhepunkt, als er von Jacques Adnet gebeten wurde, für einen Auftrag aus Südamerika eine Stehlampe zu entwerfen. So entstand seine erste Leuchte, die Stehlampe mit drei Armen und gab gleichzeitig den Anstoß für den Entwurf fast aller Modelle der ersten Generation in diesem Jahr. Die später hinzukommenden stellen lediglich Variationen des gleichen Grundprinzips dar.
Seine zweite schöpferische Periode erlebte er 1960 mit dem Entwurf der „Colonnes“. In einem rückblickenden Gespräch mit der Zeitschrift „l’Atelier des Métiers d’Art“ erklärte er 1987, dass er um 1960 gesättigt war von seinen schwarzen 50er Jahre Leuchten. Als er zum erstenmal die farbigen, amerikanischen Leuchtstoffröhren sah, entstand schlagartig die Idee daraus „etwas“ zu machen, und zwar auf Basis der bereits vorher von ihm gebauten säulenartigen „veilleuses“. Diese mannshohen, betont architektonisch wirkenden Röhren stellte man direkt auf den Boden. Die Reaktionen auf Messen waren vielfältig. Kinder waren erstaunt, Eltern vermieden es sie zu betrachten. Manche hielten sie für Heizkörper. Im Rückblick erkannte Mouille, dass sie vermutlich 20 Jahre ihrer Zeit voraus waren.
Um sein Gesamtwerk zu erfassen, bietet es sich an es einer Systematik zu unterordnen, wobei zwischen den fünfziger Jahre Leuchten und den „Colonnes“ von Anfang der Sechziger Jahre unterteilt wird.