Pünktlich zum 90. Geburtstag der Keramikerin Beate Kuhn stellt die Neue Sammlung – The International Design Museum vom 13.07.2017 – 19.11.2017 in der Pinakothek der Moderne im Münchner Museumsareal fast 200 bedeutende Werke aus allen Schaffensperioden der Künstlerin aus. Diese stammen aus der großzügigen Donation des Mannheimer Architekten Klaus Freiberger, der eine weltweit einzigartige Sammlung mit Werken Beate Kuhns aufgebaut hat. Ihre charakteristische handwerkliche Handschrift zusammen mit ihrer schier unbegrenzt erscheinenden Fantasie und Kreativität reihen Beate Kuhn unter den bedeutendsten deutschen Keramikerinnen nach 1945 ein. Durch die über die Jahrzehnte konstant hohe Qualität ihrer Werke, erwarb sie sich zusätzlich internationale Reputation über die Grenzen der jungen Bundesrepublik Deutschland hinaus. Die anfangs von ihr entworfene Gebrauchskeramik wurde bald zunehmend von Gefäßplastiken verdrängt, in denen sich der Einfluss des Werks von Joan Miró und Paul Klee ausdrückt. Schon gegen Ende der 1950er Jahre war es die freie Kunst, auf die sie sich fortan konzentrierte. Ausgehend von den Mitteln und Techniken der Töpferei entstanden aus Drehteilen montierte und farbig glasierte Objekte, deren Pracht nun in der Pinakothek der Moderne in München bewundert werden kann.
Die Keramik ist eine der ältesten und faszinierendsten Errungenschaften menschlicher Zivilisationen. Sie umfasst Artefakte sowohl rein künstlerischer Natur als Ausdruck kreativer Schaffenskraft als auch nützliche Gebrauchsgegenstände, mit teils mehr oder weniger großen ästhetischen Ambitionen. Da das Material selbst nach Jahrtausenden praktisch nicht verrottet, ermöglichen Keramikfunde den Archäologen weitgehende Aussagen über das Leben und den Alltag früherer Völker. Für Handwerker und Künstler bietet die Keramik gegenüber anderen Materialien und Techniken den Vorteil, dass sie vor dem Brennen immer wieder nach- oder ausgebessert werden kann, bis sie oder er mit dem Ergebnis zufrieden ist und das Werkstück dann im Ofen seinen Endzustand erreicht.
Nach dem 2. Weltkrieg fehlte es im zerbombten Deutschland an Allem, besonders an den alltäglichen Haushaltswaren. Hier konnten schnell und preisgünstig hergestellte Keramikerzeugnisse rasche Abhilfe schaffen. Auch Beate Kuhn, deren berufliche Anfangsjahre in die Wiederaufbauzeit fielen, arbeitete zunächst als Gestalterin für die serielle Produktion. In den folgenden Jahren des Wirtschaftswunders in Deutschland und der weltweit prosperierenden Wirtschaft entstand in den westlichen Ländern um etwa 1960 herum die sogenannte Studio-Keramik, die den Schwerpunkt in Beate Kuhns Werk bilden sollte.
Beate Kuhn wurde am 15. Juli 1927 als Tochter des Bildhauers Erich Kuhn und der Pianistin Lisa Kuhn in ein musisch-künstlerisches Elternhaus geboren, was für ihre eigene Karriere als Keramikkünstlerin im Nachhinein sehr vorteilhaft erscheint. In Freiburg studierte sie zunächst von 1947 bis 1949 Kunstgeschichte, eine zur damaligen Zeit wenig aussichtsreiche Fachrichtung in Hinblick auf eine spätere berufliche Karriere, so zusagend eine brotlose Kunst. In dieser Zeit begegnet ihr zum ersten Mal die moderne französische Kunst, die 12 Jahre lang von 1933 bis 1945 in Deutschland praktisch nicht existent war, da über Künstler wie Picasso oder Miró nicht öffentlich berichtet wurde. So lernt sie bei Ausstellungen in der französischen Besatzungszone die intensive Betrachtung und Auseinandersetzung mit diesen Kunstwerken aus Malerei und Graphik, was wiederum zu einer Aufnahme und Verarbeitung dieser Eindrücke in ihre eigenen Arbeiten führt. Diese praktische Weiterführung ihrer Erfahrungen mit der zeitgenössischen Kunst entspricht ihren persönlichen Ambitionen mehr, als nur eine theoretisch-akademische Verarbeitung der Werke anderer Künstler.
Konsequenterweise erwirbt sie fundierte handwerkliche Kenntnisse während der von 1949 bis 1951 dauernden Ausbildung als Keramikerin an der Werkkunstschule in Wiesbaden bei Erika Opitz und dem Anthroposophen Hans Karl Starke, der ihr auch die Bauhaus Design- und Kunst-Philosophie nahe bringt. Ihre keramische Grundausbildung schließt sie mit dem Gesellenbrief ab. In den zwei Jahren an der Wiesbadener Schule profitiert sie allerdings kaum in künstlerischer Hinsicht. Bestätigt findet sie jedoch die grundsätzliche Bedeutung der handwerklichen Fähigkeiten eines Künstlers, die bereits im Elternhaus von Vater und Mutter vorgelebt wurde.
Anschließend folgt von 1951 bis 1953 ein vertiefendes Keramik-Studium bei Friedrich Theodor Schroeder an der Werkkunstschule in Darmstadt. Die dortige Keramikabteilung ist aus der Klasse für Bildhauerei entstanden, weshalb auch die individuelle Gestaltung betont wird. Die technische Ausstattung der Darmstädter Schule mit verschiedenen Elektroöfen und Glasurmühlen, aber auch die vorhandene Bibliothek, fördert die Experimentierfreude Beate Kuhns. Glasuren waren im Nachkriegsdeutschland ein von allen Keramikern zunächst gerne benutztes Element. So auch von Beate Kuhn! Sie experimentiert nicht nur mit Formen, sondern spielt auch mit Glasuren und Bränden. In Darmstadt beginnt auch ihre Begeisterung für das Zusammensetzen verschiedener gedrehter Formen. Diese Technik sollte fortan ihr Schaffen dominieren. Bei den Glasuren entwickelt sie eine breite Farbpalette. In ihrer Anfangszeit, bis in die frühen 1960er Jahre, trägt sie die Glasuren wie ein Maler mit dem Pinsel auf und erreicht so eine große Vielfalt. Später benutzt sie dazu auch die Spritzpistole, wobei sie in ihrem Spätwerk wieder häufiger zum Pinsel greift. Mit ihrer Lehrerin und Förderin, der Glasurspezialistin Margarete Schott, die sie in Darmstadt die Technik und Wirkung von Glasuren lehrt, bleibt sie bis zu deren Tod im Jahr 2004 befreundet.
Bei der Abschlussausstellung der Werkkunstschule auf der Mathildenhöhe wird die renommierte Porzellanfirma Rosenthal bereits im Jahr 1952 auf das junge Talent aufmerksam. Das Unternehmen lädt sie ein, als Werkstudentin an den Firmenstandort Selb zu kommen und Gefäßporzellane zu entwerfen. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit zwischen 1952 und 1959 sind insgesamt 29 Porzellanentwürfe und ein Glasentwurf, alles ganz im Geiste und der Formensprache der 1950er Jahre. Die Porzellanentwürfe, wie zum Beispiel die drei Kummetvasen rechts in Abbildung 1, sind in den Modellbüchern des Unternehmens überliefert und überzeugen durch Eleganz, Harmonie und Leichtigkeit. So avanciert sie bereits im Jahr 1953 zur vielversprechendsten Jungdesignerin der Kunstabteilung der Firma Rosenthal.
Zu Beginn ihres Berufslebens stand von 1953 bis 1956 die Werkstattgemeinschaft in Lottstetten bei Waldshut mit Karl Scheid, der bereits ab 1949 als einer der ersten Schüler in der Keramikklasse in Darmstadt studierte. Trotz ihrer gestalterischen Erfolge bei Rosenthal, reduziert sie ihr Engagement im seriellen Produktdesign und kreiert bereits in der Lottstettener Werkstatt keramische Einzelstücke, die jedes für sich mehr individuelle Aussagekraft besitzen als dies bei Entwürfen für eine Produktion in hohen Stückzahlen erwünscht oder möglich wäre. Ab Mitte der 1960er Jahre beschäftigt sie sich nicht mehr mit der Gebrauchskeramik, sondern widmet sich nur noch der Freien Kunst.
1956 zog die gemeinsame Werkstatt, der sich im Jahr 1959 noch die Ehefrau von Karl Scheid, die Keramikerin Ursula Scheid (geborene Duntze) anschloss, nach Düdelsheim um. Die wichtigste Vermarktungsmöglichkeit der Erzeugnisse der Künstlerwerkstatt waren Messen wie die in Frankfurt. Dort trifft die Werkstattgemeinschaft Kuhn/Scheid das Ehepaar Gerald und Gotlind Weigel und freundet sich mit diesen an. 1968 bietet sich die Möglichkeit, diese Gruppe engagierter Keramiker international zu präsentieren. Eine gemeinsame Ausstellung mit Werken aus dem Freundeskreis Kuhn/Scheid/Weigel ergänzt durch Margarete Schott wird von Henry Rothschild in der Londoner Primavera Gallery organisiert. Es folgen weitere gemeinsame Ausstellungen und unter Bezug auf ihre erste Ausstellung erhält der lose, aber innige Zusammenschluss der sechs Künstler den Namen „London-Gruppe“. Künstlerisch setzt zwar jedes Mitglied andere Schwerpunkte, gemeinsam ist ihnen jedoch der hohe Qualitätsanspruch.
Nach beziehungsweise bereits während der Erfahrungen bei Rosenthal als „Industrie-Designerin“ entschied sich Beate Kuhn ihr Talent vornehmlich in die Studio-Töpferei einzubringen, die ihr als persönliche Ausdrucksmöglichkeit am geeignetsten erschien. Sie war bereits durch die Arbeiten ihres Vaters in die Richtung der abstrakten, aber trotzdem figürlich gegenständlichen Kunst geprägt. In diesem Bereich der Keramik gelten die ab 1946 im südfranzösischen Ort Vallauris von Pablo Picasso geschaffenen Objekte als vorbildlich und Impulsgeber. Der gebürtige Spanier und seit 1904 in Paris lebende Wahlfranzose entdeckte seine Leidenschaft am 28. Juli 1946 bei einer Ausstellung der Töpfergenossenschaft in Vallauris. Nachdem er sich die Grundkenntnisse der Töpferei vom Ehepaar Suzanne und Georges Ramié beibringen hatte lassen, schuf er in den nächsten 25 Jahren etwa 4000 keramische Objekte. Der Kommunist Picasso sah in dem preisgünstigen Ausgangsmaterial auch die Chance für die Umsetzung seines Ideals „Kunst für alle“, was dann wegen seines berühmten Namens doch nicht ganz glückte. Für seine Keramiken dienten dem Maler Picasso Teller und Platten hauptsächlich als eine Art „Leinwand“ für seine üppigen und fantasievollen Bemalungen; für die eigentliche keramische Arbeit zeigte er weniger Interesse. Kannen und Vasen verformt er durch Stauchen und Biegen zu figuralen Gefäßen, die schließlich durch das Herausdrücken von Augen, Nase und Mund als menschliches Gesicht oder Gestalt leicht erkennbar sind. Die teils auch asymmetrisch geformten Gefäße verdanken ihren starken Ausdruck zusätzlich der stark farbigen und großflächig eingesetzten Bemalung.
Wie Picasso präferiert auch Beate Kuhn die weibliche Gestalt als Basis einer Gefäßform, allerdings sind bereits die Vasenformen ihrer Anfangszeit abstrakter und oft aus mehreren Vasenvolumina bestehend. Trotz aller Unregelmäßigkeiten ihrer Objekte, ist das stereometrisch, streng gedrehte Grundelement stets als charakteristische Basis erkennbar. Geometrische Körper wie Kegel, Kugel, Scheibe oder Zylinder stellt sie als Ausgangselemente auf der Scheibe her. Danach werden sie weiter bearbeitet, zum Beispiel geschnitten, und neu zusammengesetzt. Zu guter Letzt entstehen aus der Addition der Einzelteile skulpturale Objekte wie etwa Vasen. Obwohl die weibliche Figur oft bereits Basis des Entwurfs ist, erfährt das Objekt durch die abschließende Bemalung noch eine zusätzliche Betonung des Figürlichen. Die von ihr bevorzugte Farbpalette enthält meist matte, gebrochene Farbtöne.
Mit Hilfe dieser Technik aus gedrehten Grundformen durch Schneiden und Verformen wie zum Beispiel Stauchen, das begrenzte Spektrum der durch Drehen auf der Töpferscheibe möglichen Formen nachhaltig zu erweitern, gelingen Beate Kuhn abstrakte Abbilder von menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Modellen. Diesen Ansatz aus gereihten geometrischen Körpern durch deren Montage einzigartig sensible Keramiken zusammen zu fügen, behält Beate Kuhn während ihres Künstlerlebens bei, allerdings verändert sie die Form- und Farbgebung über die Jahre.
Die Ideen für ihre fantastisch vielfältigen Objekte entwickelt die an vielen Themen Interessierte aus alltäglichen Beobachtungen in der Natur, aus Tier- und Pflanzendarstellungen, aber auch beim Lesen und Musikhören. Natürlich sind ebenfalls Gespräche mit Künstlerkollegen oder Auftraggebern oft Quelle ihrer Inspiration. Schnell wird dann die Idee als Skizze festgehalten, aus der sich eine exakte Zeichnung mit Festlegung aller technischen Details und Proportionen ergibt. Solche Skizzenblätter beschreiben anschaulich Beate Kuhns Arbeitsweise. Die geplanten Arbeitsschritte werden detailliert definiert, meist werden Objekte unterschiedlicher Größe, aber identischer Form, zu eleganten Arrangements addiert. Durch die Wiederholung der gleichartigen Einzelteile gelingt es ihr „Rhythmus“, also eine gleichmäßig gegliederte Bewegung, zu visualisieren. Am Ende steht die handwerkliche Realisierung des dreidimensionalen Keramikobjekts.
Die Asymmetrie war in den 1950er Jahren eine bevorzugte Form, man denke nur an die kultigen Nierentische, die beliebten Wandspiegel mit goldener Einfassung oder die spektakuläre Fernseh- und Musiktruhe „Kuba“. Auch Beate Kuhns frühe Objekte besitzen zeittypisch asymmetrisch geschwungene Formen mit lang verlaufenden Umrissen, die gegen Ende der 1950er Jahre kompakteren Formen weichen müssen. Ab 1963 schlägt sie eine neue künstlerische Richtung ein. Ihre Werke verzichten in der Folge auf die explizite gegenständliche Darstellung. Gleichzeitig verdrängt die vielfach abgestufte monochrome, abstrakte Glasurgestaltung die vorher bestimmende figürliche Malerei. Damit verbunden ist auch das neue Erscheinungsbild ihrer Skulpturen. Zum einen verschwindet die eindeutig erkennbare Form ihrer langgezogenen Vasen, zum anderen jegliche Möglichkeit die neuen Objekte als Gebrauchsgegenstände zu benutzen, wie es die Beispiele in Abbildung 3 und 4 verdeutlichen. Man erkennt hier auch, dass die Breite nun mehr Gewicht im Verhältnis zur Höhe erhält. Beide Objekte bestehen aus einer Vielzahl gleichartiger, aber unterschiedlich großer Einzelteile, die als Grundformen in Reihe gedreht wurden. Durch das Zusammensetzen dieser Einzelteile entsteht das resultierende Kunstobjekt. In den Einzelteilen ist bereits die Asymmetrie von der reinen Form stereometrischer Rundkörper verdrängt. Beate Kuhn besinnt sich auf die strenge Achsensymmetrie, die eigentlich die Urformen des Drehens auf der Scheibe definiert, und die sie in den 1950er Jahren kaum eingesetzt hatte.
Ab 1966 kommen vermehrt halbkugelige, gleichartige, aber verschieden große Schalen vor, die auch Hauptbestandteil des Objekts „Spiegel“ aus dem Jahr 1971 sind. Die ineinander montierten Halbkugeln erzeugen beim Betrachter den Eindruck einer fließenden Bewegung im Objekt. Die exakte, aber auch die angenäherte Halbkugel wurde in den folgenden Jahren eines der dominierenden Elemente, die Beate Kuhn einsetzte.
Beate Kuhn wagte sich auch an großformatige Objekte. Im Rahmen von Bauaufträgen gestaltete sie figürliche Skulpturen wie das „Paradiesgärtlein“ (1964) oder das Relief „Kulturkreise der Keramik“ (1969). Die Poesie ihrer Werke betont die erzählerische Darstellung und nicht die naturgegebene Exaktheit der abgebildeten Lebewesen, die nicht modelliert, sondern aus gleichartigen Formen montiert werden. Für ihre Entwürfe großer Brunnenanlagen reiht sie geometrische Körper aneinander, die sie so zu einem harmonischen Ganzen komponiert. Ihre Fantasie war grenzenlos und produzierte immer wieder neue Kombinationsmöglichkeiten gedrehter Hohlkörper. Bewegung, Rhythmus und Wandel verschaffen ihren Werken ein hohes Maß an Dynamik.
Der Trompetenturm (1970) in Abbildung 5 ist ein anschauliches Beispiel für eine weitere künstlerische Entwicklung Beate Kuhns und eine ganze Reihe von Stücken, die nach 1970 entstehen. Aus einem kompakten Zentrum, dem aus 11 Einzelelementen zusammengesetzten Turm, wachsen unterschiedlich große und lange Trompeten in verschiedenen Richtungen heraus. Durch die rhythmische Anordnung der Trompetenelemente entsteht beim Betrachter ein dynamischer Eindruck. Diese Art von Skulpturen zählen zu ihren abstraktesten Werken.
Das Objekt aus dem Jahr 1981 in Abbildung 8 erscheint wie eine kommunizierende, verschworene Menschengruppe. Dominant wirken hier die oben aufgesetzten, gedrehten Halbkugeln. Diese bereits angesprochene Grundform stellt das wichtigste Element in ihrem Werk dar. Sie setzt sie entweder als offene, für die Aufnahme bereite, oder als verschlossene, abweisende Form ein, um mit diesem gestalterischen Mittel auch mit dem Betrachter in den Dialog treten zu können.
Der Trompetenturm (1970) und das Gefäß (1983) in Abbildung 9 stehen stellvertretend für zwei gegensätzliche Gruppen in Beate Kuhns Werk. Die in allen Richtungen hinausragenden Trompeten beanspruchen den umgebenden Raum für das Objekt bzw. beziehen diesen mit ein und erzeugen den Eindruck einer um das Objekt kreisenden Bewegung. Die andere Gruppe besteht aus eng zusammengesetzten, gleichartigen Einzelteilen, die – wie im Fall des Gefäßes – den Eindruck eines sehr kompakten, introvertierten Objekts entstehen lassen. Es ruht in sich und tritt nicht mit seiner Umgebung in Wechselwirkung.
Der Stellenwert der Keramikkünstlerin Beate Kuhn und ihr internationales Renommee lassen sich an ihrer Mitgliedschaft in der Londongruppe, in der Gruppe 83 und ab 1968 im AIC (Académie Internationale de la Céramique) in Genf ablesen, mit denen auch ihr Engagement für die Keramik gewürdigt wurde. Zahlreiche Auszeichnungen über Jahrzehnte hinweg wie die Silbermedaille beim Concorso Internazionale delle Ceramiche d’Arte, (Faenza, 1955), die Silbermedaille der Internationalen Akademie für Keramik (Prag, 1962) oder im Jahr 1997 der Preis der Lotte Reimers-Stiftung zur Förderung der Keramischen Kunst bezeugen die Kontinuität ihres künstlerischen Schaffens auf höchstem Niveau.
Beate Kuhns künstlerische Entwicklung wurde auch durch das Interesse privater wie musealer Sammler unterstützt. So finden sich ihre Werke nicht nur in privaten Sammlungen, sondern ebenfalls in allen wichtigen Kunstgewerbe- und Designmuseen Deutschlands, im Keramik-Museum Berlin, im Kunstgewerbemuseum Berlin, im MAK in Köln, im GRASSI Museum in Leipzig und nun eben auch in enormen Umfang in der Neuen Sammlung in München. Außerhalb Deutschlands findet man ihre Kunst im Musée Ariana in Genf, im Victoria and Albert Museum in London und im National Museum of Modern Art in Tokio, um nur einige zu nennen. Es sind besonders ihre handwerkliche Professionalität und enorme Kreativität, aus der eine Vielzahl an Variationen montierter Drehelemente entstand, die noch heute von privaten wie hauptberuflichen Sammlern geschätzt werden. Dies drückt sich auch im aktuellen Marktwert ihrer Werke aus. Serienobjekte aus der Rosenthal Produktion liegen heute bei einigen hundert Euro. Objekte ihrer freien Kunst erzielen deutlich höhere Preise. So wurde die Figurengruppe „Ballett“ aus dem Jahr 1969, bestehend aus zwei fünf- und einer sechsbeinigen Figur, im Kölner Auktionshaus Herr/Lauritz am 30. Mai 2016 für stolze 16.000 Euro zugeschlagen.