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100 Jahre Bauhaus – Design und Dasein! (1.Teil)

Vorläufer der Bauhaus Idee

Bauhaus – der Name ist Programm: Bau! Ein! Haus! Das erklärte Ziel der avantgardistischen Institution war nichts Geringeres als die Errichtung des „Baus der Zukunft“ als einheitliches Gesamtkunstwerk. Den hoffnungslosen Nachkriegszeiten begegnete der Architekt Walter Gropius mit seiner Idee einer fortschrittlichen, interdisziplinären Reformschule für handwerklich ausgebildete Gestalter und eröffnete mit weiteren prominenten Entwerfern und Künstlern bereits am 1. April 1919 in Weimar das Bauhaus. In den 14 Jahren seines Bestehens revolutionierte das Bauhaus Architektur und  (Kunst-)handwerk, erstellte künstlerische Konzepte und beschäftigte sich mit hochwertiger industrieller Serienfertigung. Den 100. Geburtstag dieser legendären  Institution feiert Die Neue Sammlung, das Münchner Designmuseum in der Pinakothek der Moderne, vom 08.02.2019 – 2.2.2020 mit einer umfassenden und äußerst innovativen Ausstellung: Reflex Bauhaus. 40 objects – 5 conversations.

Die Industrialisierung und Mechanisierung der Produktion traten ab dem 18. Jahrhundert von England aus ihren Siegeszug an, die Gegenbewegung formierte sich konsequenterweise als erstes auch hier. Zwar verbilligte die maschinelle Serienfertigung die Alltagsprodukte enorm, die extreme Wirtschaftsform des so genannten Manchester Kapitalismus‘ führte ins unterbezahlte und ausgebeutete Massenproletariat ohne soziale Absicherung. Der Schriftsteller John Ruskin kritisierte die Missstände und forderte soziale Reformmaßnahmen sowie den Verzicht auf Maschinenarbeit, was vermutlich so realistisch war wie heute den Verzicht auf das Internet zu verlangen. Seine theoretische Kritik führte in der Praxis zur Arts and Crafts Bewegung, wie zum Beispiel in den Werkstätten von William Morris vorbildlich praktiziert. Weniger idealistisch und mehr am wirtschaftlichen Erfolg Englands orientiert war die staatliche Reform der Ausbildung für Handwerker und an den Akademien, die die Fähigkeit der Studenten zur selbständigen Gestaltung in den Vordergrund rückte. Das wirtschaftlich prosperierende England nahmen sich die großen Nationen auf dem Kontinent zum Vorbild und reformierten ebenfalls ihre Ausbildungsprogramme. Begleitend wurden Museen wie das Österreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien (1864) oder das Kunstgewerbemuseum in Berlin (1871) zur Archivierung von als vorbildlich erachtetem Kunstgewerbe gegründet. Die Sammlungen sollten von den Studierenden an den angeschlossenen Lehranstalten zu Studienzwecken benutzt werden. Im nächsten Schritt wurden die Kunstgewerbeschulen um Ausbildungswerkstätten erweitert, in deren Folge es in ganz Deutschland zur Gründung kleiner Werkstätten für Inneneinrichtung wie z.B. die Münchner Werkstätten kam. Im Gegensatz zur englischen Arts and Crafts Bewegung setzten diese „start-ups“ verstärkt auf die maschinelle Fertigung, was wiederum die Gestaltung in Richtung ‚maschinengerecht‘ lenkte. Einflussreiche Lehrer und Gestalter in diesen Jahren waren der AEG Chef-Designer und Architekt Peter Behrens, Bruno Paul und Henry van de Velde, der in Weimar der sehr erfolgreichen Kunstschule vorstand.

Ideen und Ideale

Verbrannte Erde ist ein fruchtbarer Boden. Die Verwüstungen des 1.Weltkriegs mit seinen Millionen Toten und vielen an Körper und Seele verkrüppelten Überlebenden waren wie der Mangel und das politische Chaos allgegenwärtig. Das Bauhaus entstand in diesem Umfeld der Hoffnungslosigkeit, die aber auch Aufbruchsstimmung hervor brachte. Bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts propagierten Lebensreformbewegungen neue Lebensweisen. Internationalismus, Frauenemanzipation, Vegetarismus, Antialkoholismus, Freikörperkultur und selbst freie Liebe wurden nach 1918 verstärkt in Kommunen diskutiert und ebenso gelebt. Diese Strömungen wirkten auch auf das Bauhaus, an dem wegen dessen Selbstverständnis als Ganzheitliche Schule neben der Ausbildung in Kunst und Handwerk auch eine neue Lebenseinstellung vermittelt werden sollte. Einige Grundsatzfragen lauteten somit: „Wie wollen wir in Zukunft leben?“, „Was ist menschenwürdig?“, „Wie lassen sich unsere Ideen und Konzepte mit geringem finanziellen Aufwand realisieren?“ und letztendlich „Inwieweit kann man mit Architektur, Grafik und Produktgestaltung politischen Einfluss nehmen?“ Der erfolgreichste deutsche Kulturexport des 20. Jahrhunderts wollte einen neuen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes formen, der – sozial und kulturell engagiert – nie wieder Kriege anzettelt. Dieses Ziel wurde leider verfehlt.

Gründer und Gestalter

Walter Gropius wurde 1883 in Berlin geboren und begann seine Ausbildung 1903 mit einem Architekturstudium an der Technischen Hochschule in München. Ab 1908 studierte er an der Technischen Hochschule Charlottenburg, die er wegen seines geringen Talents als Zeichner 1908 ohne Diplom verließ und im Architekturbüro von Peter Behrens in den Beruf startete. Dort arbeitete er neben Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier und wurde später mit diesen beiden einer der wichtigsten Vertreter des standardisierten Bauens im 20. Jahrhundert. Dieses war als optimistische Vision für günstiges und trotzdem menschenwürdiges Bauen gestartet, endete aber oftmals in katastrophalen Plattenbauten als sozialen Brennpunkten. 1910 machte er sich als Architekt und Industriedesigner selbständig. 1911 wurde Walter Gropius Mitglied des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes, nachdem er als junger 28-jähriger Architekt mit dem Entwurf und Bau des Fagus-Werks in Alfeld an der Leine, das mit seiner Stahl- und Glasarchitektur und einer spektakulären, gläsernen „Vorhangfassade“ einen Ausblick auf die „Neues Bauen“ genannte Architektur der 1920er Jahre erlaubte, bekannt geworden war. Wie viele der späteren Lehrer, Künstler, Meister und Schüler am Bauhaus erlebte Gropius die Jahre 1914-1918 als Kriegsteilnehmer.

Noch vor Kriegsbeginn im Jahr 1914 musste der Belgier Henry van de Velde wegen der allgemeinen Ausländerfeindlichkeit, Belgien war Kriegsgegner, die Leitung der von ihm 1908 gegründeten Kunstgewerbeschule Weimar aufgeben. Als einen möglichen Ersatz hatte er Walter Gropius empfohlen. Die Schule wurde zwar 1915 geschlossen, aber nach langjährigen Verhandlungen um die programmatische Ausrichtung mit der verbliebenen  Weimarer Kunstschule unter dem Namen „Staatliches Bauhaus in Weimar“ fusioniert, bei gleichzeitiger Erweiterung um eine Abteilung für Baukunst. Ihr Untertitel weist auf die beiden Ursprünge hin: „Vereinigte ehemalige großherzogliche Hochschule für bildende Kunst und ehemalige großherzogliche Kunstgewerbeschule“. Am 12. April 1919 berief man den charismatischen Walter Gropius zu ihrem Leiter, der durch seine Eloquenz seine Ideen und sich selbst erfolgreich vermarktete. Im Nachhinein erscheint die Gründung dieser fortschrittlichen, aber doch sehr umstrittenen Schule nur in diesem engen Zeitfenster der Revolutionszeit möglich, hätten doch später die wieder erstarkten konservativen Kräfte dieses Reformprojekt verhindert.

Im Jahr 1928 nahm er Abschied von seinem Direktorenposten, um wieder als selbständiger Architekt in Berlin zu arbeiten. 1934 emigrierte er wegen der Verfolgung Andersdenkender, speziell auch der Bauhäusler, nach England und von dort 1937 in die USA. In Cambridge wurde er Architektur Professor. Nach dem Kriegsende war er des Öfteren wieder in Deutschland tätig, sein letzter Bau und einziger Gropiusbau in der Oberpfalz sollte die Glaskathedrale, ein Rosenthal Glaswerk, in Amberg werden. Diese zählt zu den bedeutendsten Industriebauten des 20. Jahrhunderts und wurde von 1968-70 errichtet. Walter Gropius starb 1969.

Programm und Praxis

Um Personal, Lehrer und Meister, aber auch Schüler, anzuwerben, veröffentlichte Gropius in ganz Deutschland 2000 Exemplare seines vierseitigen Bauhausmanifests mit dem Programm der neuen Schule und ihrem Ziel: ‚Das Einheitskunstwerk – der große Bau‘ sollte aus der Wiedervereinigung der werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk erwachsen. Als Vorbild diente die mittelalterliche Bauhütte, die als Werkstattverband alle Baubeteiligten bei Großprojekten wie Kirchen oder Schlösser organisierte und Handwerk und Kunst verband. Das Titelblatt mit dem Holzschnitt einer Kathedrale von Lyonel Feininger visualisiert den Anspruch des Bauhauses eine Kathedrale der freien wie der angewandten Kunst zu werden. Die Ebenbürtigkeit von Gestaltung und Handwerk wird im Programm durch folgenden Satz beschrieben: „Das Bauhaus will Architekten, Maler und Bildhauer…zu tüchtigen Handwerkern oder selbständig schaffenden Künstlern erziehen…“. Aus dieser Einheit der Schaffenden sollen „aus gleich geartetem Geist heraus einheitlich“ gestaltete Bauten vom Rohbau bis hin zum Ausbau, Ausschmückung und Einrichtung entstehen. Die Kunst wird dabei als allen Disziplinen übergeordnete, letztendlich nicht lehrbare Dimension betrachtet, im Gegensatz zur Notwendigkeit einer gründlichen handwerklichen Ausbildung, aus der die künstlerische Qualität erwächst. Die Schule steht im Rang unter der Werkstatt, deshalb finden sich am Bauhaus nicht Lehrer und Schüler, sondern Meister, Gesellen und Lehrlinge. Das Schöpferische und die Freiheit der Individualität werden betont, aber gleichzeitig ein strenges Studium angemahnt. Praxisnähe soll durch Mitwirkung der Studierenden an Meisterarbeiten sowie ständigen Kontakt mit Handwerk und Industrie im Land entstehen. Leistungsnachweise der Schule sollen durch Ausstellungen und andere Veranstaltungen der Öffentlichkeit gegenüber erbracht werden. Die Vision eines partnerschaftlichen Verhältnisses durch die Pflege eines freundschaftlichen Verkehrs zwischen Meistern und Studierenden außerhalb der Arbeit wie z.B. beim Theater wird im Programm ebenso angestrebt.

Gelehrt werden alle praktischen und wissenschaftlichen Gebiete des bildnerischen Schaffens: Baukunst, Malerei und Bildhauerei. Die Ausbildung beinhaltet handwerkliche, zeichnerisch-malerische und wissenschaftlich-theoretische Bestandteile. Alle zur Realisierung des einheitlichen Gesamtwerkes Bau nötigen Handwerksberufe werden gelehrt, vom Bildhauer bis zum Weber. Jeder Studierende sollte ein Handwerk erlernen, da der gekonnte Umgang mit dem Material als Basis allen künstlerischen Schaffens erachtet wird. Das Programm folgt damit dem häufig Friedrich Wilhelm Nietzsche zugeschriebenen Aphorismus: „Kunst kommt von Können.“ Die zeichnerisch-malerische Ausbildung umfasste ein weites Feld vom freien Skizzieren bis hin zum Entwerfen von Gebrauchsgegenständen. Die wissenschaftlich-theoretische Ausbildung vermittelte Kunstgeschichte, Materialkunde, Anatomie, physikalische und chemische Farbenlehre aber auch Grundbegriffe von Buchführung und Vertragsabschlüssen. Das erste Lehrjahr besuchten Lehrlinge, das zweite Gesellen und das dritte Jungmeister. Die individuelle Förderung der Auszubildenden oblag den Meistern.

Wohin die im Programm verankerte Zusammenführung von Kunst und Handwerk führen sollte, verdeutlichte das Direktorenzimmer in Weimar. Gropius hatte das nach ihm benannte exemplarische Arbeitszimmer für die große Bauhausausstellung im Jahr 1923 in Auftrag gegeben, um die Leistungsfähigkeit seiner Schule und ihre Visionen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In diesem Zimmer wurden die Dimensionen aller Gegenstände und Einrichtungsobjekte auf das Quadrat bezogen, die Kubatur des Raumes ist der Würfel und somit wieder auf das Quadrat zurück zu führen. Das Resultat dieser ganzheitlichen Raumkonzeption war ein präziser und vernünftiger Maschinenraum für Kopfarbeiter, konträr den zeittypischen Vorstellungen von repräsentativ oder gemütlich.

Weimar und Umgebung

Als Folge des 1. Weltkriegs war das Kaiserreich untergegangen und hatte Deutschland verkleinert zurück gelassen. Die anschließende Novemberrevolution führte zur Weimarer Republik, benannt nach dem ersten Tagungsort der Verfassunggebenden Nationalversammlung. In dieser jungen Demokratie, der ersten auf deutschem Boden, konnte sich die Kunst freier entwickeln, wenngleich politische Wirren mit zahlreichen Umsturzversuchen und politischen Morden, besonders in Berlin, die Bevölkerung verunsicherten. Im mit Goethe und Luther kulturell vorbelastetem Land Thüringen fand Gropius in der provinziellen Stadt Weimar mit seinen – bis 1915 zwei – Kunstschulen, auf deren Strukturen teils noch zugegriffen werden konnte, gute Voraussetzungen für sein Schulexperiment. Darüber hinaus verzauberte und inspirierte die Landschaft um Weimar die Bauhäusler und erhöhte die Attraktivität des Standorts. Der Künstler und Maler Lyonel Feininger kam als einer der ersten Lehrer 1919 von New York nach Weimar und erkundete immer wieder die Umgebung Weimars mit dem Fahrrad auf Motivsuche. Heute kann man seinen Spuren auf einem 28km langen Radweg folgen. Er fand Kirchen und andere dörfliche Motive, die er in seinem Skizzenbuch vor Ort archivierte und später im Atelier ausarbeitete.

Meister und Macher

Neben dem bereits erwähnten Lyonel Feiniger konnte Gropius auch den Kunstpädagogen und Maler Johannes Itten, der den Vorkurs entwickelte, den wichtigsten Bestandteil der Bauhauspädagogik,  und den Bildhauer Gerhard Marcks im ersten Bauhausjahr verpflichten. Er entsprach damit seiner Vorgabe bekannte, starke Persönlichkeiten und nicht das Mittelmaß zu berufen. Vier weitere Professoren der alten Kunsthochschule ergänzten den Lehrkörper. 1920 folgte der Maler und Grafiker Georg Muche als Meister, 1921 kamen Oskar Schlemmer und Paul Klee. Einfluss auf die Ausrichtung des Bauhaus‘ nahm auch die holländische Künstlergruppe De-Stijl, deren Mitglied Theo van Doesburg zwischen April 1921 und November 1922 in seinen Vorträgen und Kursen seine Maschinentechnik kompatible konstruktivistische Gestaltung propagierte. Diese stand im Gegensatz zur noch dominierenden handwerklichen Ausrichtung der Schule, die sich aber bald der industriellen Formgebung zuwandte. Gegen die in Weimar noch vorherrschende expressionistische Orientierung propagierte van Doesburg die von der De­Stijl­Gruppe erarbeiteten grundlegenden Stilmittel, den rechten Winkel und die drei Grundfarben zusammen mit Schwarz, Weiß und Grau, wie man sie mit Piet Mondrians Werken verinnerlicht hat.

Weitere Berühmtheiten wie Wassily Kandinsky, László Moholy-Nagy, Josef Albers sowie die späteren Direktoren Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe konnten für das Reformprojekt gewonnen werden, die Meister der Werkstätten wechseln stetig.

14 Jahre – 3 Standorte

Weimar (1919-1925)! Dessau (1925-1932)! Berlin (1932-1933)!

Nach fünf erfolgreichen Aufbaujahren mit internationaler Reputation war in Weimar Schluss. Auf lokaler Ebene hatte sich das Bauhaus in Weimar seit seiner Gründung einer konservativen Presse und eines monarchisch geprägten Beamtentums erwehren müssen. Die rechts-nationalistischen Kreise bezichtigten es als kulturbolschewistische Einrichtung. Für die Verteidiger des Bauhauses waren besonders die Mitgliedschaften Walter Gropius‘ im Bund Deutscher Architekten und im Werkbund wertvoll. Obwohl er seine radikal neuartige Schule von Beginn an unpolitisch halten wollte, geriet sie doch in die politischen Richtungskämpfe. Am 10. Februar 1924 verlor die Bauhaus freundliche, sozialdemokratische Regierung Thüringens im Landtag die Mehrheit. Die neue bürgerliche Landesregierung entzog dem Bauhaus die finanzielle Unterstützung, am 26.12.1924 erklärten die Bauhaus Meister die Auflösung zum 1.4.1925. Um die Bauhaus Idee fortzuführen wurde der „Kreis der Freunde des Bauhauses“ gegründet u.a. mit Marc Chagall, Albert Einstein und Gerhart Hauptmann.

Zu Beginn des Jahres 1925 sind zwei Städte als aussichtsreiche Nachfolger Weimars im Rennen: Frankfurt am Main und Dessau. Im März 1925 wird auf Beschluss des Gemeinderats das Bauhaus als städtische Schule in Dessau übernommen. Es kann weiter gehen! Außer Gerhard Marcks ziehen alle Meister mit um, ehemalige Schüler werden zu „Jungmeistern“:  Herbert Bayer übernimmt die Werkstatt für Druck und Reklame. Marcel Breuer, der später mit seinen Stahlrohr Möbelentwürfen erfolgreich werden sollte, die noch heute als Klassiker der Moderne produziert werden, bekommt die Tischlerei. In seinem neuen Programm richtete Walter Gropius die Schule neu in Richtung Industrie und Wissenschaft aus. Das Ziel, die „zeitgemäße Entwicklung der Behausung“, die sich „vom einfachen Hausgerät bis zum fertigen Wohnhaus“ spannen soll, deckte sich aber noch immer mit der ursprünglichen Idee des großen Baus als Einheitskunstwerk. Der Weg dorthin sollte jetzt über eine „systematische Versuchsarbeit in Theorie und Praxis – auf formalem, technischen und wirtschaftlichen Gebiete“ führen. Von November 1925 an kümmerte sich die Bauhaus GmbH um die kommerzielle Verwertung der Bauhaus Produkte.

Ab Oktober 1926 führte das Bauhaus den Untertitel „Hochschule für Gestaltung“, da es die anhaltische Landesregierung als Hochschule anerkannt hatte. Aus Meistern wurden Professoren, die erfolgreichen Studenten erhielten ein Bauhaus-Diplom. Am 4.12.1926 wurden das Schulgebäude und die Bauhaus-Meister Wohnhäuser in Dessau eingeweiht, selbstverständlich von Gropius entworfen und von den Bauhaus-Werkstätten möbliert.

Am 1. April 1928 folgte Hannes Meyer dem Gründungsdirektor Gropius im Direktorenamt. Er gewichtete fortan die technischen Fächer stärker und objektivierte die Gestaltung. Unter dem Motto  „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ erhielt die soziale Verpflichtung der Gestalter mehr Gewicht, die Hochschule zeigte politisches Profil.  Wegen seiner Nähe zum Kommunismus kündigte die Stadt Dessau Hannes Meyer im Jahr 1930. Ludwig Mies van der Rohe, empfohlen von Walter Gropius, wird sein Nachfolger. Wie seine beiden Vorgänger war auch er Mitglied im Deutschen Werkbund. Er verkürzte das Studium auf fünf Semester und forcierte die Architekturausbildung, zu Lasten der Werkstätten und der industriellen Entwurfsarbeit. Gleichzeitig entpolitisierte er die Schule in diesen unruhigen Jahren, um der Öffentlichkeit, den Medien und der Politik Angriffsfläche zu nehmen. Leider vergebens, die NSDAP wird bei den Gemeinderatswahlen in Dessau im November 1931 stärkste Partei und fordert nicht nur ein Ende der finanziellen Zuwendungen, sondern gleich das Niederreißen der Bauhaus-Gebäude. Am 22. August 1932 setzten die Nazis im Dessauer Gemeinderat die Schließung durch.

Ludwig Mies van der Rohe siedelte mit dem Bauhaus nach Berlin-Steglitz um und versuchte es als Privatinstitut weiter zu führen. Am 30. Januar 1933 erlangt die NSDAP auch im Deutschen Reich die Macht, zum Beginn des Sommersemesters am 11. April 1933 wird das Bauhaus in Berlin von der Polizei geschlossen. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) knüpft die Wiedereröffnung an unannehmbare Bedingungen, das Bauhaus ist Geschichte, die Bauhaus-Professoren emigrieren – vornehmlich in die USA. Die libertäre Schule, die hoffnungsvoll in der kleinen, konservativen Residenzstadt Weimar gestartet war, findet im sehr freizügigen Berlin 1933 ihr Ende.

Famose Frauen

Die Idee, die kulturelle Bedeutung von Form und Gestaltung sollte bis in die Politik hinein wirken, unterstützte auch das Emanzipationsbestreben der weiblichen Bauhausmitglieder. Obwohl es grammatikalisch wie genderpolitisch völlig korrekt DAS Bauhaus heißt, würde DER Bauhaus die Machtverhältnisse realitätsnäher beschreiben. Zwar hieß es in der Satzung: „Aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Vorbildung vom Meisterrat des Bauhauses als ausreichend erachtet wird, und soweit es der Raum zuläßt.“ Trotz dieser für die Zeit – das hart erkämpfte Frauenwahlrecht in Deutschland war noch kein Jahr in Kraft – sehr fortschrittlichen Haltung, wollten die Bauhaus Herren eine nach außen hin männliche, ernst zu nehmende Bewegung verkörpern und auf keinen Fall als (kunstgewerbliche) Frauenschule wahrgenommen werden. Selbst der offen diskriminierende Name Baubrüder statt Bauhaus war anfangs in Betracht gezogen worden. So wehte zwar der Geist des Aufbruchs mit dem Bestreben Ungleichheiten zu beenden durch die Bauhaus Flure, Frauen wurden dennoch meist in die hinteren Reihen gestellt. Bei den Schülerzahlen im ersten Jahr standen den 79 männlichen Bewerbern 84 weibliche gegenüber, die sich über eine solide Berufsausbildung ein ausreichendes Einkommen und die damit verbundene Unabhängigkeit erhofften. Gropius dagegen hatte für das erste Semester mit nur 50 Damen gegenüber 100 Herren gerechnet und in seiner ersten Rede an die Studentenschaft appelliert: „Keine Rücksicht auf Damen, in der Arbeit alle Handwerker“.

Der Anspruch im Programm deckte sich nicht mit der Realität. Noch 1921 überlegte der Meisterrat, zu diesem Zeitpunkt ein Männerbund, ernsthaft, ob man Frauen nicht doch besser ausschließen sollte. Zumindest wollte man diese hoch motivierten Klassefrauen in einer Frauenklasse mit Töpfern, Buchbinden, Färben und Weben beschäftigen oder wie Oskar Schlemmer spottete: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Mit den Argumenten fehlender räumlicher Vorstellungskraft sowie körperlicher Unzumutbarkeit verbannte man fast alle Frauen aus den klassischen Männerbereichen Metallwerkstatt oder Tischlerei und wies ihnen oftmals den Weg in die Weberei, die von der weiblichen Kreativität enorm profitierten sollte. Sie wurde eine der produktivsten und kommerziell erfolgreichsten Werkstätten der Schule und brachte Künstlerinnen wie Anni Albers hervor, die 1949 als erste Frau in diesem Metier mit einer Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York geehrt wurde. Ausgebildet wurde sie am Bauhaus von Gunta Stölzl, einer weiteren herausragenden Textildesignerin, die als erste Frau in den Meisterrat am Bauhaus aufgenommen wurde und ab 1925 die Weberei leitete. Margaretha Reichardt verbesserte die Eigenschaften von Eisengarn, einem stark appretierten, mehrfach gezwirnten und paraffinierten Baumwollgarn, und webte die strapazierfähigen und formstabilen Gurte, die dem Bauhäusler Marcel Breuer später als Bespannung für die von ihm entwickelten Stahlrohrmöbel, wie dem Stahlrohrsessel B3 – später bekannt als Wassily-Chair  – dienten.

Die vielseitig talentierte Designerin, Fotografin, Malerin und Bildhauerin Marianne Brandt begann im Wintersemester 1923/1924 mit ihrer Ausbildung am Staatlichen Bauhaus in Weimar und wurde dort zur Silberschmiedin ausgebildet. Sie „entkam“ der Weberei und wurde 1926 zur stellvertretenden Leiterin der Metallwerkstatt bzw. vom 1. April 1928 bis zur Berufung Alfred Arndts im Jahr 1929, zur kommissarischen Leiterin der Metallwerkstatt in Dessau ernannt. Mit ihren Produktentwürfen wie Teeservice und Leuchten in der Metallwerkstatt, von denen einige als Design-Klassiker noch heute produziert werden, wird sie als eine der bedeutendsten Bauhauskünstler(innen) anerkannt. Nahezu unbezahlbar sind die Originale wie die kleine Teekanne „MT49“ von 1924, die bei Sotheby’s im Jahr 2007 für 361000 Dollar zugeschlagen wurde. Ihr strenges Bauhaus Design besteht aus den geometrischen Elementen Kreis, Dreieck und Quadrat. Nach 1945 lebt Marianne Brandt in den engen Verhältnissen der DDR, lehrt an Hochschulen in Dresden und Berlin und beschäftigt sich mit der ‚spannenden‘ Gestaltung von volkseigenen VEB Heizkörpern.

In der Öffentlichkeit traten die Bauhaus Frauen selbstbewusst und maskulin mit kurzem Haarschnitt und langen Hosen auf, was den skandalösen Eindruck der Schule bei der provinziellen Bevölkerung verstärkte. Trotz der Widerstände, denen die Frauen am Bauhaus von ihren männlichen Mitstreitern ausgesetzt waren, war der Kampf der Frauen um Anerkennung und Gleichstellung am Bauhaus wichtig für die gesamte Emanzipationsbewegung. Unter den insgesamt 1253 Schülern, die in den 14 Jahren ausgebildet wurden, waren immerhin etwa 400 Frauen. Auffallend wenige schafften es in technische Bereiche, Architektinnen sucht man vergebens, da Frauen dieser Karriereweg vorenthalten wurde.

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