Veröffentlichungen

Art Déco

Mit Art Déco wird nicht nur eine Zeitspanne bezeichnet, die herausragende Objekte der angewandten Kunst hervorgebracht hat. Art Déco weist auch auf ein bestimmtes Lebensgefühl hin. Die „Goldenen Zwanziger“ oder „roaring twenties“ mit Josephine Baker und dem wilden Jazz, die einen umwälzenden Einfluss auf das „Wohnen“ hatten. Gemeint ist die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen (1919-1939), wobei das erst seit den 70er Jahren gebräuchliche Kürzel Art Déco abgeleitet wird von der 1925 in Paris veranstalteten Ausstellung „Exposition internationale des Arts décoratifs et Industriels Modernes“.

Art Déco steht aber auch als Synonym für den Siegeszug der „modernen“ Gesellschaft mit all ihren technischen und sozialen Neuerungen und einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander klaffte. Nur der wohlhabende Teil der Gesellschaft konnte sich die exklusiven Interieurs leisten, wobei oftmals Unikate oder Produktionen in geringen Auflagen für spezielle Kunden entworfen wurden.

Für die vielen, neu erfundenen Industrieprodukte (z.B. Radios) mussten „Hüllen“ gefunden werden, woraus sich ein weites Betätigungsfeld für die Entwerfer der angewandten Kunst ergab, das zum sogenannten „industrial design“ führte. Aber auch alt bewährte Produkte wie Beleuchtungskörper wurden unter dem Aspekt „neue Sachlichkeit (Bauhaus)“ einem Redesign unterzogen.

Epochal wird die Zeit des Art Déco eingerahmt vom vor ihr liegenden verspielten Jugendstil und der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, die man nach dem folgenden Jahrzehnt meist als „Fifties“ bezeichnet. Die Notwendigkeit der Umgestaltung der Industrieprodukte im Art Déco zu sachlicheren Formen ergab sich daraus, dass im vorangegangenen Jugendstil meist das Objekt als solches, aber nicht seine Funktion, im Vordergrund stand. So wurden im Jugendstil oft unzweckmäßige, aber handwerklich hochwertige Kunstwerke als Alltagsprodukte geschaffen. Denkt man zum Beispiel an die vielfarbigen Gläser der Jugendstillampen eines Emile Gallé (1846-1904) oder Louis Comfort Tiffany (1848-1933), so ist damit eine funktionale Beleuchtung (im Sinne von hell mit korrekter Farbwiedergabe) unvorstellbar. Ihre optische Wirkung war allerdings durch die lichtstarke elektrische Beleuchtung beeindruckend.

Beleuchtungskonzepte

Die gestalterischen Möglichkeiten der elektrischen Beleuchtung wurden nach dem 1. Weltkrieg von Architekten und „Einrichtern“ erkannt. Bereits in den 20er Jahren befasste man sich mit einer wissenschaftlichen Bearbeitung der Beleuchtungsfrage. Gewünscht war eine funktionale Beleuchtung für verschiedene Wohn- oder Arbeitssituationen, was z.B. zu Konzepten zur indirekten Beleuchtung (mit nur nach oben strahlenden Stehlampen oder Wandlampen als Deckenflutern) bzw. zur Integration der Lichtplanung in die Innenarchitektur führte. Die Architektur bemächtigte sich auch sprachlich des Lampenentwurfs, indem die Lampen nun „konstruiert“ und nicht mehr „gestaltet“ wurden.

Französische Art Déco Leuchten

Frankreich brachte aus einer Fülle kreativer Künstler und Hersteller sowie einem aufgeschlossenem, experimentierfreudigen Käuferpublikum zahllose Art Déco Leuchten hervor. Diese begeistern uns noch heute durch ihre funktionale Form bzw. inspirieren unsere zeitgenössischen Designer zu Ähnlichem. Im Deutschland der 20er Jahre sind nur die Entwürfe im Stil der neuen Sachlichkeit der Bauhaus Mitglieder beachtlich, die restliche Produktion erregt heute – und erregte vermutlich auch damals – keine Begeisterung.

Die Entwicklung der Art Déco Leuchten in Frankreich wird umfassend durch den 4-teiligen Bildband „Le Luminaire“ von Guillaume Janneau mit über 600 abgebildeten Lampen dokumentiert. Dieser ist als Nachdruck von 4 zeitgenössischen Katalogen (Originaltitel: „Le luminaire et les moyens d`eclairage nouveaux“) über französische Designerlampen zwischen 1925 -1937 wieder erhältlich. Gezeigt werden im ersten Teil die Trends im Jahre 1925, sowie in den folgenden Teilen in den Jahren 1930, 1930/31 und 1937. Der Katalog beinhaltet Werke aller namhaften Künstler bzw. Firmen jener Zeit in Frankreich, wie z.B. Lalique, Sabino, Perzel, Ruhlmann, um nur einige zu nennen.

Bei den französischen Lampen der Zwanziger Jahre sind häufig die Nachwirkungen des Jugendstils zu beobachten. Man findet z.B. gläserne Lampenschirme, die sowohl aus floralen Elementen als auch aus rein geometrischen Strukturen des Art Déco bestehen. Ab ca. 1930 dominieren „reine“ Art Déco Lampen, mit ihrer typischen, streng geometrischen Ausrichtung. Es tritt eine Reduzierung der Dimension der Motive ein. In den Zwanzigern findet man bei den Lampen noch Pressglasschirme mit dreidimensionalen Motiven (z.B. stark geometrisch konstruierte Rosen bei Degue), in den Dreißigern vereinfachen sich die Motive auf zweidimensionale, geätzte geometrische Muster. Diese einfachen, linearen Formen hatten für die Produktion der metallenen Lampenmonturen einen positiven Nebeneffekt; sie erleichterten die Herstellung mit Maschinen.

In Frankreich trifft man auf zwei Gruppierungen von Künstlern. Zum einen die sogenannten „Traditionalisten“, die vom Kunsthandwerk kommend hochwertige, dekorative Gebrauchsgegenstände in der alten Machart fertigten. Zu ihnen zählt man Süe et Mare, Emile-Jacques Ruhlmann oder auch René Lalique. Zum anderen die „Funktionalisten“, vergleichbar mit den Mitgliedern des Bauhauses in Deutschland, die auf dekorative „Schnörksel“ verzichteten und der Funktion des Gegenstands bei seiner Gestaltung die zentrale Bedeutung zugedachten. Bekannte Vertreter dieser Richtung sind Jean Perzel, Pierre Chareau und Jean Jacques Adnet.

Typisch für französische Lampenhersteller ist auch ihr Festhalten an einem Motiv für verschiedene Lampentypen. So verwenden sie identische Muster für große Schirme von Decken- oder Tischlampen, für Tulpen (= kleine Glasschirme an Deckenlampen; franz. tullipes) und für Plaquen (= Platten) von Decken- oder Wandlampen.

Im Art Déco entstanden als dekorativer Wandschmuck sowie aus dem Wunsch nach einer blendfreien indirekten Beleuchtung eine Vielzahl von Wandlampen (franz. Appliquen). Namhafte Hersteller wie Sabino hatten zu den Deckenleuchten passende Wandlampen jeweils in ihrem Programm. In den Zwanzigern bestehen sie meist aus Metallfassungen mit im Art Déco Reliefstil gepresstem Glas (z.B. von Muller Frères) später meist nur noch aus gedrückten Metallschalen (z.B. Perzel), die manchmal mit einfachen geätzten Glasplatten zur Lichtauskopplung für spezielle Lichteffekte ergänzt wurden.